Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Unterhaltspflicht, wenn zum Beispiel Heimkosten die Rente der Eltern übersteigen.

Eltern sorgen für ihre Kinder, aber im Alter gilt das häufig auch umgekehrt. Denn wenn ein Elternteil ins Pflegeheim muss, reicht dessen Rente oft nicht aus, um alle Kosten zu decken. Die gesetzliche Pflegeversicherung kommt nur für einen Teil der Kosten auf. In Pflegestufe III gibt es für einen Heimplatz 1612 Euro. Bei Durchschnittskosten von 3240 Euro erfordert schon ein dreijähriger Aufenthalt einen Eigenaufwand von 59.000 Euro. Da sind selbst Ersparnisse schnell aufgezehrt.

Wenn bei einem Pflegebedürftigen das Geld nicht reicht, kann zunächst das Sozialamt einspringen. Doch es verlangt dann Geld von den Kindern zurück. „Nach Paragraf 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind Verwandte in gerader Linie unterhaltspflichtig“, sagt Eva Gerz, Fachanwältin für Familienrecht. Damit stehen die Kinder in der Pflicht. Nicht unterhaltspflichtig sind Enkel, Geschwister oder Schwäger. Auch Schwiegersohn oder Schwiegertochter sind vom Unterhaltsanspruch nicht direkt betroffen, aber ihr Einkommen hat Einfluss auf die Unterhaltsleistung des Ehepartners. „Sind mehrere Kinder leistungsfähig, wird der Unterhalt von den Kindern anteilig nach ihren jeweiligen Einkommensverhältnissen geschuldet“, sagt Gerz.

Kann man den Lebensstandard halten?
Ob Kinder zahlen müssen, hängt von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ab. „Niemand muss aber fürchten, dass sich durch eventuelle Zahlungen der Lebensstandard drastisch verschlechtern wird“, sagt Fachanwalt Jörn Hauß. „Denn es gibt eine Reihe von Urteilen, die deutlich machen, dass das unterhaltspflichtige Kind keine spürbare Absenkung des eigenen Lebensstandards akzeptieren muss.“ So ist zum Beispiel nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) die selbst genutzte Immobilie der Kinder geschützt (Az. XII ZB 269/12).

Das Sozialamt kann Immobilienbesitzer auch nicht zwingen, für den Unterhalt das Haus zu belasten, entschied das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 1508/96). Auch für das Alter können die Kinder ausreichend vorsorgen. So hat der BGH entschieden, dass die Altersvorsorge der Kinder vom Sozialamt nicht angetastet werden darf (Az. XII ZR 266/99). Geschützt sind fünf Prozent des Bruttolohns. Wer also 50.000 Euro im Jahr verdient, kann jährlich 2500 Euro ansparen. Wie er das macht, bleibt ihm überlassen. Anerkannt werden nicht nur staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte wie die Riester- oder Rürup-Rente, sondern auch andere Sparformen.

Bei Selbstständigen ohne Anspruch auf eine gesetzliche Rentenversicherung beträgt das geschützte Altersvorsorgevermögen 25 Prozent ihres aktuellen Durchschnittseinkommens, hoch gerechnet auf das bisherige Berufsleben.

Darf man im Eigentum wohnen ?
Hauß verweist außerdem darauf, dass der Wert einer selbst bewohnten Immobilie auf das Schonvermögen eines unterhaltspflichtigen Kindes nicht angerechnet werden darf (Az. XII ZB 169/12). So verfügt zum Beispiel ein 55-jähriger Angestellter, der seit dem 30. Lebensjahr arbeitet und aktuell 4000 Euro brutto verdient, über ein Schonvermögen für die eigene Altersvorsorge von rund 100.000 Euro, denn es kann auch eine Verzinsung von vier Prozent unterstellt werden. Hauß rät deshalb, die Verbindlichkeiten für die selbst bewohnte Immobilie keinesfalls vorrangig zu tilgen, sondern eher dafür zu sorgen, Vermögen bis zur Höhe des individuellen Schonvermögens zu bilden.

„Diese Entscheidung ist insoweit wichtig, als die Praxis oft das Gegenteil zeigt“, sagt Hauß. Neben der Altersvorsorge können die Kinder auch Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben bilden. In der Regel werden mindestens 10.000 Euro akzeptiert. Nur wenn ein Kind mehr als das Schonvermögen hat, kann das Sozialamt Unterhalt verlangen. Doch nur in einigen seltenen Fällen dürfte das angesichts der umfangreichen Freibeträge der Fall sein. Gehört die Immobilie beiden, müssen die Verbindlichkeiten auch beim Unterhaltspflichtigen anteilig mit angesetzt werden, wenn er über ein eigenes Einkommen verfügt. Häufig werden sie aber nur dem Hauptverdiener zugerechnet.
Muss auch der Ehepartner zahlen?
Bleibt nur das monatliche Gehalt. „Entscheidend ist immer die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit“, sagt Hauß. Die Einkommen der Ehepartner dürfen nicht in einen Topf geworfen werden. „Nach deutschem Unterhaltsrecht schuldet niemand Unterhalt aus fremdem Geld, auch wenn es das des Ehegatten ist“, sagt Hauß. Selbst wenn der Ehegatte 4000 Euro netto und die unterhaltspflichtige Frau kein Einkommen hätte, wäre klar: kein Elternunterhalt. Doch schon mit geringen eigenen Verdiensten ändert sich die Lage. 194 Euro müsste sie bei einem Monatslohn in Höhe von 1000 Euro abgeben, wenn der Mann 4000 Euro verdient und keine weiteren Abzugsbeträge geltend gemacht werden könnten. Doch das kommt in der Praxis kaum vor.

