Viola Andresen leitet am Israelitischen Krankenhaus das Ernährungsteam. Die Gastroenterologin arbeitete an der Divertikulitis-Leitlinie mit und ist 2. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität.

Hamburger Abendblatt:

Welche Rolle spielt der Lebensstil bei der Entstehung von Divertikeln?

Viola Andresen:

Epidemiologische Studien legen nahe, dass Divertikel durch bestimmte Lebensstilbedingungen begünstigt werden, etwa ballaststoffarme Ernährung, Übergewicht und wenig Bewegung, und diese Erkrankung ist in Industrieländern häufiger als in ärmeren Ländern. Doch kann man aus solchen Studien nur schwer eine Kausalkette erstellen, also wirklich sagen: Dies oder jenes verursacht eine Bildung von Divertikeln. Eigentlich müsste man gesunde Menschen jahrzehntelang begleiten und überprüfen, wer unter welchen Bedingungen Divertikel bekommt oder nicht.

Wie entstehen Divertikel?

Andresen:

Die Darmwand besteht aus verschiedenen Bindegewebs- und Muskelschichten. An den Stellen, wo Gefäße das Blut zuführen, kann es zu Ausstülpungen kommen, besonders häufig ist das bei Menschen, die an seltenen Formen von Bindegewebsschwächen leiden. Der Darm ist ständig in Bewegung und kontrahiert sich, Menschen mit Divertikeln haben oft Motilitätsstörungen des Darms (Motilität = Fähigkeit zur Bewegung). Die eigentliche Frage ist aber: Was ist da Henne und was Ei? War die Ausstülpung zuerst und der Darm bewegt sich deshalb anders, oder lag zuerst eine Motilitätsstörung vor und es kam dadurch zu einer Divertikelbildung?

Sollen Menschen mit Divertikeln ballaststoffreich essen?

Andresen:

Die Datenlage zur Auswirkung von ballaststoffreicher Ernährung auf die Entstehung einer Divertikulitis ist widersprüchlich. Es gibt Studien, die beschreiben einen positiven Effekt, andere wiederum einen negativen Effekt, und weitere Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Ernährung keine Auswirkungen hat. Der Trend geht wohl aber eher dahin, dass man eine ballaststoffreiche Ernährung als Vorbeugung empfiehlt.