Hamburg. Auf elbgestoeber.de gewährt die Hamburgerin Jenny F. Einblicke in ihr Leben auf St. Pauli. Das nutzen Möbelhersteller für Werbezwecke.

Wie es der Zufall will, wird zum Abschluss unseres Besuchs gerade ein neues Sofa angeliefert. Jenny F. freut sich: Sie muss nichts dafür bezahlen. Auch die Anlieferung ist kostenlos. Fünf Stockwerke, gut 100 Stufen, müssen die drei Männer von der Spedition das sperrige Möbelstück hochhieven. Ihr Keuchen ist nicht zu überhören. Abgekämpft und verschwitzt kommen sie oben an. Willkommen in der Welt einer Bloggerin.

Vor gut fünf Jahren hat Jenny F. diese schön geschnittene, 65 Quadratmeter große Wohnung nahe dem Hamburger Fischmarkt bezogen. Die Miete sei bezahlbar, erzählt sie. Was für ein Glück, denn der Blick auf den Hamburger Hafen, auf die Docks und die Schiffe ist unbezahlbar. Und den hat die 31-Jährige sowohl vom Balkon als auch vom Wohn- und Schlafzimmer aus. Damit sind schon die Grundpfeiler ihrer Erfolgsgeschichte benannt.

Viele lassen sich von ihren Ideen inspirieren

„Ich wollte anfangs einfach nur andere auch an diesem wundervollen Blick teilhaben lassen. Deswegen habe ich damals Fotos über Instagram hochgeladen“, erzählt die junge Frau. Schnell kamen die ersten „Ahs“ und „Ohs“, dabei auch freundliche Kommentierungen ihrer Einrichtungsideen. Mittlerweile hat Jenny F. etwa 60.000 Follower, die ihr über www.instagram.com/elbgestoeber weit über Hamburgs Grenzen hinaus folgen.

Einige der Kommentare wirken wie von Freunden, die spontan kurz mal bei Jenny F. „reinschauen“, um zu sehen, was sie so in ihrer Wohnung anstellt. Viele lassen sich dabei von ihren Ideen inspirieren. Ein reger und freundlicher Austausch herrscht hier. Damit wird Jenny F. interessant für Einrichter und Hersteller, die auf diese Weise ihre Produkte – so auch das besagte Sofa – ins rechte Licht rücken können. Clevere Produktplatzierung nennt man das!

Das neue Sofa – in der Community wird diskutiert, ob es vor dem Fenster gut platziert ist
Das neue Sofa – in der Community wird diskutiert, ob es vor dem Fenster gut platziert ist © HA | jenny F.

Das neue Sofa entspricht exakt ihren Vorgaben

Jenny F. ist das klar; die Social-Media-Managerin, die Betriebswirtschaft und Sozialwissenschaft studiert hat, ist nicht naiv. „Das ist natürlich billiger als für Tausende von Euros Anzeigen in Zeitschriften zu schalten“, sagt sie. Umso mehr begegne sie den nunmehr häufiger gestellten Anfragen nach etwaigen „Kooperationen“ kritisch, betont sie. „Auch das Sofa hätte ich nicht genommen, wenn es mir nicht wirklich gefallen würde“, sagt sie. Es sei jetzt exakt in dem Farbton und mit dem Stoffbezug angeliefert worden, wie sie es sich gewünscht habe. „Anders hätte ich es nicht genommen und aufgestellt.“

Noch am selben Tag werden ihre Follower über das neue Möbel in den sozialen Medien informiert, bekommen dort neue Einblicke von ihrem Wohnzimmer zu sehen. Auf Instagram eher kurz und knapp mit einem entsprechenden Link zum Hersteller, in ihrem Blog elbgestoeber.de unter „Sofazeit ist Hygge Zeit #Werbung“ sehr viel umfangreicher. Hier erzählt die Bloggerin offen, wie es zu der Kooperation kam, um wen es sich handelt und warum sie den Handel eingegangen ist. „Die Marke andas kannte ich zuvor noch gar nicht, habe mich aber direkt in das cleane, skandinavische Design verguckt!“, schreibt sie.

