Berlin. Dank der Novel-Food-Verordnung dürfen Produkte wie Insekten-Burger und Algen-Kuchen bald in deutschen Supermärkten verkauft werden.

Kaum ein anderes Regelwerk wird dem Ruf der Deutschen, pedantisch und vorschriftversessen zu sein, so sehr gerecht wie das deutsche Lebensmittelrecht. Neue Entwicklungen hatten es hierzulande schwer. 2018 hofft die Branche auf eine Revolution, denn ein zum 1. Januar aktualisiertes EU-Gesetz hat dem Erfindungsreichtum neue Möglichkeiten eröffnet.

Unter dem Motto „Wie schmeckt die Zukunft“ stellt der Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft BLL auf der am morgigen Freitag in Berlin startenden Internationalen Grünen Woche junge Unternehmen und Produkte vor, die die neue Freiheit nutzen wollen.

Buletten aus Mehlwürmern

„Nicht nur im Bereich Technik, auch in der Lebensmittelindustrie gibt es sehr viele Start-ups, die versuchen mit neuen Ideen Fuß zu fassen“, sagt BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff. Eines dieser Unternehmen ist die Bugfoundation aus Osnabrück, die Burgerbuletten aus Mehlwürmern herstellt.

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    Bisher konnte das Start-up sein Produkt nur im europäischen Ausland verkaufen, weil dort das in Bezug auf Insekten lückenhafte EU-Gesetz lockerer ausgelegt wurde als in Deutschland. Die neue Novel-Food-Verordnung schließt diese Lücke. Waren zuvor nur „aus Tieren isolierte Lebensmittelzutaten“ erfasst, stehen nun auch „Lebensmittel aus Tieren oder deren Teilen“ in der Verordnung.

    Neue Liste fasst alle neuartigen Lebensmittel zusammen

    Alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 in der EU nicht in nennenswertem Umfang zum Verzehr angeboten wurden, können nun direkt bei der EU als Novel Food zugelassen werden – zuvor mussten Hersteller zunächst einen Antrag in ihrem Heimatland einreichen. Neu in das Zulassungsverfahren aufgenommen wurden unter anderem Lebensmittel aus technisch hergestellten, winzigen Nanopartikeln, die etwa die Konsistenz eines Produktes verändern können.

    Auch gibt es erstmals eine sogenannte Unionsliste, auf der alle neuartigen Lebensmittel zusammengefasst wurden. Sie liest sich in weiten Teilen wie ein Chemiebausatz. Komplizierte Begriffe wie Dihydrocapsiat oder N-Acetyl-D-Neuraminsäure bezeichnen neuartige Nahrungsergänzungsmittel. Aber auch Öl aus antarktischem Krill, Hahnenkammextrakt oder Extrakt aus entfettetem Kakaopulver sind hier zu finden.

    Insekten und Algen auf dem Vormarsch

    „Die großen Trends 2018 werden aber mit Sicherheit Insekten und Algen sein“, sagt BLL-Chef Minhoff. Dass Lebensmittel, die auf anderen Kontinenten zum Alltag gehören, jetzt auch in Europa Einzug halten können, gehöre zu den großen Chancen der neuen Novel-Food-Verordnung. „Ob der Ekel mancher Verbraucher – beispielsweise vor Insekten – durchbrochen werden kann, ist letztlich von den Marketingstrategien der Hersteller abhängig“, so der Experte. Als Proteinquelle seien die Tiere unschlagbar.

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      Auch die Sparte der Lebensmittel, die auf Gesundheit und Schönheit abzielen, werde weiter wachsen, prognostiziert Minhoff. Etwa mit Eiweiß angereicherte und gleichzeitig fettreduzierte Produkte für Sportler. Junge Unternehmer hätten zudem besonders den Bio-Markt im Blick. „Für Start-ups ist Bio heute Standard, der Markt wird sich in den kommenden Jahren noch vergrößern“, ist Minhoff überzeugt.

      Konzerne verringern Süße der Produkte

      Eine weitere Entwicklung, die sich für dieses Jahr abzeichnet, ist das Thema Zuckerreduktion. Schwergewichtler wie die Rewe-Gruppe haben damit begonnen, die Süße einiger Eigenmarken schrittweise zu verringern. Aktuell verkauft der Einzelhandelsriese Schoko-Pudding mit 20, 30 und 40 Prozent weniger Zucker – die Kunden sollen selbst wählen, was ihnen am besten schmeckt.

      Ein Fortschritt im Sinne des Verbrauchers, so Minhoff, mit dem sich die Branche auch gegen von der Politik diktierte Rezepturänderungen wenden wolle. Bislang gibt es nur eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels. Verbraucherschützer kritisieren diese aber als wirkungslos gegen Probleme wie Diabetes und Übergewicht.