Berlin . Fischer aus Mecklenburg-Vorpommern holen ihre frische Ware gezielt und auf Bestellung aus dem Meer. Sie wollen so auch Arten schützen.

Die Meere sind überfischt, Fischarten vom Aussterben bedroht. Viele Fischprodukte aus dem Supermarkt tragen deswegen inzwischen Gütesiegel wie MSC, ASC oder Friend of the Sea. Die Zertifikate versprechen nachhaltigen und umweltschonenden Fischfang. Laut dem Fischratgeber von Greenpeace kann man sich aber nur begrenzt darauf verlassen. Denn häufig werden auch unter diesen Siegeln bestandsgefährdete Arten angeboten.

„Wenn Fischliebhaber ihren Fisch beim Fischhändler ihres Vertrauens erwerben, also im Einzelhandel und nicht bei Supermarktketten, sind sie meist auf der sicheren Seite“, sagt Carsten Kühn, Leiter des Instituts für Fischerei von Mecklenburg-Vorpommern. Denn der Händler könne genaue Auskunft über Herkunft, Zucht- und Fangmethoden geben.

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    Kunden bestellen direkt bei der Kooperative

    Diesem Konzept folgt auch eine Kooperative aus Mecklenburg-Vorpommern, die Müritzfischer. Sie vermarkten ihren Fisch online – mit Informationen darüber, wie und wo er gefangen wurde. Über SMS oder App schicken sie Fotos und Infos ihres Fangs sowie den Standort, wo sie ihn gefangen haben. Durch die Vermarktung auf einer Onlineplattform ist der nachhaltig gefangene Fisch nicht teurer als andere Fische. Denn einen Zwischenhändler gibt es nicht. Außerdem können Kunden den Fisch direkt bei der Kooperative bestellen. Die Fischer legen dann nur die Fangnetze aus, die sie für den bestellten Fisch brauchen und schonen so die Bestände.

    Der Ostseefischer Henry Diedrich ist so ein Fischer, der mit den Müritzfischern zusammenarbeitet. Denn neben Fisch aus den Binnengewässern der Mecklenburger Seenplatte bietet die Kooperative auch Salzwasserfische an. Wenn Diedrich mit seinem Fischkutter um sieben Uhr morgens in den Kubitzer Bodden vor Ummanz bei Rügen tuckert, ist sein Fang bereits vorbestellt. So weiß er, welchen Fisch und wie viel davon er an diesem Tag verkaufen wird. Matthäus Marten, Einkäufer der Kooperative, sagt Diedrich bereits einen Tag vorher, was er fangen soll.

    Es werden keine Schleppnetze über den Bodengrund gezogen

    Diedrich geht nun also auf Heringsfang. Weil die Tiere meist weit oben im Meer schwimmen, hat der Boddenfischer seine Netze schon am Vortag knapp unter der Wasseroberfläche aufgestellt. „So kommen kaum andere Fische in meine Netze, und ich habe keinen Beifang, den ich später weit unter Preis verkaufen oder ins Meer werfen müsste“, sagt Diedrich. „Der Kostendruck unter dem die meisten Fischer stehen, führt nämlich oft dazu, dass viele Fischer nicht mehr selektiv fangen und so die Fischbestände massiv geschädigt werden“, erklärt Matthäus Marten.

    Durch die Vorbestellungen von Marten kann Diedrich es sich leisten, in seinem Bodden traditionell mit Stellnetzen und Langleinen zu fischen. Durch die stehenden Netze werden die Lebensräume der Fische nicht zerstört, da sie nicht wie die üblichen Schleppnetze über den Bodengrund gezogen werden. So bleibt die Wasserpflanzenwelt unverletzt. Und noch etwas spricht für die sogenannte stille Fischerei. „Bei mir wird das Netz nicht durchs Wasser gezogen. So können kleine Fische bei entsprechender Maschenweite durch die Netze hindurchschwimmen.“ Würde er mit dem Schleppnetz fischen, würden sie ins Netz gepresst und sich verfangen.

    Reusenfischerei hilft beim Tierschutz

    So hilft das Bestellen des Fisches im Vorfeld den Fischern, ihre Lebensgrundlage zu erhalten. Marten hat bei Diedrich für diesen Tag neben Hering auch Barsche und Zander für ein Berliner Restaurant bestellt. Deshalb fährt Diedrich zu den am Vortag ausgelegten Reusen und schaut, wie viel frischen Fisch er an die Müritzfischer liefern kann. Durch die Reusenfischerei kann er genau entscheiden, welche Fische er fängt und welche er wieder ins Wasser setzt. Denn bei der Reusenfischerei wird der Fisch lebend gefangen. „So kann ich den Fisch sortieren. Die zu kleinen Fische schmeiße ich wieder ins Wasser. Dort können sie noch ein paar Jahre länger leben und für den Nachwuchs sorgen, der meine Existenz für die nächsten Jahre sichert“, erklärt Diedrich.

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      Carsten Kühn, Leiter des Fischereiinstituts von Mecklenburg-Vorpommern, forscht schon länger an Konzepten und Managementplänen für die nachhaltige Bewirtschaftung von Küstengewässern. Zukunftsträchtige Fischerei ist für ihn viel mehr als nur Fischsiegel und Zertifizierungen:

      „Die Zertifizierung nutzt in erster Linie dem Zertifizierer, denn die meisten Siegel sind kostenpflichtig. Kunde und Fischer zahlen so das Siegel mit. Dadurch entsteht natürlich wieder neuer Kostendruck, vor allem auf den Fischer“, weiß Kühn. Außerdem würden die meisten Kunden bei der Vielzahl der Siegel ohnehin kaum mehr durchblicken.

      Transparenz ist wichtig für den Kunden

      Durchblick ist aber das Entscheidende, um zu sehen, ob der Fisch wirklich nachhaltig gefangen wurde. Deshalb arbeiteten die größeren Kutter, die für Marten auf Fang gehen, auch mit einem speziellen Programm. „Durch dieses sogenannte Marinetraffic-Programm können wir genau sehen, wo sich unsere Fischkutter befinden und wo sie ihre Netze auslegen“, sagt Marten. Einmal angemeldet, lassen sich auf dem Portal alle Schiffe identifizieren und auch verfolgen. „Diese Transparenz ist enorm wichtig für den nachhaltigen Fischfang“, meint Marten. Nur so kann der Kunde sicher sein, woher der Fang wirklich kommt. Denn hier lauert oft der Betrug. „So viele Schollen wie in Deutschland verspeist werden, werden hier niemals gefangen“, weiß Marten.