Berlin. Viele halten das Kokosöl für ein Heilmittel. Einige Forscher bezeichnen es als Krankmacher. Was stimmt und was sind die Alternativen?

„Kokosöl ist das reine Gift“ – mit diesem Satz erhitzte die Professorin Karin Michels kürzlich die Gemüter der Bundesrepublik. Denn das weiße Fett hat eine fleißige Lobby und viele Fans, die es als Wunderheilmittel preisen.

Der Satz fiel während eines Vortrags über Ernährungsirrtümer an der Universität Freiburg, wo Michels lehrt. Mittlerweile ruderte sie zurück. Die Aussage sei „zugespitzt“, die Wortwahl „unglücklich“ gewesen. Bei ihrer Aussage, dass Kokosöl der Gesundheit keineswegs nutze, bleibt die Wissenschaftlerin trotzdem. Was ist dran an der Kritik und welche Alternativen gibt es?

Eigentlich gelten Pflanzenöle als die gesunde Alternative zu tierischem Fett. „Sie enthalten deutlich mehr sogenannte ungesättigte Fettsäuren als gesättigte, deren Anteil in tierischen Produkten wie etwa Butter deutlich höher ist“, erklärt Stefan Kabisch, Studienarzt in der Abteilung für Klinische Ernährung am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (Dife).

Kokosöl – sowie übrigens auch Palmöl – sind dabei allerdings Ausnahmen. „Kokosöl enthält etwa 90 Prozent gesättigte Fettsäuren und damit deutlich mehr als Butter mit etwa 52 Prozent“, erklärt Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), „aus gesundheitlichen Gründen würden wir es nicht empfehlen.“

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    Was sind gesättigte Fettsäuren?

    Warum das so ist, bleibt allerdings für die meisten Verbraucher ein Rätsel, denn nur die wenigsten wissen, was dieser sogenannte Sättigungsgrad überhaupt aussagt. Jedes Öl ist aus mehreren Fettsäuren zusammengesetzt. „Der Sättigungsgrad verrät, wie viele sogenannte Doppelbindungen so eine Fettsäure enthält“, erklärt Kabisch.

    Wer sich einmal die wabenförmigen Darstellungen von Molekülen aus dem Chemieunterricht in Erinnerung ruft, weiß es vielleicht noch: Die Buchstaben, mit denen die beteiligten Elemente dargestellt werden, sind mal mit einem und mal mit zwei Strichen verbunden. Zwei Striche stehen dabei für eine Doppelbindung. „Kommen sie in einem Molekül gar nicht vor, ist es komplett gesättigt. Kommt nur eine solche Verbindung vor, ist die jeweilige Fettsäure einfach ungesättigt, gibt es mehrere Doppelbindungen, ist sie mehrfach ungesättigt“, sagt Kabisch.

    „Einige sind weniger schädlich als andere“

    Je ungesättigter ein Öl, umso mehr Doppelbindungen seine Fettsäuren also enthalten, umso reaktionsfreudiger sei es. „Diese Funktionsstellen fangen dann zum Beispiel besonders gut freie Radikale ab. Sie werden vom Körper auch bevorzugt verbrannt.“ Einige werden auch zu Substanzen mit hormonartiger Signalwirkung verstoffwechselt, etwa die besonders vorteilhaften Omega-3-Fettsäuren. „Sie können entzündungshemmend wirken“, so Kabisch.

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      Gesättigte Fettsäuren stehen hingegen im Verdacht, dem Wohlbefinden eher zu schaden als zu nutzen. Eine Analyse von mehr als 100 Studien habe gezeigt, dass sie beispielsweise den Gehalt des unerwünschten LDL-Cholesterins im Blut steigen lassen und damit etwa das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen, warnte im vergangenen Jahr die American Heart Association und riet explizit vom großzügigen Verzehr von Kokosöl ab.

      Man dürfe allerdings nicht alle gesättigten Fettsäuren über einen Kamm scheren, erklärt Bertrand Matthäus, der sich am Max Rubner-Institut (MRI), dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, mit Lipidforschung beschäftigt. „Einige sind weniger schädlich als andere.“ Dabei müsse nach der sogenannten Kettenlänge unterschieden werden. Sie bemisst sich an der Anzahl der Atome eines Fettsäure-Moleküls.

