Autounfall, Bissverletzung oder Vergiftung – Tierärzte sagen, was die Halter tun können und dabei beachten müssen. Sonja Köhnke bietet in ihrer Praxis den tierischen Erste Hilfe Kurs.

Sechs Hunde unterschiedlicher Größe und Rasse sitzen mit ihren Herrchen und Frauchen in der Praxis von Tierärztin Sonja Köhnke. Das Besondere dabei: Alle sechs Hunde sind gesund. Aber ihre Besitzer wollen in dem Kurs „Erste Hilfe für den Hund“ bei Sonja Köhnke lernen, was sie bei unterschiedlichen Notfällen tun können. Die Tierärztin, die seit 14 Jahren ihre Kleintierpraxis in Großhansdorf betreibt, bietet den Kurs nicht zum ersten Mal an.

Gleich zu Beginn der zwei Stunden stellt die Fachfrau klar: „Bei Erster Hilfe geht es darum, die Zeit zu überbrücken, bis der Tierarzt kommt oder man mit dem verletzten Hund in der Praxis oder Tierklinik ist.“ Erste Hilfe ersetze somit keinesfalls den Besuch beim Tierarzt, und eine Kursteilnahme mache den Hundebesitzer nicht zum Experten.

Die Teilnehmer lernen im weiteren Verlauf des Kurses unter genauer Anleitung von Sonja Köhnke, wie man richtig Temperatur misst, einen Druckverband anlegt, die Herzfrequenz und die Atmung prüft.

Was kann Erste Hilfe bedeuten?

Die fachgerechte Erstversorgung durch den Tierhalter bis zum Transport oder Eintreffen des Tierarztes kann entscheidend dazu beitragen, dass Notfälle wie Verletzungen, Vergiftungen, Verbrennungen oder Überhitzung glimpflich ausgehen.

Die wichtigsten Regeln vorweg

„Das Allerwichtigste ist, in einem Notfall selbst die Ruhe zu bewahren“, sagt Sonja Köhnke zu den sechs Teilnehmern ihres Erste-Hilfe-Kurses. Denn bleibt der Hundebesitzer ruhig, überträgt sich das auch auf das verletzte Tier. Je ruhiger der Hund ist, desto weniger Sauerstoff benötigt er und desto weniger muss auch sein Kreislauf arbeiten. Da jedoch selbst der bravste Hund aus Angst, vor Schmerzen und Stress zubeißen kann: vorsichtshalber sein Maul mit einem Tuch, Schal, Krawatte, Damenstrumpfhose oder der Leine zubinden. Etwaige (Auto-)Unfallstelle absichern, den Hund festbinden, denn einige Tiere neigen im Stress trotz Verletzungen dazu, wegzulaufen. Außerdem gilt: Bei allem den Eigenschutz beachten und den Gefahrenbereich absichern.

Welche Hilfsmittel sind wichtig?

Immer bei Spaziergängen das Handy aufgeladen griffbereit haben (nicht im Auto) und mindestens einen Tierarzt in seine Telefonliste einspeichern. Nützlich ist ferner eine Erste-Hilfe-Tasche für Hunde im Rucksack. Diese enthält ein digitales Thermometer, Zeckenentferner, Verbandszeug, Polsterbinde (für Frakturen, Pfotenverband), Wundauflage, Pflasterrolle, Schere, Schutzhandschuhe, Pinzette, sterile Kochsalzlösung, kleine Taschenlampe, Spritze (zur Wassergabe, Spülung der Augen), Betaisodona Lösung.

Die häufigsten Notfälle – auch ohne Blut

Am häufigsten geht es bei einer Erstversorgung um Bisswunden, Schnittverletzungen und stumpfe Traumen durch Aufprall beispielsweise bei Autounfällen, sagt Thomas Steidl, Fachtierarzt für Kleintiere und stellvertretender Vorsitzender des Kleintierausschusses der Bundestierärztekammer. „Schussverletzungen sind in Deutschland extrem selten.“ Außerdem: Bei Notfällen muss nicht immer Blut fließen. So kann es sein, dass nach einem Aufprall auf einen Pkw am Hund äußerlich keine Verletzung zu erkennen ist. „In jedem Fall sollte aber, auch wenn der Hund nichts Erkennbares hat, ein Tierarzt aufgesucht werden“, rät Thomas Steidl, „denn es kann innere Verletzungen geben wie einen Riss im Lungenbereich (Pneumothorax). Dieser tritt nach einem Autounfall relativ häufig auf, ist aber von dem Hundehalter nicht zu erkennen.“