Ein Arrangement von Jenny F. – beim Portrait übermalte sie einfach den Kopf
Ein Arrangement von Jenny F. – beim Portrait übermalte sie einfach den Kopf © Andreas Laible | Andreas Laible

Je nach Kanal wird ein Thema abgearbeitet

Im Anschluss informiert sie in leichtem und lockerem Ton über ihre „Essentials für den perfekten hyggischen Sofaabend“ und weist auf die Chance hin, einen Shopping-Gutschein im Wert von 500 Euro verlosen zu können – im Namen ihres Vertragspartners. Diese Aktion läuft übrigens noch bis zu diesem Sonntag. So geht also Werbung im digitalen Zeitalter!

Und die, die davon profitieren? Im Internet muss man nicht lange suchen, um zu erfahren, wie etwa das Hamburger Versandhaus Otto zu diesem Thema steht. Mit dem Titel „Die 5 größten Irrtümer über Influencer und Influencer Marketing“ ist auf der Internetseite des Branchenmagazins „Werben & Verkaufen“ ein Gastbeitrag von Sahra Al-Dujaili, Social-Media-Managerin und Spezialistin für Instagram-Kommunikation im Handelskonzern, erschienen.

Dort schreibt sie unter „Irrtum #5“: „Wir fragen uns: Warum sollte die klare und eindeutige Kennzeichnung als Werbung auch schlecht sein? Wenn Influencer und Marke miteinander harmonieren, die gemeinsame Kooperation glaubwürdig zur Lebenswelt des Influencers passt und gut durchdacht ist, dann bedeutet eine eindeutige und explizite Werbekennzeichnung keinen Authentizitätsverlust.“

Das alte Sofa in Weiß fand über eine Kleinanzeige einen neuen Besitzer.
Das alte Sofa in Weiß fand über eine Kleinanzeige einen neuen Besitzer. © Andreas Laible | Andreas Laible

Sich treu bleiben und nicht jeder Versuchung erliegen

Auch Jenny F. ist dieser Punkt wichtig: bei sich bleiben, trotz aller Verlockungen. Die Begehung ihrer Wohnung zeigt: Außer dem gigantischen Kühlschrank in der Küche, den sie bei einem Event gewonnen hat, sind keine Luxusgüter zu sehen. Noch herrscht ein bunter, dafür gekonnter Mix von Altem und Neuem in ihrer Wohnung vor. „Vieles davon habe ich über Kleinanzeigen erstanden“, erzählt sie. Das alte Sofa – ein Zweisitzer einer bekannten schwedischen Firma – hat sie ebenfalls schon über diesen Kanal verkauft. Es soll noch am selben Tag abgeholt werden, wie sie erzählt.

Trotz Social Media hat diese bewährte Methode also noch nicht ausgedient. Jenny F. verwundert es nicht. Sie beobachte noch viel Unsicherheit bei Firmen, Veranstaltern und Ausstellern, wie mit den neuen Medien richtig umzugehen sei. „Und es ist ja auch echt Arbeit. Man muss wissen, wie man welche Hülse zum Einsatz bringt!“

Einblicke in ihr Seelenleben werden gestattet

Dennoch – ein Leben ohne Blog und Instagram mag sie sich nicht mehr vorstellen. „Als meine Mutter im vergangenen Jahr an Krebs gestorben ist, hat mir das Schreiben darüber und der Austausch mit anderen Menschen sehr gut getan“, erzählt sie. Sie habe zwar lange überlegt, ob sie Einblicke in ihr Seelenleben gewähren soll, aber die Offenheit sei ihr gedankt worden.

In dieser Zeit hat Jenny F. übrigens damit begonnen, die schönen alten Dielen in ihrer Wohnung freizulegen. „Dafür mussten Schichten von Kunststoff und verklebtem Teppichboden entfernt werden“, erzählt sie. Harte Arbeit, die ihr aber gut getan habe. Leider hatte dies zur Folge, dass ein Teil der Küche dabei entfernt werden musste.

Als nächstes wird ihr eine Küchenzeile geliefert

Damit kommen wir zum nächsten Kooperationsprojekt der 31-Jährigen. Die Firma Marquardt Küchen wird ihr bald eine neue Zeile einbauen – mit Abzugssystem direkt hinter dem Induktionsfeld und Fliesenspiegel sowie Arbeitsplatte aus dunklem Granit. Wie alles aussehen soll, zeigt ein 3-D-Modell auf Instagram. „Das hier ist die Grundidee! Mehr in den Stories!“, ist dort zu lesen. So macht man das also mit den Hülsen.

Die Wohnungen anderer Leute später mal einzurichten, das kann sich Jenny F. gut vorstellen. Und wer weiß? Vielleicht können die dann ja auch von Kooperationen dieser Art profitieren . . .