Berlin. Greenpeace findet Ethoxyquin in Fischproben aus Supermärkten. Übers Futter kommt der Stoff in die Tiere. Die Risiken sind ungeklärt.

1,15 Millionen Tonnen Fisch haben die Deutschen 2015 nach Angaben des Fisch-Informationszentrums verzehrt. Besonders beliebt sind Lachs oder Forelle, gerade an den Weihnachtstagen. Eine von der Umweltorganisation Greenpeace beauftragte Analyse hat nun ergeben: „Zuchtfisch ist stark mit der Chemikalie Ethoxyquin belastet.“ Über die Gefahren für den Menschen gebe es bisher wenig belastbare Studien. Wissenschaftlern vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei zufolge „sollte ein üblicher Fischkonsum unproblematisch sein“.

Was ist Ethoxyquin?

Ethoxyquin ist ein Vertreter der Gruppe der Antioxidationsmittel. Diese sollen ein Lebens- oder Futtermittel vor dem Verderb schützen. Ethoxyquin hat zudem eine fungizide Wirkung, tötet also Pilze ab. Die Zulassung als Pestizid wurde 2011 entzogen. Als Zusatzstoff für Futtermittel ist Ethoxyquin legal.

Für zahlreiche Nahrungsmittel gelten gesetzliche Höchstmengen, so etwa für Fleisch – 50 Mikrogramm pro Kilogramm (50 µg/kg). Für Fisch gibt es bisher keinen Grenzwert. Bei der Herstellung von Futtermitteln dürfen 150 Milligramm pro Kilogramm verwendet werden, bei Hundefutter 100.

Was hat Greenpeace untersucht?

54 Produkte aus Lachs, Forelle, Dorade und Wolfsbarsch sind von Ende November bis Anfang Dezember im Labor auf Ethoxyquin untersucht worden. „Die Proben stammen aus deutschen Super- und Biomärkten. Untersucht wurde Tiefkühlfisch sowie geräucherter und frischer Fisch aus Aquakultur, Bio-Aquakultur und Wildfänge“, teilte Greenpeace gestern mit.

Alle 38 Proben aus konventioneller Aquakultur waren den Angaben zufolge belastet. 32 Proben lägen deutlich über dem Grenzwert für Fleisch. Den höchsten Ethoxyquin-Wert habe mit 881 µg/kg ein Lachsprodukt aus einer norwegischen Aquakultur (Stremel Lachs von Real) aufgewiesen. Fischproben aus Bio-Aquakultur lagen den Angaben zufolge deutlich unter dem Fleisch-Grenzwert – mit einer Ausnahme (Bio Lachsfilet, Edeka, 155 µg/kg). In Wildfisch sei kein Ethoxyquin nachgewiesen worden.

Wie überraschend sind die Funde?

Björn Hardebusch vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg (CVUA) wundert sich darüber nicht. 2014 haben er und sein Team zuletzt 38 Lachsproben auf Ethoxyquin und dessen Abbauprodukt (Metabolit) untersucht. „In etwa Zweidrittel aller Proben konnte Ethoxyquin, in knapp 80 Prozent der Metabolit analytisch nachgewiesen werden. Die Gehalte an Ethoxyquin lagen dabei zwischen zwei und 98 µg/kg, die des Metaboliten im Bereich von zwei bis 986 µg/kg“, heißt es in dem Bericht. „Wildlachs war nicht betroffen, die 13 getesteten Bioprodukte nur teilweise“, sagt Hardebusch. Ethoxyquin in Lachs- und Forellenproben fand das CVUA auch bei Analysen in den Jahren 2005 und 2008.

Was ist über die Folgen bekannt?

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) schloss ihre Sicherheitsbewertung Ende 2015 ohne Ergebnis. Grund dafür: „ein Mangel an Daten“, wie es in dem Bericht heißt. Gleichzeitig ist Ethoxyquin in einer EG-Verordnung als „gesundheitsschädlich bei Verschlucken“ eingruppiert.

Einige wissenschaftliche Studien legen den Schluss nahe, dass Ethoxyquin nicht ohne Wirkung auf Mensch und Tier bleibt. Forscher vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei zitieren auf der von ihnen betreuten Internetseite „Aquakulturinfo“ das Ergebnis langfristiger Tierversuche bei Ratten und Hunden. Ab einer Fütterung von 200 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht bei Ratten und zehn Milligramm/kg bei Hunden konnte eine „degenerative und pathologische Veränderung der Leber, Schilddrüse und Niere nachgewiesen werden“, heißt es. Die Einnahme von großen Mengen Ethoxyquin „kann entsprechend auch für den Menschen gesundheitsgefährdend sein“. Bei einem üblichen Fischverzehr von ein bis zwei Mahlzeiten pro Woche sollte der Konsum unproblematisch sein. „Ungeklärt sind jedoch die Auswirkungen des Abbauprodukts“, das in zehnmal höheren Konzentrationen im Lachsfleisch gefunden worden sei.

Was fordert Greenpeace, was sagen Wissenschaftler?

Greenpeace fordert das Verbot von Ethoxyquin als Futtermittelzusatz und ein Verkaufsstopp von Fischprodukten, deren Ethoxyquin-Gehalt über der gesetzlichen Höchstmenge für Fleisch liegt. „Ein verbotenes Pflanzenschutzmittel hat nichts in Fisch verloren“, sagt Fischereiexperte Thilo Maack.

Lebensmittelchemiker Björn Hardebusch nennt die Situation für Verbraucher „verwirrend und schwer nachvollziehbar“. Aus seiner Sicht müsste nicht nur die EFSA ihre Sicherheitsbewertung abschließen, es bräuchte auch einen Ethoxyquin-Höchstwert für Fisch nach Anwendung als Antioxidans im Fischfutter. Die Proben jedenfalls zeigten, dass aus herkömmlicher Aquazucht mehr oder weniger belastete Tiere auf den Markt gelangten.

Was können Verbraucher tun?

Weil es sich um einen Zusatzstoff für Futtermittel handelt, muss Ethoxyquin nicht auf der Verpackung auftauchen. Dem Kunden bleibe laut Maack nur: selten Fisch essen und Produkte aus der konventionellen Aquazucht meiden.