Der Wunsch nach individuellen und farbenprächtigen Wohnungen zeigt sich in vielen Facetten – bis hin zu Auftrags-Gemälden und Wandmalereien. Darüber hinaus bieten Tapeten und Paneelen außergewöhnliche Optiken.

Wenn die Malerin Britt Schwarz die Treppe zu ihrem 100 Quadratmeter großen Atelier hochsteigt, hat sie ihr tägliches Arbeitspensum bereits kalkuliert. Bis mittags malt sie an ihrer eigenen abstrakten Bilderserie für eine geplante Ausstellung, auf der anderen Seite des Ateliers steht eine Staffelei mit einer Auftragsarbeit für eine Kundin. Hier schwingt sie ab 14 Uhr nach einer kurzen Mittagspause den Pinsel. Das Motiv – ein abstrahierter Schmetterling – und die dezenten Naturfarben hat sie mit der Auftraggeberin abgesprochen, der Rest ist künstlerische Freiheit. Britt Schwarz: „Zur mir kommen Menschen, die trotz intensiver Suche in vielen Galerien bisher nicht das richtige Motiv oder die passende Bildgröße für eine bestimmte Wand in ihrem Haus gefunden haben.“

Wenige Kilometer entfernt beugen sich Besucher im Showroom des deutschen Tapeteninstituts am Ballindamm (www.tapeten-wechsel.de) über Tapeten-Muster mit verschiedensten Designs und Motiven. Mehr als 10.000 Entwürfe deutscher Tapetenhersteller können hier bestaunt, befühlt und bestellt werden. „Das Angebot der Designer und der Industrie wird von Saison zu Saison vielfältiger und kreativer“, sagt Shopmanagerin Nadine Weber.

Die Deutschen haben ihre Wände als kreative Spielwiese entdeckt. Nach Jahren der Tristesse, in denen kühles Weiß die Flächen vieler Heime dominierte, gewinnt die Freude an Farbe, Design und Haptik wieder Oberwasser. Außer dem Wunsch nach einer dekorierten Fläche wollen viele Menschen mit individuellen, selbst entworfenen oder zumindest von ihnen beeinflussten Motiven dem Raum eine persönliche Note geben. Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM): „Pimp your Home als wichtiger Trend bei der Raumgestaltung meint derzeit vor allem ,Pimp Your Wall.‘“ Die Deutschen, so Geismann, hätten plötzlich gemerkt, dass sie „mindestens 340 Tage im Jahr in ihrem Haus verbringen und bisher ihre Wände eher stiefmütterlich behandelt haben. Das holen sie jetzt nach.“

Vom Wunsch nach individueller, oft motiv- und farbenprächtiger Wand-Gestaltung profitieren auch Hamburger Künstler wie Britt Schwarz und Luis Felipe Gonzalez (www.beltzebub.blog spot.com). Gerade hat Gonzalez zwei großformatige Ölbilder im Auftrag betuchter Hanseaten fertiggestellt, darunter ein Regal mit Hemden für das Ankleidekabinett eines Reeders – „ein wirklich freundlicher Hemdenfetischist“, wie der Maler lächelnd feststellt – sowie das Bild einer Rinderherde für eine Talkshowmoderatorin. Beide Kompositionen sind inspiriert von Werken, die er bereits vor über zehn Jahren gemalt hat. „Ich zeige den Kunden immer zuerst mein Portfolio. Die meisten wollen dann Abwandlungen bestimmter Bilder in einer fest definierten Größe und Farbwelt.“

Britt Schwarz erforscht erwünschte Motive ihrer Kunden bevorzugt in einem langen Gespräch. „Viele wissen genau, was sie wollen, und kommen mit einem Foto, das ich als Gemälde interpretieren soll. Andere schicke ich auf eine Fantasiereise und notiere mir, was sie sehen und sich als Bildmotiv wünschen. Daraus entwickeln wir gemeinsam eine Komposition und stimmige Farbwelt für das Gemälde.“

Bevor eine Wand bemalt wird, sollte ein Entwurf zur Ansicht vorliegen

Auch die Wandmalerin Reneé Charlotte Melms (www.rcm-interior design.de) und die Firma Horus Wandmalereien (www.horus-hamburg.de) freuen sich über eine gute Auftragslage. „Wandmalereien sind zum einen Kunstwerke, zum anderen die individuellste Tapete, die es gibt“, sagt Melms. Ihre Motive in Maltechniken wie Trompe-l’œil (Augentäuschung) oder der klassischen Ornamentmalerei – etwa Blumenranken – erstrecken sich oft über Wände bis zur Decke und geben so jedem Raum seinen individuellen Charakter. „Gerade bei der Wandmalerei ist es wichtig, vorab einen Entwurf zu machen, um die Wirkung des Bildes abschätzen zu können“, sagt Günter Woost von Horus.

