Ein Workshop zur Selbsterfahrung im Loslassen von alten Mustern und inneren Blockaden bringt neue Einsichten

Es klang ungewöhnlich, interessant und in jedem Fall nach einer neuen Erfahrung: Symbolisch die eigenen Sorgen loswerden, indem man mit Wasser gefüllte Ballons an eine Wand wirft. Dem Aufruf zum Workshop bei der Trainerin Monica Deters waren an diesem Sommerabend mehr als 20 Frauen gefolgt. Ich mitten unter ihnen.

Los ging es zunächst mit der Frage, was wir auf keinen Fall loslassen wollen. Sofort dachte ich an mein Pferd, die schönen Stunden mit ihm in der Natur, an liebe Menschen und Begegnungen, aber auch an die eigene Kraft, Dinge und Entscheidungen anzugehen. Auf die zweite Frage, was wir in unserem Leben loslassen müssen oder bereits mussten, fiel mir sofort mein Job vor 20 Jahren ein, der Partner, die Scheidung, alles schmerzliche Erlebnisse.

Die anderen Frauen warfen folgende Stichworte in den Raum: Lebenspläne, Wohnort, Gewohnheiten, Stress, Ärger, Wut, Selbstzweifel, schlechtes Gewissen, Vorurteile, Pfunde, Ängste, Verstorbene, Kinder, Partner. Spannend, was das gemeinsame Nachdenken und Sammeln alles zutage förderte.

Monica Deters sprach von den vier Phasen des Loslassens: Akzeptanz, Schmerz zulassen, Abschied nehmen, auf zu neuen Ufern. Deters berichtete sehr offen von eigenen schmerzlichen Abschieden und Verlusten, aber auch von Erlebnissen, die sie in ihre Kraft brachten und später sogar in die Selbstständigkeit als Coach.

Wir müssen uns während des bewussten Prozesses auch sieben W-Fragen stellen, die wehtun: Was muss oder will ich loslassen? Warum? Welche Vorteile oder Nachteile hat das Loslassen oder das Festhalten an Dingen und Menschen? Wann will ich loslassen, und welchen Ersatz erhalte ich dafür? Dass auch ein Nichts ein schöner Ersatz sein kann, wie Monica Deters sagte, dem Gedanken werde ich noch länger nachgehen. Und dann die spannende Frage: Wie kann ich konkret loslassen? Welcher symbolische Akt kann mir dabei helfen?

Wieder geben die Teilnehmerinnen des Workshops Antworten. Man kann ein Bild malen und dieses vergraben. Man kann die Perspektive wechseln: zum Beispiel statt beim Tod eines Freundes zu denken, „warum hat er mich verlassen“ – lieber „wie wunderbar, dass wir so eine schöne Zeit zusammen hatten“. Aber man kann auch schlicht die Situation annehmen, sie mental abarbeiten, üben, kleine Schritte zu machen, oder sich Unterstützer beim Loslassen suchen. Dass wir nicht immer alles allein schaffen müssen, das habe ich bereits gelernt.

Was aber können wir selber tun, um unsere Lebensbalance zu halten oder diese wiederzugewinnen? Als Kernproblem hat Dirk-Oliver Lange, Coach und Trainer, vermindertes Selbstwertgefühl und übersteigerten Erfolgsdruck ausgemacht. Letzterer kann auch aus der Kindheit stammen. In seinen Einzel-Trainings, die etwa drei Monate dauern, lernen die Teilnehmer, innere Denk-Blockaden zu überwinden und immer wieder neue bewusste Entscheidungen zu treffen. „Bei jeder bewussten Entscheidung bildet sich ein neuronales Netzwerk“, sagt Lange.

Zu seinen Lehren gehört der Leitsatz: Es gibt nur zwei Situationen – entweder bestimmt mich die Situation, oder ich bestimme sie. „Wir können sogar Angst ablernen“, sagt der Coach. Angst sei eine Gewohnheit, die wir zugelassen haben, „eingeengtes Bewusstsein“, das starr mache und damit Entscheidung blockiere. „Sorgen sind negative Gedanken, die um die Zukunft kreisen. Wandle ich diese jedoch in Vorsorge um, treffe ich wieder eine bewusste Entscheidung.“

Zurück zum Workshop: Die Spannung stieg. Es ging los: Wasserbomben werfen. Jede von uns hatte zuvor drei Wünsche notiert: Das will ich heute loswerden. Draußen griffen wir – zunächst zögerlich – einen mit Wasser gefüllten Ballon. Und schrieben den ersten Wunsch darauf. Ich nahm einen roten Ballon. Er fühlte sich seltsam weich und wabbelig an. Dann nahm ich Aufstellung. Wir hatten eine rote Backsteinwand vor uns: Und los ging es: Jede warf ihre erste Wasserbombe. Platsch, der Ballon zerschellte mit einem satten Geräusch an der Wand, und das Wasser lief herunter. Das war ein völlig neues Gefühl! Ich nahm gleich drei weitere rote Ballons. Ausholen, werfen war eins: Platsch, flitsch – kaputt.

Plötzlich löste sich etwas in mir, ich musste lachen. Und konnte gar nicht genug kriegen vom Werfen. Als ein kleinerer Ballon nicht gleich kaputtging, war ich enttäuscht. Und fand eine neue Lösung: Mit Wucht warf ich die Bombe auf den Boden. Wie gut das krachte! Zong – und weg mit den Sorgen, den inneren Blockaden und alten Mustern, die mich nur einengen im Leben. Wie gut das körperlich tat! Irgendwie befreiend. Und die kindliche Freude dabei. Warum gönnen wir Erwachsenen uns nicht viel häufiger einen Ausflug in unsere Kindlichkeit, dachte ich.

Ähnlich mussten sich die anderen Frauen fühlen. Überall sah ich fröhliche Gesichter. Anfangs einander fremde Frauen kamen miteinander ins Gespräch. „Es hat Spaß gemacht“, sagte eine. „Ich fühle mich jetzt leichter“, meinte eine andere. „Ich habe die Last in meiner Hand gespürt und diese weggeworfen“, äußerte eine dritte.

Auch wenn danach nicht alle Sorgen und Ängste verschwunden sind: Das Gefühl, etwas für sich getan zu haben, bleibt. Auch Tage später noch. Und ebenso die Erfahrung, dass mir körperlicher Einsatz und Erleben mit allen Sinnen guttun. Denn zum Denken komme ich schon genug. Das verlangt einen Ausgleich.

Der Mensch braucht etwa 50 Impulse, bis er tatsächlich etwas verändert, sagt Monica Deters. Ein erster Schritt ist gemacht: Jede von uns Frauen hat etwas an dieser roten Wand zurückgelassen. Ich auch.