Berlin. Klatschen gehört an Bord von Flugzeugen längst zu einem No-Go. Dabei gibt es gute Gründe, dies trotzdem zu tun. Wir stellen sie vor.

Knigge-Trainer haben seit Jahren vom Klatschen im Flugzeug nach der Landung abgeraten – das sei doch nur peinlich. Doch ausgerechnet die neue Stille an Bord führt zu viel schlimmerem Sittenverfall, und hat außerdem negative Folgen. Und so gibt es heute wieder gute Gründe, im Flugzeug dem Piloten und seiner Crew nach gelungener Ladung zu applaudieren.

Benimm-Fanatiker hatten stets betont, dass das Klatschen an Bord ein Ausdruck spießigen Bürgertums und längst aus der Zeit geraten sei. Und tatsächlich: „Das Klatschen ist ein bisschen aus der Mode gekommen“, sagt Markus Wahl, selbst langjähriger Pilot und Sprecher der Vereinigung Cockpit (VC). Der gefühlte Wert des Fliegens habe abgenommen.

Klatschen gehörte zum Fliegen wie Hummer und Fassbier

Vor einigen Jahrzehnten gab es auf (Langstrecken-)Flügen noch Bier vom Fass, Hummer wurde am Platz serviert und Pilot Wahl erinnert sich, dass sein Großvater selbst auf Urlaubsreisen stets Anzug getragen habe. Diesen Luxus an Bord zu beklatschen – das gehörte einfach zum Zeitgeist.

Doch warum hält man nicht an guten Traditionen fest – selbst wenn die Fliegerei heute nicht mehr der Hauch des Luxus’ umweht wie noch vor Jahrzehnten?

Schinken und Bier: Bordservice früher

Noch bis in die 1980er Jahre war der Bordservice in Flugzeugen fast unvorstellbar luxuriös. Bilder aus den Archiven von Lufthansa und Scandinavian Airlines zeigen frisches Fassbier und Hummer.
Noch bis in die 1980er Jahre war der Bordservice in Flugzeugen fast unvorstellbar luxuriös. Bilder aus den Archiven von Lufthansa und Scandinavian Airlines zeigen frisches Fassbier und Hummer. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
Anfang 1960 wurde das Bier bei der Lufthansa nicht in Dosen, sondern frisch gezapft serviert.
Anfang 1960 wurde das Bier bei der Lufthansa nicht in Dosen, sondern frisch gezapft serviert. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
Dazu gab es bei der deutschen Fluglinien einen frisch geschnittenen Schinken und einen Schnaps als „Absacker“.
Dazu gab es bei der deutschen Fluglinien einen frisch geschnittenen Schinken und einen Schnaps als „Absacker“. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
In den 1960er Jahren bei SAS sehr beliebt als Snack an Bord: Garnelen.
In den 1960er Jahren bei SAS sehr beliebt als Snack an Bord: Garnelen. © Scandinavian Airlines | SAS
Etwas später gab es dann auch immer wieder Hummer, wie dieses undatierte Foto zeigt.
Etwas später gab es dann auch immer wieder Hummer, wie dieses undatierte Foto zeigt. © Scandinavian Airlines | SAS
Um diesen luxuriösen Service zu bieten, wurde in den Bordküchen weit mehr gebraten und aufgewärmt, als es heute der Fall sein dürfte.
Um diesen luxuriösen Service zu bieten, wurde in den Bordküchen weit mehr gebraten und aufgewärmt, als es heute der Fall sein dürfte. © Scandinavian Airlines | SAS
Die warmen Speisen wurden direkt aus dem Topf oder von Platten am Platz serviert.
Die warmen Speisen wurden direkt aus dem Topf oder von Platten am Platz serviert. © Scandinavian Airlines | SAS
Das Personal konnte die Gäste der skandinavischen Airline vom Gang aus beraten.
Das Personal konnte die Gäste der skandinavischen Airline vom Gang aus beraten. © Scandinavian Airlines | SAS
Die Köche hantierten mit heißen Soßen ...
Die Köche hantierten mit heißen Soßen ... © Scandinavian Airlines | SAS
... und an großen Büfetts.
... und an großen Büfetts. © Scandinavian Airlines | SAS
Auch die Lufthansa hatte lange Zeit Köche an Bord, wie auf diesem Foto aus dem Jahr 1958 zu sehen ist.
Auch die Lufthansa hatte lange Zeit Köche an Bord, wie auf diesem Foto aus dem Jahr 1958 zu sehen ist. © Lufthansa Bildarchiv | Gundlach
In separaten Lounges speisten die Gäste an Bord der Lockheed L 1049 G „Super-Constellation“ der Lufthansa.
In separaten Lounges speisten die Gäste an Bord der Lockheed L 1049 G „Super-Constellation“ der Lufthansa. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
Einen Drink konnte man entweder am Platz oder an der Bar zu sich nehmen.
Einen Drink konnte man entweder am Platz oder an der Bar zu sich nehmen. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
Nach Essen und Getränken ein kleiner Nachtisch? Für diesen Gast gab es ein kleines Stück Käse an Bord von SAS.
Nach Essen und Getränken ein kleiner Nachtisch? Für diesen Gast gab es ein kleines Stück Käse an Bord von SAS. © Scandinavian Airlines | SAS
Statt aktueller Kinofilme auf kleinen Bildschirmen sah das Unterhaltungsprogramm der Lufthansa 1958 Kartenspiele vor.
Statt aktueller Kinofilme auf kleinen Bildschirmen sah das Unterhaltungsprogramm der Lufthansa 1958 Kartenspiele vor. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
Für Kleinkinder hatten Lufthansa-Maschinen um 1957 Babykörbe an Bord.
Für Kleinkinder hatten Lufthansa-Maschinen um 1957 Babykörbe an Bord. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
Auch größere Betten waren vorhanden.
Auch größere Betten waren vorhanden. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
Bei SAS wurde sogar Frühstück ans Bett gebracht.
Bei SAS wurde sogar Frühstück ans Bett gebracht. © Scandinavian Airlines | SAS
Bei den Skandinaviern galt auch nach dem Ende der Schwarz-Weiß-Foto-Ära ein ausgiebiges Essen als guter Service.
Bei den Skandinaviern galt auch nach dem Ende der Schwarz-Weiß-Foto-Ära ein ausgiebiges Essen als guter Service. © Scandinavian Airlines | SAS
Frische Gerichte bot die Lufthansa auch 1984 noch an.
Frische Gerichte bot die Lufthansa auch 1984 noch an. © Lufthansa Bildarchiv | Fritz Dessler
Besondere alkoholische Getränke mussten die Fluggäste separat bezahlen.
Besondere alkoholische Getränke mussten die Fluggäste separat bezahlen. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
Mit der Einführung von unterschiedlichen Klassen nahm der luxuriöse Bordservice etwas ab.
Mit der Einführung von unterschiedlichen Klassen nahm der luxuriöse Bordservice etwas ab. © Lufthansa Bildarchiv | Lufthansa AG
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Schließlich bedeutet Erneuerung nicht immer Fortschritt. An die Stelle des anerkennenden Beifalls ist heute nämlich Hektik getreten. Mit dem Aufsetzen der Maschine springen die ersten Passagiere auf, reißen die Gepäckfächer über ihnen auf und stehen dann nervig mit Taschen und Koffern im Gang herum. Da wünscht sich der Beobachter doch wieder ein wenig mehr Demut – und einen kurzen, anerkennenden Applaus.