Im Reich der Tapeten dagegen herrscht Anarchie durch Vielfalt. Wem die Auswahl des Tapeteninstituts als Inspiration nicht ausreicht, kann im Reich von Jörg Däwer bei MEGA eG (www.mega.de) unter 50.000 Varianten von mehr als 600 Herstellern die passende Tapete auswählen. Der Leiter der Tapetenabteilung beim größten deutschen Einkaufsverband für Maler, Stuckateure und Bodenleger in der Fangdieckstraße führt neben Modellen deutscher Hersteller auch das Sortiment der ausländischen Konkurrenz, darunter französischer, belgischer und englischer Manufakturen. Auf den Kunden wartet eine schier erdrückende Fülle an Vintage-Mustern, Blumendekors, Streifen, Stein- und Holzoptiken, hochwertigen Vlies- und Stofftapeten mit unterschiedlichsten Veredelungen – darunter Tapeten aus Bananen- und Hyazinthenblättern, lackiert und auf Vlies genäht, Rosshaartapeten und extravagante Wandverkleidungen aus Rochen- oder Haifischleder. Däwer: „Es gibt keinen eindeutigen Trend mehr außer dem Streben nach Individualität.“

Die hat viel mit Abgrenzung und Exklusivität zu tun. Kunden mit besonderen Wohnansprüchen finden ihre Tapeten oft bei Herstellern aus dem „Objektgeschäft“, etwa in Design-Hotels oder spektakulären Verwaltungsgebäuden. „Die Menschen sehen eine Tapete in der Bar eines Luxushotels und wollen die bei sich zu Hause haben“, hat Geismann beobachtet. Vorreiter ist auf diesem Gebiet die Firma Architects Paper (www.architects-paper.com), deren Kollektionen in Zusammenarbeit mit Architekten und Designern wie Hadi Teherani und Ingo Maurer entstehen, darunter Produktlinien wie Golden Blossom, Iron & Gold und Pure Rust, die fotorealistische Abbildungen diverser Materialoberflächen darstellen.

Ein Pendant ist der französische Anbieter Elitis (www.elitis.fr), der sich unter anderem mit aufwendig geprägten Vinyltapeten – etwa in Pantheroptik oder in Form fotorealistischer Travertinplatten – ein eigenständiges Profil geschaffen hat. Breit aufgestellt ist ebenso die Marburger Tapetenfabrik (www.marburger.de). Sie vermarktet die Tapetenkollektion des schrillen Modezaren Harald Glööckler ebenso wie die Entwürfe des Fotografen Konstantin Eulenberg. Hier thematisiert die Vliestapeten-Kollektion „Identity“ die Bereiche Individualität und Identität mit Motiven wie Daumenabdruck oder Barcodes auf formschöne und künstlerische Weise.

Längst sind auch Hightech-Tapeten auf dem Vormarsch. Rasch Textil hat beispielsweise mit „Capitone“ aus der Kollektion Verity eine feuchtigkeitsabweisende und schallhemmende Tapete auf den Markt gebracht. Erhältlich ist aber auch die Marburger Decke „Air Fresh“ von der gleichnamigen Tapetenfabrik, die nicht nur die Decke, sondern auch die Raumluft durch ein spezielles Filter-System reinigt. Und die Firma A.S. Création (www.as-creation.de) hat in Zusammenarbeit mit dem Lichtdesigner Ingo Maurer eine LED-Tapete entwickelt, die modernes Licht-Design an die Wand bringt.

Auch 3-D-Wandpaneelen finden immer öfter ihren Weg in Villen und Altbauwohnungen. Die Kombination aus Form, Farbe und Licht erzeugt dreidimensionale Effekte und macht die Wand selbst zum Objekt. Die Paneele der Firma Loft Design System (www.3d-wandgestaltung.de) besteht beispielsweise aus Elementen aus ökologischem Gips – einfach montierbar und wegen ihrer Oberflächenstruktur ein natürlicher Schalldämpfer.