Berlin. 90 Prozent aller Bafög-Anträge haben Mängel. Luisa Todisco hilft Studenten, alles richtig zu machen – und schneller Geld zu bekommen.

Bafög-Leistungen gibt es auf Grundlage eines schriftlichen Antrags.“ Was so schlicht auf der Internetseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung steht, hat es in sich: Welche der acht Formblätter muss ich ausfüllen? Brauche ich auch noch die Anlagen 1 und 2? Welche Nachweise muss ich hinzufügen, welche Fristen beachten?

Wer einen Antrag auf finanzielle Unterstützung seiner Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz stellen will, muss sich tapfer einarbeiten in die Tiefen von Formularen und Merkblättern, Bewilligungszeiträumen, Leistungsbescheinigungen, Voraussetzungen und Rechtsgrundlagen. Oder er fragt Luisa.

Studium der Wirtschaftskommunikation

Luisa Todisco ist 36 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder. Nach einer Ausbildung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel begann sie 2008 an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) mit einem Bachelorstudium der Wirtschaftskommunikation.

Parallel gründete sie dort eine Elterninitiative für Studenten mit Kindern, wurde zur Frauenbeauftragten gewählt und zur Gutachterin für die Akkreditierung von Studiengängen. Ein Auslandssemester verbrachte sie mit Mann und Kindern auf Bali.

Carsten Maschmeyer: Darum fliegen diese Gründer bei ihm sofort raus

weitere Videos

    Viele Fragen zum Thema Finanzierung ähnelten sich

    Ehrenamtlich engagierte sich das Paar jahrelang an der Hochschule. Die beiden beantworteten unzählige Anfragen von Studierenden, die meisten zum Thema Bafög.

    „Irgendwann wurde es mir zu viel, jedem immer alles einzeln zu erklären“ erzählt To­disco. „Also habe ich angefangen zu bloggen, damit ich den Leuten praktisch nur noch einen Link als Antwort schicken konnte.“ Die Fragen hätten sich ohnehin immer geähnelt.

    Inzwischen kann man Todisco als wandelndes Bafög-Infoportal bezeichnen. Am Ende ihres Masterstudiums in Wirtschaftskommunikation entstand daraus eine Geschäftsidee: Menschen helfen, Bafög-Anträge zu stellen, und damit Geld verdienen. Der Markt dafür scheint vorhanden, gelten doch rund 90 Prozent aller Bafög-Anträge als fehlerhaft oder unvollständig.

    Online-Tool fürs Ausfüllen der Anträge

    Zusammen mit ihrem Mann Mathias gründete Luisa Todisco studierenplus.de und bietet nun ein Online-Tool an mit dem Versprechen: „Vom Bafög-Anspruch-Check bis zum korrekt ausgefüllten und ausgedruckten Bafög-Antrag inklusive aller Nachweise in 30 Minuten.“

    Dahinter verbirgt sich eine Software, die das Ausfüllen der Formulare vereinfacht, ähnlich einer Steuersoftware. „Wir haben die Bafög-Formulare, die ja bundeseinheitlich sind, genommen und sie in normale Umgangssprache übersetzt“, erklärt Todisco.

    Jetzt wirkt das Ausfüllen des Antrags wie ein einfaches Frage-Antwort-Spiel. Die Software sorgt dafür, dass die Antworten an die richtige Stelle im Formular eingetragen werden. „Und wir sagen den Leuten auch, welche Nachweise sie in ihrem individuellen Fall beilegen müssen, wohin sie den Antrag schicken müssen und bis wann.“

    Live-Chat auch an Feiertagen

    Wer trotzdem noch Fragen hat, kann sich im Live-Chat an die Todiscos wenden. Antworten gibt es selbst am Sonntagabend und an Feiertagen. Das seien die Zeiten, zu denen die meisten über ihren Anträgen brüteten, weiß Luisa Todisco.

    Die 36-Jährige kann auch zu Sonderfällen Auskunft geben. Einerseits aus eigener Erfahrung: Sie hat über die Regelstudienzeit hinaus Bafög bekommen, wurde während des Studiums Mutter, machte ein Auslandssemester. Andererseits hat sie schon für unzählige Spezialfragen recherchiert und sich dadurch ein enormes Wissen angeeignet.

    Gefördert vom „Berliner Startup Stipendium“

    Seit März 2017 ist das Tool online, 4000-mal wurde es bereits genutzt. 20 Euro kostet die Antragshilfe einmalig. Außerdem bekommen Luisa und Mathias To­disco noch bis Juni dieses Jahres das „Berliner Startup Stipendium“. Das beinhaltet auch, dass sie Räume im Gründungszentrum der Hochschule für Wirtschaft und Recht an der Babelsberger Straße nutzen können.

    In den nächsten Wochen wollen sie entscheiden, wie es weitergeht. Damit die vierköpfige Familie langfristig davon leben kann, müsste alles deutlich größer werden, und als Erstes bräuchten sie mehr zahlende Kunden. Bei etwa 600.000 Bafög-Empfängern in Deutschland, die alle Jahre wieder einen Antrag stellen, ist aber ja noch Luft nach oben.

    Arbeitgeber machten den Gründern Jobangebote

    Die Todiscos denken auch über weitere Antragstools nach, für Wohngeld zum Beispiel. Dafür müssten sie dann allerdings Mitarbeiter beschäftigen, ihre Kosten würden steigen.

    Aber es gibt auch Alternativen: Beide wurden schon von Firmen angefragt, die sich in Sachen Gründung, Marketing und Website-Management beraten lassen wollten. Doch zunächst einmal arbeiten sie an studierenplus.de weiter.

    Schwachstellen sollen ausgebessert, das Angebot bekannter gemacht werden – beispielsweise an Hochschulen, bei den Fachschaften und bei anderen Bloggern. Das sind die vorrangigen Ziele für die nächsten drei Monate.

    Viel Zeit in Reha investiert

    Außerdem hat Luisa Todisco neben ihrem Start-up und der Familie eine weitere zeitintensive Aufgabe. Nach einer Erkrankung im vergangenen Sommer war sie halbseitig gelähmt und arbeitet noch immer daran, ihr Bein und ihren Arm wieder richtig bewegen zu können.

    Woher nimmt sie die Energie, die sie trotzdem in ihr Business steckt? „Die Arbeit ist der Teil von mir, der schon vorher da war, der noch funktioniert und der sich für mich normal anfühlt“, erklärt sie.

    „Manche mögen vielleicht denken, das ist ja bescheuert! Du hast doch gerade wichtigere Sachen zu tun“, sagt Todisco. Und das stimme ja auch. „Aber es hat mir das Gefühl gegeben, nicht völlig hilflos zu sein, noch irgendwas zu können, was nicht jeder kann.“