Berlin. Hunderte Millionen Überstunden machen Arbeitnehmer im Jahr. Gesetze und Verträge regeln, was erlaubt ist. „Einfach so“ gilt nicht.

Überstunden sind in vielen Branchen Alltag – zumindest phasenweise. So etwa in der Automobilindustrie, wo oft Mehrarbeit anfällt, wenn ein Modellwechsel ansteht. Oder im Hotel- und Gastgewerbe.

Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) haben Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mehr als eine Milliarde Überstunden gemacht – die Hälfte davon unbezahlt. Jeder neunte Arbeitnehmer arbeitet den Angaben zufolge mehr als 48 Stunden pro Woche.

Überstunden in höheren Positionen sind mit dem Gehalt abgegolten

In den tarifgebundenen Betrieben sind Überstunden klar geregelt: Während Arbeiter und Angestellte die Extrastunden bezahlt oder ausgeglichen bekommen, sind die Mitarbeiter in Leitungsfunktionen ausgenommen.

In höheren Positionen beziehungsweise bei Diensten höherer Art mit dem dazugehörigen Gehalt sind Überstunden laut Arbeitsvertrag mit dem Gehalt abgegolten. So gehören etwa Indus­triemeister, Werksleiter oder Manager in der Regel zu den Berufsgruppen, die vom Prinzip ausgenommen sind, dass Überstunden vergütet werden müssen.

Eine höhere Position beginnt bei 6500 Euro brutto

Dass das rechtens ist, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in mehreren Entscheidungen klargestellt. Als Leitschnur, was eine höhere Position darstellt, habe das Gericht eine klare Linie gezogen, erläutert Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg: „Das Gericht sagt: Wenn das Monatsgehalt über der Beitragsbemessungsgrenze West der Rentenversicherung liegt, darf der Arbeitgeber festlegen, dass Überstunden darin schon enthalten sind.“ Aktuell liegt die Beitragsbemessungsgrenze bei 6500 Euro brutto.

Für alle anderen gilt: Die Bezahlung oder der Ausgleich durch Freizeit muss im Arbeitsvertrag geregelt sein, zumindest durch den Verweis auf einen gültigen Tarifvertrag oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung. Dann ist man grundsätzlich auch verpflichtet, die Mehrarbeit zu übernehmen.

Überstunden: Arbeitgeber muss Mehrarbeit begründen

Allerdings muss der Chef auf eine ganz wesentliche Einschränkung achten: Überstunden dürfen immer nur aus einem konkreten Grund angeordnet werden, zudem muss der Betriebsrat, wenn vorhanden, beteiligt werden. „Einfach so“ mehr zu arbeiten, weil der normale Arbeitsaufwand in der normalen Zeit nicht zu bewältigen ist – genau das soll nicht sein.

Dabei gilt auch die zusätzliche Arbeitszeit als Überstunden, die etwa für einen konkreten Auftrag ansteht, der innerhalb einer bestimmten Zeit erledigt werden muss. Ansonsten aber muss der Vorgesetzte Überstunden ausdrücklich anordnen und auch begründen.

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    Aber auch dann kann in einem Unternehmen nicht plötzlich rund um die Uhr gearbeitet werden: Laut Arbeitszeitgesetz dürfen es pro Arbeitnehmer nicht mehr als zehn Stunden pro Tag sein, darüber hinaus darf die durchschnittliche Arbeitszeit in einem Sechsmonatszeitraum die eigentlich maximal zulässigen acht Stunden pro Tag nicht überschreiten.

    Montag-bis-Freitag-Job: Mehrarbeit abends und samstags

    Ob auch Sonntage oder Feiertage dazugehören, hängt vor allem von der Branche ab. Beim gängigen Montag-bis-Freitag-Job sollte sich Mehrarbeit auf die Abendstunden und den Samstag beschränken; in Branchen dagegen, wo ohnehin durchgängig gearbeitet wird, gilt diese Einschränkung nicht.

    Und so müssen beispielsweise Zugschaffner und Kellner, Filmvorführer und Wachleute, Krankenschwestern oder Pflegekräfte nötige Mehrarbeit auch an Sonn- beziehungsweise Feiertagen erledigen.

    Überstunden können nicht wegen Freizeitplänen abgesagt werden

    Was aber, wenn wichtige private Termine mit kurzfristig angesetzter Mehrarbeit kollidieren? Zwar ist der Arbeitgeber von Gesetzes wegen verpflichtet, seine Interessen mit den persönlichen Interessen des Arbeitnehmers abzuwägen, aber, wie Fachanwalt Wieneke-Spohler sagt: „Wenn im Arbeitsvertrag steht, dass der Arbeitnehmer Überstunden leisten muss, dann ist es fast unmöglich, sich davon loszusagen.“

    Die eigene Hochzeit wegen Überstunden abzusagen, wäre sicher zu viel verlangt; bloß andere Pläne für die Freizeit zu haben, etwa ins Konzert gehen zu wollen, reicht nicht als wichtiger persönlicher Grund aus, um Überstunden zu verweigern, so die Einschätzung von Anwalt Wieneke-Spohlers: „Man hat sich durch die Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag nun einmal dazu bereit erklärt, nicht nur die normale Arbeitszeit abzuleisten.“

    Überstunden werden häufig nicht angemessen bezahlt

    Die geleisteten Überstunden auch angemessen bezahlt zu bekommen, ist in der Praxis immer wieder ein Problem – das zeigt nicht zuletzt die hohe Zahl von unbezahlten Überstunden. Nach IAB-Berechnungen blieben bereits 2017 etwa 925 Millionen unbezahlt.

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      Möglich ist das überhaupt nur deshalb, weil in vielen Arbeitsverträgen immer noch die unzulässige Formulierung auftaucht, „etwaige“ Überstunden seien mit Lohn oder Gehalt pauschal abgegolten. In solchen Fällen sind Überstunden nach Angaben von Gewerkschaftern mitunter auch ein Mittel, um Lohnkosten zu senken, und nicht, um Arbeitsspitzen abzufedern.

      Überstunden-Regelungen vom Bundesarbeitsgericht festgelegt

      Das Bundesarbeitsgericht hat klare Anforderungen an vertragliche Überstunden-Regelungen gestellt: „Transparenz ist das Stichwort“, sagt Christian Wieneke-Spohler: „Der Arbeitnehmer muss wissen, was er für sein Geld leisten muss.“

      So kann festgelegt sein, dass beispielsweise zehn Stunden im Monat mit dem Gehalt abgegolten sind oder mit einer Pauschale bezahlt werden. Wenn dann bei einer solchen Überstunden-Pauschale auf die einzelne Arbeitsstunde umgerechnet auch noch der Mindestlohn eingehalten wird, gehe dies rechtlich in Ordnung.