      Kokosöl soll beim Abnehmen helfen, ist oft zu lesen

      „Grob lässt sich sagen: je länger die Ketten, desto fester das Öl und desto ungesünder“, sagt Dife-Experte Kabisch. Kokosöl enthalte vergleichsweise viele Fettsäuren, die in der Literatur teils auch als mittelkettig bezeichnet werden, erklärt Matthäus. Hier gingen die Meinungen allerdings auseinander. Mittelkettige Fettsäuren könnten schneller in Energie umgewandelt werden, da der Körper sie anders aufnehme. „Es ist daher immer wieder zu lesen, dass Kokosöl unter anderem beim Abnehmen helfen könnte. Eindeutig belegt ist das allerdings nicht.“

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        Das Gegenteil behaupten viele Kokosöl-Anbieter im Netz. Sie werben mit einer 2008 im „American Journal of Clinical Nutrition“ erschienenen US-Studie, bei der knapp 50 Probanden im Rahmen eines Abnehmprogramms entweder Olivenöl als Teil der Ernährung bekamen oder ein Kokosöl mit einem hohen Anteil bestimmter mittelkettiger Fettsäuren. Die Untersuchung wurde von einem Team um die Wissenschaftlerin Marie-Pierre St-Onge von der Columbia University durchgeführt. Am Ende der 16-wöchigen-Studienphase hatten die Kokosöl-Kandidaten signifikant mehr Gewicht verloren als die Olivenöl-Kandidaten.

        Diese Öle empfehlen die Experten

        Der entscheidende Fakt, den Kokosöl-Anbieter bei der Schilderung dieses Ergebnisses aber stets ausließen, so wird St-Onge von der American Heart Association zitiert, sei, dass sie für ihre Studie ein spezielles Kokosöl mit 100 Prozent mittelkettigen Fettsäuren verwendet hatte. Unter normalen Umständen enthalte das weiße Fett maximal 14 Prozent dieser offenbar vorteiligen Verbindungen.

        Herkömmliches Kokosöl wirke sich weder auf den Stoffwechsel noch auf Faktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen klar positiv aus, wie eine Studie zeigt, die St-Onge jetzt im „European Journal of Clinical Nutrition“ veröffentlichte. „Kurzum, es gibt keine Belege dafür, dass Kokosöl Gift ist, aber auch keine dafür, dass es besonders großartig für die Gesundheit wäre“, fasst Matthäus zusammen. Auf einen Punkt immerhin können sich alle Experten einigen: Es gibt zahlreiche Öle, die der Gesundheit deutlich mehr nutzen als Kokosöl.

        „Wir empfehlen Rapsöl als Standard, es hat eine besonders günstige Fettsäuren-Zusammensetzung“, sagt DGE-Expertin Restemeyer, „es lässt sich vielfältig einsetzen, in kalt gepresster Form für Salat, in raffinierter Form aber auch zum Braten und Frittieren.“ Auch Matthäus und Kabisch raten zu Raps.

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          Einige Inhaltsstoffe dampfen in Form von teils giftigem Rauch ab

          Kalt gepresst werden Speiseöle vor allem, um die Geschmacksstoffe zu erhalten. Öle zu raffinieren, ist in der Herstellung wesentlich günstiger, dabei gehen Geschmack und Geruch in der Regel verloren. „Beim Braten gehen die Aromastoffe aber ebenso verloren“, sagt Restemeyer, „zum Kochen sollte deshalb kein kalt gepresstes Öl verwendet werden, dafür ist es schlicht zu teuer“. Das vorteilhafte Fettsäureverhältnis überlebt die Pfanne hingegen.

          Für die Gesundheit ist es also unerheblich, ob kalt gepresstes oder raffiniertes Öl verwendet wird. „Wer den Geschmack beispielsweise von Oliven- oder Walnussöl auch an warmen Speisen haben möchte, kann das Essen nach dem Braten noch damit abschmecken“, rät Matthäus.

          Olivenöl enthält einen besonders hohen Anteil der einfach ungesättigten Ölsäure und ist für viele Verbraucher der Geschmacksfavorit. „Einen hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren haben zum Beispiel Soja-, Walnuss-, und Leinöl“, ergänzt Restemeyer. Sonnenblumenöl ist weniger günstig zusammengesetzt, enthält dafür aber so viel Vitamin E, dass zwei Esslöffel den Tagesbedarf eines Erwachsenen decken.

          Wer Pflanzenöle beim Kochen nutzt, sollte auch auf die Temperatur achten. Ist sie zu hoch, zersetzt sich das Öl und einige Inhaltsstoffe dampfen in Form von teils giftigem Rauch ab. „Hier sind raffinierte Öle in der Regel besser geeignet“, sagt Matthäus, „im Idealfall sollten Pflanzenöle aber nicht länger auf über 170 Grad erhitzt werden“.