Hamburg. Angesichts explodierender Mieten ist eine Enteignungs-Debatte entbrannt. Die Hamburger Immobilienwirtschaft hält davon gar nichts.

Angesichts explodierender Mieten in deutschen Großstädten ist der Ruf laut geworden, große Immobilienkonzerne zu enteignen und so den Wohnungsmarkt für Spekulanten und Investoren uninteressant zu machen. In Berlin hat eine Initiative ein entsprechendes Volksbegehren angestoßen.

Gleichzeitig zeigt die Ankündigung von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne), Eigentümer unbebauter Grundstücke in seiner Stadt in die Pflicht nehmen zu wollen und ihnen Fristen zur Bebauung setzen zu wollen, dass es offenbar zu kurz gedacht ist, nur mit dem Finger auf Immobilienkonzerne zu zeigen, wenn man auf Mietsteigerungen in Großstädten zu sprechen kommt.

Private reagieren am deutlichsten auf Wohnungsknappheit

Wobei eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln schon belegt, dass es vor allem die privaten Vermieter (wie Deutsche Annington und Akelius) sind, zu denen die Wissenschaftler auch Kleinvermieter zählen, die am stärksten die Mieten in Großstädten erhöhen. Im Schnitt verlangen sie 8,70 Euro pro Quadratmeter nettokalt; Genossenschaften 7,50 Euro, kommunale Wohnungsunternehmen 7,40 Euro. Private Vermieter würden damit am deutlichsten auf die Wohnungsknappheit reagieren, so die Wissenschaftler.

Sie warnen aber zugleich davor, diese Mietsteigerungen zu skandalisieren. Denn bei beiden Gruppen sei eine höhere Fluktuation zu vermuten, was zu durchschnittlich höheren Mieten beitrage. Auch seien die privaten Eigentümer die fleißigsten Modernisierer mit einer Quote von zehn Prozent jährlich.

Offenbar wüssten sie jetzt auch ihre möglichen Ertragspotenziale zu realisieren, nachdem diese durch die Mietpreisbremse und die Kappung der Modernisierungsumlage eingeschränkt worden seien. Insgesamt, so das IW, bringe es wenig, diese Eigentümergruppen zu verteufeln. Mietsteigerungen würden nur durchgesetzt, weil staatlicherseits zu wenig Bauland ausgewiesen werde.

Geringster Anteil an Mietsteigerungen

Immobilien-Lobbyist Torsten Flomm plädiert dafür, mehr zu bauen.
Immobilien-Lobbyist Torsten Flomm plädiert dafür, mehr zu bauen. © Michael Rauhe

Immerhin – dieser Hinweis kann Torsten Flomm ein wenig beschwichtigen. Ansonsten zeigt sich der Vorsitzende des Grundeigentümer-Verbandes Hamburg verärgert. „Ich weiß nicht, wo das IW die Zahlen herhaben will, die angeblich eine Spitzenstellung der privaten Kleinvermieter bei den Mieterhöhungen belegen soll“, sagt Flomm.

Zwar habe das Statistische Bundesamt unlängst festgestellt, dass diese Eigentümergruppe mit einem Anteil von 66 Prozent am Wohnungsmarkt „ein hohes Gewicht“ hätten, es habe aber auch betont, dass diese Gruppe den geringsten Anteil an den Mietsteigerungen habe. „Die Mietpreissteigerungen waren seit 2015 bei den privaten Kleinvermietern sogar noch niedriger als bei den Wohnungsbaugenossenschaften und deutlich niedriger als bei Wohnungsunternehmen“, so Flomm.


Mieterwechsel führt zu Mieterhöhung

Fakt ist: Es sind vor allem die Mieterwechsel, die in den Metropolen zu „sehr hohen Preissteigerungen“ geführt haben. Dies stellt das Bundesamt in seinem Hintergrundpapier zur Revision des Verbraucherpreisindexes für Deutschland fest: „Im Durchschnitt ergab sich eine Preisveränderung von etwa elf Prozent im Jahr 2018“, heißt es dort.

Was also tun? Für Flomm ist es wichtig, dass alle Vermietergruppen am Neubau mitwirken, „weil nur der Neubau das Wohnungsproblem am Ende wirklich lösen kann.“ Die Behörde für Stadtentwicklung und Bauen sieht es ähnlich. Dort verweist man auf das enge Bündnis mit der Wohnungswirtschaft.

Im Notfall wird Planrecht verändert

„Zudem setzt Hamburg seit Jahrzehnten konsequent auf Innenentwicklung. Wir kennen die vorhandenen Potenziale und wollen diese auch in Zukunft nutzen. Wenn in Baulücken im Bestand oder auf frei werdenden Arealen Wohnungsbau entstehen soll, dann schaltet sich die Verwaltung aktiv ein, moderiert die Verhandlungen und führt Gespräche mit allen Beteiligten. Wenn nötig wird das Planrecht angepasst“, heißt es.

Enteignung aber komme nicht in Frage. Wie wenig sinnvoll diese Maßnahme ist, betont auch IW-Immobilienökonomen Michael Voigtländer. Bei den privaten Wohnungsunternehmen würden 44 Prozent der Mieterhaushalte mit gutem Einkommen „von unterlassenen Mietsteigerungen profitieren“, betont er. Eine Enteignung wäre also nicht nur ökonomisch äußerst fragwürdig, „sondern würde auch vielen Mietern helfen, die diese Hilfe gar nicht brauchen.“