Kann das Sozialamt sich irren?
Aber Vorsicht: „Die größten Fehler der Sozialämter werden bei der Zuordnung von Schulden gemacht“, sagt Hauß. Ob Altersvorsorge, Unterhalt an die eigenen Kinder, berufsbedingte Aufwendungen wie Fahrtkosten, Schulden oder vermögenswirksame Leistungen – die Liste der abzugsfähigen Beträge ist lang. Die Sozialämter ziehen vom so bereinigten Nettoeinkommen einen Selbstbehalt ab. In der Regel wird die Düsseldorfer Tabelle angewendet. Danach darf ein Erwachsener 1800 Euro für sich behalten. Bei Verheirateten sind es 3240 Euro. In diesem Selbstbehalt ist die Miete bereits mit eingerechnet. Liegt diese aber höher als 480 Euro (Single) oder 860 Euro (Ehepaar), gibt es auch einen höheren Freibetrag. Bei einer Familie kommt zum eigenen Selbstbehalt noch der Unterhaltsbedarf für Ehegatten und Kinder, die abhängig vom Alter einen eigenen Selbstbehalt haben, hinzu. Vom Einkommen, das dann noch über dem Familienselbstbehalt liegt, sind 50 Prozent für den Elternunterhalt einzusetzen

Auch beim Selbstbehalt für die Kinder wird die Düsseldorfer Tabelle herangezogen. „Dabei handelt es sich um Mindestsätze“, sagt Hauß. „Der Bedarf der Kinder kann größer sein, etwa wenn sie Musik- und Reitstunden haben.“ Ein solcher konkreter Bedarf könne hinzugerechnet werden, denn wegen der Unterhaltspflicht eines Elternteils müssen sie diesen Unterricht nicht aufgeben. Allerdings sollten solche Kurse nicht erst beginnen, wenn die Forderung des Amtes auf dem Tisch liegt.

Werden Verpflichtungen angerechnet?
Für Familien ist die Berechnung recht kompliziert. Bei einem Single lässt sich das Prinzip einfacher veranschaulichen: Ein unterhaltspflichtiger Sohn verdient 2500 Euro netto monatlich. Ohne weitere Abzüge können 288 Euro für den Unterhalt der Eltern angesetzt werden.

Denn von dem anrechenbaren Einkommen in Höhe von 2375 (nur berufsbedingte Aufwendungen wurden abgezogen) verbleiben nach Anrechnung des Selbstbehalts von 1800 Euro 575 Euro. Davon kann die Hälfte für den Unterhalt herangezogen werden. In dieser Rechnung ist nur die Standardmiete von 480 Euro (Single) berücksichtigt. Tatsächlich zahlt der Sohn aber in Hamburg 850 Euro Miete. Unter Berücksichtigung des Mehraufwandes sinkt der Elternunterhalt auf 103 Euro. Würde er noch einen Autokredit (200 Euro) abbezahlen und in eine Rentenversicherung einzahlen (100 Euro), hätte sich der Elternunterhalt für ihn erledigt.

Welche Kontrollmöglichkeiten gibt es?
Es gibt also viele Möglichkeiten, die Forderungen des Sozialamtes zurückzuweisen oder zu senken. Allein der zu Jahresbeginn um 200 Euro erhöhte Selbstbehalt in Höhe von 1800 Euro führt nach Einschätzung von Hauß zu einer um etwa 100 Euro verminderten Leistungspflicht gegenüber dem Jahr 2014.

„Unterhaltspflichtige Kinder sollten daher vom Sozialhilfeträger mit Beginn des neuen Jahres eine Neuberechnung ihrer Unterhaltspflicht verlangen“, so Hauß. Aber man sollte bedenken: Wenn mehr verdient wird als bei Festlegung des Unterhalts, oder wenn die Unterhalts- oder Darlehenspflicht wegfällt, kann sich der zu leistende Unterhalt auch erhöhen. Experten raten, das Begehren nach Unterhaltsleistungen für die Eltern nicht ohne Weiteres zu akzeptieren. Das Zahlungsverlangen der Behörde kann auch nicht einfach vollstreckt werden, solange es kein rechtskräftiges Urteil gibt. Es bleibt also Zeit, sich anwaltlichen Rat zu holen. Das ist bei diesem Thema sehr empfehlenswert.

Auf den Internetseiten www.anwaelte-du.de und www.unterhalt.net gibt es Berechnungsprogramme für den Elternunterhalt.