Berlin. Zuckerkranke sind weit häufiger von der psychischen Erkrankung betroffen als die Allgemeinbevölkerung – mit schwerwiegenden Folgen.

Diabetes und Depression – zwei Erkrankungen, die eng miteinander verbunden sind. Eine Paarung, die jedoch unterschätzt werde, sagen Experten der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). So sind 800.000 der 6,5 Millionen Diabetiker in Deutschland auch an einer Depression erkrankt. Der Anteil ist damit doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Und umgekehrt erhöhen Depressionen die Wahrscheinlichkeit für Typ-II-Diabetes.

Die Auswirkungen einer Depression auf die Diabetestherapie können gravierend sein. Denn das Leben mit der Zuckerkrankheit erfordert ein hohes Maß an Disziplin: Medikamente dosieren, Blutzuckerwerte im Blick behalten, auf die Ernährung achten. „Die Therapie liegt fast vollständig in der Hand des Patienten und muss täglich möglichst gut und erfolgreich umgesetzt werden“, sagt Professor Bernd Kulzer von der Universität Bamberg.

Depressionen behindern den Therapieerfolg bei Diabetes

Das gelinge umso schlechter, wenn aufgrund von Depressionen der Antrieb vermindert sei und Patienten weniger Energie hätten. „Depressionen führen bei betroffenen Patienten zu schlechteren Blutzuckerwerten und einem ungesünderen Lebensstil mit Bewegungsmangel und eher unkontrolliertem Essverhalten“, sagt Kulzer, der auch der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der DDG angehört. Die Folge: deutlich mehr Folgeerkrankungen und um 50 Prozent höhere Behandlungskosten.

Sarah Michelle Gellar litt an Wochenbettdepression

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    Auch die Sterblichkeit ist bei Zuckerkranken mit Depressionen erhöht. Eine Auswertung mehrerer Studien zu dem Thema kam zu dem Ergebnis, dass sich das Mortalitätsrisiko verdoppelt. Zwei Gründe könnte es laut der DDG dafür geben: Einerseits sei das Suizidrisiko bei Depressiven mit Diabetes deutlich höher als bei jenen ohne Diabetes, wie eine Studie der Universität Shanghai ergab.

    Depressionen sind eine Art Brandbeschleuniger für Gefäßschädigungen

    „Vor allem aber der durch Depressionen verursachte intrapsychische chronische Dauerstress ist für die erhöhte Sterblichkeit verantwortlich“, sagt Kulzer. Dieser führe zu einer Erhöhung der entzündlichen Prozesse an den großen und kleinen Blutgefäßen, „sie sind bei Diabetes ohnehin besonders gefährdet“. Depressionen seien also eine Art Brandbeschleuniger für Gefäßschädigungen.

    Bislang jedoch werden über 50 Prozent aller Depressionen bei Diabetikern nicht erkannt, wie eine Studie ergab. Laut DDG seien es erste Warnzeichen für Betroffene, wenn die Diabetestherapie zur Last wird und mehr Energie als bisher kostet. Dann sollten sie sich an einen Arzt wenden. Eine Anfang des Jahres auf dem Deutschen Psychotherapeutentag beschlossene Weiterbildung von Psychotherapeuten soll die Dunkelziffer senken.

    Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.