Berlin. Manchmal kehrt der Stress schon wenige Tage nach dem Urlaub zurück. Eine Expertin hat uns erklärt, wie wir länger erholt bleiben.

Die Sommerferien stehen vor der Tür - und damit für viele Deutsche auch die Urlaubszeit. Manchmal allerdings verpufft der Entspannungseffekt schon wenige Tage nach der Heimkehr aus den Ferien.

Die Arbeitspsychologin Carmen Binnewies (38) von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster forscht zum Thema Urlaub und Erholungseffekte und hat mit uns darüber gesprochen, wie man seine Erholung nach dem Urlaub am längsten erhält.

Viele Menschen kommen aus dem Urlaub und klagen schon am ersten Arbeitstag, wieder urlaubsreif zu sein. Übertrieben?

Binnewies: Die Erholungseffekte des Urlaubs sind ganz gut erforscht, daher kann man sagen, dass man nach rund drei Wochen wieder auf dem Stand ist, auf dem man vor dem Urlaub war. Aber manche Effekte sind auch schon nach einer Woche wieder verschwunden. Deswegen untersuchen wir auch eher Erholungseffekte im Alltag, weil die aus dem Urlaub leider gar nicht so lange anhalten.

Kann ich bei der Arbeit Einfluss darauf nehmen, wie lange ich mich erholt fühle?

Binnewies: Je mehr Arbeitsbelastung und Stressfaktoren nach dem Urlaub auf mich zukommen, desto schneller ist auch der Urlaubseffekt wieder weg. Wenn man es in der Hand hat, sollte man nicht sofort wieder in die Vollen gehen. In vielen Berufen ist es ja auch so, dass in der Urlaubszeit Dinge liegen bleiben, das sollte man einplanen und nicht zusätzlich zum normalen Pensum angehen. Möglichkeiten sind zum Beispiel, die Abwesenheitsnotiz im E-Mail-Postfach noch zwei Tage länger geschaltet zu lassen, sich nicht sofort zu viele Meetings einzuplanen. Und man könnte seinen ersten Arbeitstag auch auf einen Mittwoch legen, damit das erste Wochenende nicht mehr so lange auf sich warten lässt.

Sollte ich in der Woche vor dem Urlaub noch schnell ein paar Sachen abhaken, damit sich danach nicht so viel angehäuft hat?

Binnewies: Das lässt sich für die Allgemeinheit schwer sagen. Es gibt Untersuchungen, bei denen die Menschen schon kurz vor dem Urlaub anfangen zu entspannen, bei anderen hatten sie noch sehr viel Stress. Für Letztere wäre das sicher nicht die beste Option, weil sie umso gestresster in den Urlaub fahren.

Lässt sich sagen, wie lange ein Urlaub sein muss, um erholsam zu sein?

Binnewies: Alle Daten, die es dazu gibt, sagen interessanterweise aus, dass die Dauer des Urlaubs keinen Einfluss auf die Qualität der Erholung hat. Das steht oft im Kontrast zum eigenen Empfinden. Es ist natürlich klar, dass ich bei einem längeren Urlaub eine längere Phase der Entspannung erlebe. Aber der Effekt hält nicht länger an. Die meisten Untersuchungen setzen da bei mindestens einer Woche Urlaub an, aber es wurde auch schon gezeigt, dass Kurzurlaube gute Effekte haben. Es ist nur ein bisschen schwer, diese Studien zu vergleichen. Ich glaube aber, es geht nicht um die Dauer, sondern darum, wie positiv ich diese Zeit erlebt habe.

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    Was kann ich denn während des Urlaubs für gute Erholung tun?

    Binnewies: Wir sprechen von verschiedenen Erholungserfahrungen, die man im Urlaub machen kann. Ein ganz wesentlicher Faktor ist, ob ich mental von der Arbeit abschalten kann. Die anderen sind Entspannung, auch Kontrolle beziehungsweise Selbstbestimmtheit spielen eine Rolle und aktive Erholung in Form von Bewegung. Es geht also nicht zwangsweise nur ums Liegen am Strand.

    Prof Dr. Carmen Binnewies forscht an der von der WWU Münster tz Arbeit, Urlaub und Erholung.
    Prof Dr. Carmen Binnewies forscht an der von der WWU Münster tz Arbeit, Urlaub und Erholung. © Michael Mücke | Michael Mücke

    Und das Diensthandy bleibt besser aus.

    Binnewies: Das Nutzen von Kommunikationsmedien wie Smartphone, Telefon oder sozialen Medien macht das mentale Abschalten schwieriger. Interessanterweise haben unsere Daten gezeigt, dass das auch unabhängig davon ist, ob man mit Arbeitskollegen oder im privaten Umfeld kommuniziert. Da hat es auch keinen Unterschied gemacht, ob ich aktiv kommuniziere oder nur passiv bin, irgendwo mitlese. Vermutlich weil man so oder so an den Alltag erinnert wird. Die Nutzung von Facebook war übrigens nicht unbedingt schädlich fürs Abschalten, es führte aber dazu, dass die Nutzer schlechter gelaunt waren.

    Sollte ich meinen Rückreisetermin so legen, dass ich noch ein bisschen Zeit vor dem ersten Arbeitstag habe?

    Binnewies: Generell muss man sagen, dass das Reisen auch immer Stress bedeutet. Aber ich glaube, dass man seinen Urlaub oder seine Reisen nicht nur danach ausrichten sollte, wie man am besten wieder in die Arbeit einsteigen kann, es gibt ja noch andere Sachen im Leben. Und wenn mir eine Reise viel Freude bereitet und sie bis zum Tag vor dem Arbeitsbeginn dauert, dann ist das halt so.

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      Wie erhalte ich meine Erholung, wenn ich zurück im Alltag bin, also nach Feierabend?

      Binnewies: Da helfen im Prinzip dieselben Erholungsfaktoren, die auch im Urlaub wirken. Das Wichtigste ist einfach, nicht zu arbeiten. Die meisten Erholungsfaktoren können bei jedem sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Was aber bei jedem funktioniert, ist Bewegung. Durch körperliche Aktivität wird immer Stress abgebaut.

      Am besten habe ich also auch einen Job, der mir genug Zeit lässt, Erholung überhaupt einplanen zu können.

      Binnewies: Es ist schwierig, Berufe zu vergleichen, da fehlen uns die Daten. Aber generell ist es so, dass ein hohes Stresslevel negativen Einfluss hat. Denn auch für die Erholung, zum Beispiel durch Sport, brauche ich ein gewisses Maß an Energie. Wenn die aber schon komplett durch den Job verbraucht wurde, dann kann ich mich nur schwer aufraffen.

      Kann ich irgendwie bewusster auf mein Energielevel achten?

      Binnewies: An dieser Stelle haben Vorgesetzte eine große Vorbildfunktion, die Kommunikation mit ihnen spielt eine große Rolle. Manchmal ist es gar nicht der böse Chef, der noch abends eine E-Mail schreibt, um seine Mitarbeiter zu ärgern. Vielleicht regelt er seine Zeit nur einfach anders, er ist vielleicht früher nach Hause gegangen, um das Kind noch mal zu sehen, und erwartet am Abend keine Antwort auf die E-Mail. An diesem Punkt ist es einfach wichtig, dass man darüber redet und Erwartungen abklärt.