Rimini. Teutonengrill? Das war mal! Mittlerweile setzt Rimini in der italienischen Region Emilia-Romagna auf Kultur und Federico Fellini.

Es hätte in einem seiner Filme nicht besser inszeniert sein können. Vor einem riesigen Zirkuszelt am Strand stehen Menschen auf Heuballen. Artisten balancieren auf rollenden Bällen, andere jonglieren, Musiker fideln, und von irgendwoher kommen zwei wichtige Menschen, die beklatscht werden, obwohl sie als einzige keine Kunststücke vorführen.

Es geht skurril und lustig zu, ein Seiltänzer reicht einem der wichtigen Menschen, dem Starkoch Massimo Bottura, einen Bund Möhren, bevor er sich um die eigene Achse dreht. Der andere wichtige, der Bürgermeister von Rimini, An­drea Gnassi, klatscht dazu.

Das Festival Al Meni in Rimini scheint als Thema nur eine Person zu haben, und die kann gar nicht teilnehmen, weil sie tot ist: Federico Fellini, der fantasievolle Regisseur, der fünf Oscars erhielt und beim letzten sogar fragte, ob das nicht langsam zu viele würden.

Fellini soll Rimini zu neuem Image verhelfen

Anwesend sein, das beherrscht der Maes­tro selbst nach seinem Ableben noch. Das Festival in Rimini wurde so fantasievoll arrangiert, wie man es aus Fellinis Filmen kennt, das Zirkuszelt heißt wie einer davon („8 1/2“) und wurde aufgebaut in der Nähe des nach ihm benannten Platzes.

1920 wurde Fellini, der Meisterwerke wie „Dolce Vita“ schuf, in Rimini geboren. Die Erinnerung an seine Heimat stellte das zentrale Thema vieler seiner Filme dar. Sie gaben ihm Stoff für sein ganzes Filmschaffen, und weil er so viel aus der Stadt schöpfte, will die nun etwas von ihm.

Glanz, Kultur, Anspruch. Der berühmte Sohn soll dem einstigen Strandparadies, das durch den deutschen Massentourismus zum „Teutonengrill“ abstieg, zu neuem Image verhelfen. Mehr Kultur, weniger Körperkultur.

Bürgermeister packt die Dinge an

Fellinis Bekanntheit und zwölf Millionen Euro bilden die Grundlage für die Schaffung eines neuen Museums mit Sets, Bühnenbildern und Ausstellungen über die Werke des Italieners. 2020, wenn der Regisseur 100 Jahre alt geworden wäre, soll es eröffnet werden. Die Bauarbeiten sind in vollem Gange.

Wo einst Parkplätze waren, befinden sich bereits schicke Grünanlagen. Die älteren Rimineser halten manchmal mit ihrem Rad an und schütteln den Kopf. Sie können nicht glauben, dass tatsächlich mal ein Projekt umgesetzt wird.

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    „Ungewöhnlich für Italien, aber toll“, sagen sie. Bürgermeister Andrea Gnassi sei zwar ein Snob, aber endlich mal einer, der die Dinge anpackt, der Rimini zu neuer Größe verhelfen könne. Aufbruchstimmung, statt einen verlorenen Mythos zu konservieren – viele Ein­wohner halten das für eine gute Idee.

    „Ihr Deutschen habt einen Dickkopf, wir müssen uns anstrengen, um mal eine Einschätzung von euch zu verändern. Teutonengrill, so ein Quatsch“, sagt Gabriele Baglierani, den alle Gabri nennen.

    Er ist ein ähnlich gutes Aushängeschild für Rimini wie Fellini. „Wenn mein Onkel dich gekannt hätte, Gabri, dann wärst du in einem seiner Filme aufgetaucht, du bist echt ein Typ“, sagt Francesca Fabbri Fellini, die Nichte des Filmemachers, die oft an Gabrieles Arbeitsplatz kommt, den Strand.

    Der Bademeister sorgt von morgens bis abends für gute Stimmung

    Gabri führt seit 31 Jahren das Strandbad Bagno 26. Ursprünglich hatte der Riminese eine Ausbildung zum Drucker gemacht und mit einer Profikarriere als Fußballer geliebäugelt. Doch für das Leben in der Fabrik war er nicht gemacht, für das Leben auf dem Rasenplatz fehlte das Talent. Spielen konnte er, gut sogar, aber ein Maradona wird nicht alle Tage geboren. Immerhin sieht Gabri so aus. Das Muskelshirt spannt über dem Bauch, die Locken sind grau gesträhnt, die Gäste begrüßen ihn wie ihren besten Freund.

    „Ciao Gabri, Ciao Gabri!“ Umarmung hier, Küsschen da. Der Bagnino kennt sie alle, auch Gerd aus Aschaffenburg, seit 43 Jahren immer hier im Urlaub. Die beiden Männer stehen Arm in Arm am Strand und lachen. „Was soll man machen bei so einem Amigo, da muss man doch jedes Jahr zurückkommen“, sagt Gerd. „Ich verzaubere unsere Touristen“, sagt Gabri.