Bei Piloten kommt Klatschen an

Dieser kommt übrigens bei den Piloten trotz relativ dicker Cockpit-Türen oft akustisch an. „Wenn die vorderen Reihen klatschen, ist das im Cockpit auch zu hören“, sagt Markus Wahl, der Passagiermaschinen für die Lufthansa geflogen ist. Heutzutage bekämen Piloten Applaus höchstens noch nach einem gemeisterten technischen Zwischenfall während des Fluges – und einer guten Pilotenleistung.

Ansonsten würden Piloten ein Feedback ihrer Fluggäste – wenn überhaupt – nur noch beim Ausstieg erhalten. Da gibt es dann gelegentlich sogar ein Schulterklopfen. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 bleibt die Cockpit-Tür während des Fluges geschlossen. Leises Lob dringt also nicht zum Piloten durch.

Mit dem Klatschen zeigt man sich als guter Deutscher

Ein weiteres Argument für das Klatschen: Applaus an Bord kann auch eine staatsbürgerliche Pflicht sein. Denn als Flugreisender in einer globalisierten Welt ist der Reisende immer auch Botschafter seines Landes. Das beginnt beim Blick auf den Vordermann bei der Passkontrolle und endet beim Verhalten an Bord. Und so bietet sich bei jedem Flug die Chance, mit negativen Klischees über Deutsche aufzuräumen. Wir alle können mit dem Klatschen zeigen: Man kann die deutsche Neidkultur vergessen und anderen ihren beruflichen Erfolg gönnen. In diesem Fall dem Piloten.

Und selbst wer vor Neid zerfressen ist und den Piloten bei dessen genuschelter Durchsage unsympathisch fand, hat Grund zum applaudieren. In einer Studie für die Flugsuchmaschine Swoodoo.com gaben 2013 fast zehn Prozent der befragten Applaudierer an, einfach aus Freude über die glückliche Landung zu klatschen.

Tun Sie sich also etwas Gutes und klatschen Sie an Bord ihre Freude und Erleichterung heraus! Und sind unverbesserliche Narzissten an Bord, so könnten diese wenigstens allein deshalb die Hände zusammenschlagen, damit Mitreisende sehen, wie gut und laut das klingen kann.