Wenn Blut fließt

Kleine Wunden können gereinigt und desinfiziert werden. Größere, stark blutende Wunden, die vielleicht genäht werden müssen, dürfen nicht desinfiziert werden, dazu bleibt auch keine Zeit, denn die Blutstillung geht vor. Spritzt das Blut bereits heftig aus einer Wunde, muss diese abgedrückt werden, zur Not mit dem Daumen oder der Faust. Abbinden sollte man nur die Läufe. Ist der Bauch aufgeschlitzt und sind Organe vorgefallen, unbedingt die Wunde sowie die vorgefallenen Organe feucht abdecken, jedoch nichts abbinden und auch nicht die Organe wieder hineindrücken. Kleine Fremdkörper wie Stachel oder Splitter können mit einer Pinzette entfernt werden. Fremdkörper, die sich schlecht entfernen lassen wie zum Beispiel Glasscherben, müssen in der Wunde bleiben.

Unbekannte „Gifte“

Bei einer Vergiftung wenn möglich das Gefressene (Schneckenkorn, Chemikalien, Frostschutzmittel) sowie die Verpackung oder auch das Erbrochene zum Tierarzt mitnehmen. Jedoch nicht selbst den Hund zum Erbrechen bringen.

Weitgehend unbekannt, allerdings nicht weniger gefährlich in ihrer giftigen Wirkung sind Weintrauben – und zwar frisch, getrocknet und im Kuchen. „Da die Menge des gefährlichen Gifts darin noch unerforscht ist, sollte der Hundehalter gar keine Trauben verfüttern“, rät Steidl. Dies gilt ebenfalls für dunkle Schokolade (je dunkler, desto gefährlicher) sowie vor allem für Arzneimittel bei Eigentherapie (Aspirin, Voltaren, Valium, Paracetamol) durch den Besitzer. Aber ebenso auch für in der Humanmedizin „harmlose“ Medikamente.

Und noch etwas Hilfreiches

Jeder Hund – und nicht nur die großen Rassen wie Dogge, Dobermann oder Rhodesian Ridgeback – sollten darauf trainiert sein, sich immer und überall anfassen und untersuchen zu lassen – auch wenn es unangenehm ist oder sogar wehtut. Dies betrifft einen aufgeschnittenen Ballen, gilt ebenso für das Öffnen des Fangs, um Fremdkörper aus dem Maul zu entfernen. „Solche Dinge müssen in Friedenszeiten geübt und ritualisiert werden“, sagt Steidl.

Welche Notfallmaßnahmen sollte der Hundehalter beherrschen?

Selbstverständlich sein sollte das Messen von Temperatur und Puls – als normal gelten eine Körpertemperatur von 38 bis 39 Grad sowie ein Puls von 80 bis 120 für Hunde zwischen zwei und 70 Kilogramm. Den Puls misst man in der Leiste.

Für das Anlegen eines Druckverbandes, die Entfernung von Fremdkörpern und die Versorgung vorgefallener Organe sollte der Hundehalter sich am besten von einem Tierarzt unterweisen lassen. „Muss ein Druckverband unterwegs angelegt werden, sollte dieser sehr gut gepolstert sein, zur Not mit einem Schal oder bei kleinen Hunden mit einem Kniestrumpf, damit die Blutzufuhr während des weiteren Transports nicht unterbrochen wird“, rät Sonja Köhnke.

Notfallkurse

Dazu rät Tierarzt Thomas Steidl, der seit 25 Jahren als Notfallmediziner aktiv ist und auch ein Buch zum Thema geschrieben hat: „Man sollte Kurse bei Tierärzten und nicht bei selbst ernannten Tierheilkundigen besuchen.“ Am 22. November bietet die Tierärztliche Praxis für Kleintiere Gervers in der Fabriciusstraße 19–25 wieder einen Erste-Hilfe-Kurs an.

Weitere Informationen:

www.bundestieraerztekammer.de

www.erste-hilfe-beim-hund.de

www.kleintiere-hamburg.de

www.partner-hund.de

www.planethund.com

www.tieraerztekammer.de