    Bademeister Gabriele Baglierani (l.) ist das beste Aushängeschild Riminis. Am Strand sind neben Liegen Unterhaltung und gute Laune inklusiv.
    Bademeister Gabriele Baglierani (l.) ist das beste Aushängeschild Riminis. Am Strand sind neben Liegen Unterhaltung und gute Laune inklusiv. © Yvonne Weiss | Yvonne Weiss

    Der 55-Jährige sorgt von morgens acht Uhr bis um Mitternacht für gute Stimmung, ein Showmaster des Strandlebens. „Ich gebe den Hauptdarsteller auf meiner Bühne, und jeden Tag kommen neue Leute, um mir zuzuschauen.“ Gabriele Baglierani ist der Prototyp für den italienischen Gastgeber. So wie er sollten sie alle sein, dann würde der Tourismus laufen wie mit Sonnenöl geschmiert.

    Als Gabri 1987 anfing, kostete eine Liege noch umgerechnet 50 Pfennig, heute zahlt man 25 Euro für zwei Liegen und einen Schirm. 1000 Liegen gibt es im Bagno 26, außerdem einen Spielplatz, eine Cocktailbar, ein Restaurant, eine kleine Bibliothek, einen Fitnessraum und Whirlpools. „Nicht zu vergessen Regiestühle, wie Fellini sie hatte“, sagt Gabri. Früher sah er den Star oft in der Disco.

    An der Küste gibt es eine ganze Reihe von Sehenswürdigkeiten

    Party-Clubs gibt es in Rimini immer noch, aber so wie in den 80ern, als Schwedinnen halb nackt auf Boxen tanzten, so wild geht es in dem Adria-Ort nicht mehr zu. Früher blieben die Touristen drei Wochen, heute nur wenige Tage, und sie wollen auch nicht mehr nur in der Sonne braten, sondern die Gegend erkunden. „Da haben wir an der Adria-Küste der Emilia-Romagna Glück, so viel Wundervolles präsentieren zu können“, sagt Gabri.

    Ravenna zum Beispiel, die weltberühmte Mosaik-Stadt. Acht Unesco-Kulturdenkmäler kann die Stadt aufweisen, die sowohl Hauptstadt des Weströmischen Reiches (402–476), des Ostgotischen Reiches unter Theoderich (493–553) sowie des Byzantinischen Reiches in Europa (568–751) war. Wo so viel Herrscheranspruch ein und aus ging, da wurde immer auch zur Machtdemonstration gebaut.

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      Gut für die Besucher Ravennas heute, denn welche kulturellen Schätze im Kirchenkomplex San Vitale mit dem Mausoleum Galla Placidia zu sehen sind, das überfordert manche Augen. Mosaike in einer Farbenpracht, die je nach Lichteinfall und Standpunkt anders schimmern. Jedes Mosaik ist symbolgeprägt und, auch ohne den christlichen Hintergrund zu kennen, einfach nur wunderschön.

      Touristen können Mosaikkunst auch selbst erlernen

      Wer nach der Besichtigung selbst kreativ werden will, geht in das wenige Meter von der Basilika San Vitale gelegene Erlebnislabor von Anna Fietta. Die Handwerkerin lehrt alte Techniken der Mosaikkunst: „Wir stellen keine Kopie des Alten her, wir schaffen Neues mit Tradition.“

      So schnell und geschickt wie Anna Fietta und ihre Tochter wird man mit Schneidzange, Spatel, Glasschneider und Zementpulver niemals umgehen. Aber nach zwei Stunden hat jeder ein kleines Mosaik hergestellt – und verlässt Ravenna als Künstler.

      Ein weiterer Ausflugstipp an der Küste der Emilia-Romagna heißt Cesenatico. Für Schifffans ein Muss! Ein Kanal wurde von Leonardo da Vinci so angelegt, dass die Kutter direkt durch den Ort fahren. Zudem ist Cesena­tico ein schwimmendes Museum

      Auch Rimini bietet viele Sehenswürdigkeiten

      Auf dem ­Kanal liegen zehn traditionelle Schiffe, die typisch für die mittlere und obere Adria waren. Sie sind dekoriert mit den Symbolen alter Fischerfamilien sowie mit Augen, die den Seefahrern Glück bringen sollten. Im Sommer setzen sie ihre bunten Segel, das sieht dann aus wie ein riesiges Filmset, aber hier hatte Fellini mal nicht seine Finger im Spiel.

      Auch in Rimini gibt es viele Sehenswürdigkeiten: die Tiberiusbrücke, ein Meisterwerk der Ingenieurskunst der antiken Römer. Den Platz der Tre Martiri, auf dem eine Stele an Cäsars berühmten Appel erinnert, den er hier an seine Legionen richtete („Die Würfel sind gefallen“). Der Augustus­bogen aus dem Jahr 27 v. Chr., kein Monument taucht so häufig in Kunstgeschichts­büchern auf. Das Haus des Arztes, eine vollständig erhaltene Arztpraxis aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, die zufällig entdeckt wurde.

