Aachen.

Klingt verrückt, ist aber wissenschaftlich erwiesen: Energiesparende Technologien können sogar dazu führen, dass insgesamt mehr Energie verbraucht wird. Fachleute sprechen vom sogenannten Rebound-Effekt: „Beim Rebound wird verglichen, was durch energieeffizientere Techniken an Energie und Ressourcen theoretisch eingespart werden kann – und was nach Berücksichtigung von Verhaltensänderungen tatsächlich eingespart wird“, erklärt Reinhard Madlener, Professor für Energieökonomik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). Und das sei meist weniger als möglich wäre.

Beispiel: Die Glühbirne wird nach und nach durch sparsame LED-Lampen ersetzt. Werden dafür aber mehr Leuchten eingebaut und nimmt man es mit dem Licht-Ausknipsen nicht mehr ganz so genau, reduziert sich der Stromverbrauch nicht so stark, wie man es angesichts der hohen Effizienz der LED-Technologie erwartet hätte.

Das Gleiche gilt für sparsame Autos. Der geringere Benzinbedarf verführt viele dazu, mehr Kilometer als mit dem alten, mehr Benzin fressenden Auto zu fahren. Auch Fernseher, Kühlschränke und andere elektrische Helfer kommen meist mit deutlich weniger Strom aus als früher. Aber: Heute werden mehr und vielfach größere Geräte verwendet.

All das steht für direkten Rebound-Effekt: Energie in Form von Wärme, Licht, Mobilität ist durch Effizienz­steigerungen kostengünstiger geworden – die Nachfrage steigt und damit der Verbrauch. Daneben gibt es auch einen indirekten Rebound-Effekt: Beispielsweise wird Geld, das man durch ein Drei-Liter-Auto einspart, in eine zusätzliche Flugreise gesteckt, was wiederum Energie und andere Ressourcen verschlingt.

Wie Techniksysteme optimal eingestellt werden, durchschaue kaum jemand

„Durch Steigerung der Energie­effizienz den Energieverbrauch im Verhältnis eins zu eins senken zu wollen, ist ein Trugschluss“, betont Madlener. Das belegen auch Zahlen des Umweltbundesamtes. Der direkte Rebound-Effekt für Raumwärmenutzung liegt demnach bei etwa zehn bis 30 Prozent, beim Verkehr und bei der Beleuchtung bei rund 20 Prozent. Das heißt, die tatsächlichen Energieeinsparungen sind um 20 Prozent niedriger als die technisch möglichen. Wissenschaftler Madlener, der in einer Enquete-Kommission den Deutschen Bundestag über diese Problematik informierte, legte auch eine Übersicht internationaler Studienergebnisse zum Rebound-Effekt vor. So gab es bei der Raumwärme Resultate zwischen sieben und 123 Prozent und beim Individualverkehr zwischen sieben und 300 Prozent.

Liegt der Rebound-Effekt bei 100 Prozent oder darüber, sprechen Experten vom „Backfire“. Im Klartext heißt das: Durch die Effizienzsteigerung wurde keine Energie eingespart – oder sogar mehr verbraucht.

Warum sind wir trotz guter Technik keine Energiesparmeister? „Neben steigenden Komfortansprüchen ist ein Grund, dass viele technische Systeme sehr komplex geworden sind“, urteilt Madlener. So kann ein Haus mit verschiedenen Steuerungstechniken, etwa für die Fernbedienung oder Automatisierung der Heizung ausgestattet sein. Doch wie sich die einzelnen Systemkomponenten optimal einstellen lassen, durchschaue in der Praxis kaum jemand, die Optimierung werde im laufenden Betrieb vernachlässigt. So gingen Einsparpotenziale verloren.

Einfache Systeme hält Madlener für die bessere Lösung. „Dann erkennt der Verbraucher leichter, wie viel Energie oder Ressourcen er tatsächlich verbraucht und kann eher die Verantwortung für das Handeln übernehmen.“ Für die Höhe des Rebound-Effekts seien außerdem die Bedürfnisse entscheidend: „Sind es im typischen Haushalt in Zukunft 30, 50 oder 100 LED-Lampen, bis die Beleuchtung als hinreichend erachtet wird?“

Rebound-Effekte treten eher auf, wenn Kostengründe dahinter stecken

Energie müsse teurer werden, fordert Ernst Ulrich Weizsäcker, seit 2012 Präsident des Club of Rome. Nur so lasse sich der Rebound-Effekt eindämmen. Madlener spricht sich für eine Energie-Steuer aus.

Anja Peters, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, hat den Effekt in Workshops und einer Befragung mit mehr als 6000 Teilnehmern untersucht. „Rebound-Effekte treten eher auf, wenn effiziente Technologie aus Kostengründen eingesetzt wird. Dann scheinen die Ersparnisse eher in vermehrte Nutzung oder neue Anschaffungen zu fließen“, sagt die Psychologin.

„Ein stabiles Verhalten“ – gemeint ist, die effizientere Technologie genauso sparsam wie die alte Technik zu verwenden – zeigten vor allem Menschen mit ausgeprägtem Umweltbewusstsein. Außerdem spielten persönliche Normen eine entscheidende Rolle: Ihnen sei beispielsweise Autarkie gegenüber großen Energiekonzernen oder Generationengerechtigkeit wichtig.

Für ein Verhalten, das weniger ökologische Spuren hinterlässt, spricht aber mehr, findet Peters. Wer zu Fuß den Laden um die Ecke aufsuche statt mit dem Auto den weiten Weg zum Supermarkt zu fahren, „entschleunigt die Zeit und hat einen Gewinn an ­Lebensqualität“.