      Als Mutprobe einmal in das Foyer des Grand Hotels rennen

      Eigentlich wollte man an der Stelle einen Baum ausreißen, an dessen Wurzeln hingen Mosaike. Normalerweise baggert man da in Italien einfach schnell weiter, aber zufällig kam jemand vom Denkmalschutz vorbei, und so wurde die weltweit größte Sammlung von chirurgischem Operationsbesteck für Amputationen und Zahnfüllungen unter der Piazza Ferrari ausgegraben. Skurril, und somit ganz nach Fellinis Geschmack.

      Unbedingt sehen sollte man auch das Grand Hotel, eines der legendärsten Gebäude Italiens. Mit seinen weißen Türmchen war es zur Zeit der Belle Époque ein magischer ­Anziehungspunkt, auch für den jungen Fede­rico, der als Kind sehnsüchtig um die 1908 eröff­nete Luxusherberge herumschlich.

      Einmal jedoch, so schreibt er in seinen Erinnerungen, fasste er seinen Mut zusammen, nahm Anlauf und rannte die Treppe hoch: „Eine nach Wachs duftende Kühle wie im Dom am Montagmorgen schlug mir entgegen. Ein Frieden und eine Stille wie in einem Aquarium.“

      Das Grand Hotel hielt stets eine Suite bereit für
      Das Grand Hotel hielt stets eine Suite bereit für © PR | PR

      Der junge Fellini sah „Sofas, groß wie Ruder­boote“, fantastische Teppiche, „Sessel, die größer waren als ein Bett“, bunte Glasscheiben mit Blumen und den „größten Kronleuchter der Welt“. Dann entdeckte ihn der Mann hinter dem Tresen, der „angezogen war wie ein Leichenbestatter bei einem Luxusbegräbnis. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er, ohne mich eines Blickes zu würdigen, auf die Tür.“

      Im Cinema Fulgor kann man Fellini ganz nah sein

      Später, als aus dem kleinen Federico der berühmte Regisseur geworden war, stand im Grand Hotel immer die Suite 315 für ihn bereit. Für rund 600 Euro können Gäste Fellinis Rückzugsort, der unverändert geblieben ist, heute mieten. Mit 18 Euro etwas günstiger kommt der Cocktail Dolce Vita, den man an der Hotelbar bestellen kann. Hier spürt man den Zauber der vergangenen Zeit und eine Atmosphäre von Luxus und Verführung.

      An noch einem Platz in Rimini kann man Fellini seit Kurzem ganz nah sein: im Cinema Fulgor. Jahrelang wurde der Ort, wo er 1925 seinen ersten Film sah, renoviert. Im vergangenen Mai wurde das Kino wieder eröffnet. Der oscargekrönte Produktionsdesigner Dante Ferretti, ein Freund Fellinis, entwarf den Kinosaal, der heute schöner ist, als ihn der Filmemacher beschrieb: „In dieser warmen Kloake und Lasterhölle war die Luft geschwängert von einer süßlich stinkenden Substanz, die vom Platzanweiser versprüht wurde.“

      Fellini hatte damals mit dem Kinobesitzer einen Deal: Er zeichnete Karikaturen der Filmstars der laufenden Vorstellung, dafür erhielt er Freikarten für sich und seinen Bruder, natürlich nur für die hinteren Sitzreihen. „Im Dunkeln versuchten wir, zu den Sperrsitzen vorzudringen, weil da die schönen Frauen waren, wie es hieß, doch wir wurden von dem Platzanweiser geschnappt“, schrieb Fellini. Im Cinema Fulgor warf Fellini seinen ersten Blick auf die große weite Welt. Heute blickt die Welt, oder zumindest sein Rimini, auf ihn.

      Tipps & Informationen

      Anreise Entweder mit dem Auto, mit dem Flugzeug nach Bologna oder mit der Bahn; während der Sommermonate gibt es eine direkte Verbindung ab München.

      Übernachtung z. B. im Mercure Hotel Rimini Lungomare : ab 75 Euro pro Nacht – Lungomare Bike Hotel: Perfekt für Radfans. In Cesenatico gelegen, bietet das Hotel Touren für Anfänger und Profis. Ab 57 Euro pro Zimmer – Tahiti Camping & Therme: Wer es am Strand weniger gefüllt mag, ist in der Nähe von Comacchio richtig. Auf dem mehrfach ausgezeichneten Campingplatz gibt es Pools und eine Wellnessanlage. Stellplatz ab 15 Euro.

      Auskunft www.emiliaromagnaturismo.com, www.riminiturismo.it

      (Die Reise wurde unterstützt vom Emilia Romagna Region Tourist Board.)