Neue Küchen sollen nicht als solche zu erkennen sein: Größere Geräte und Griffe verschwinden, die Flächen sind glatt

Der Trend vom Dreidimensionalen hin zum Zweidimensionalen ist endgültig in der Küche angekommen. So wenig man noch umständlich einen Hörer abnimmt und langsam die Wählscheibe bewegt, so wenig werden Schubladen an Griffen kraftvoll herausgezogen oder verschmierte Knöpfe am Herd gedreht. Sanft berühren ist das Credo - optisch wie haptisch. Und beides, Telefon wie Küche, werden voll ins Leben integriert.

In Neubauten sieht man fast ausschließlich die große, weiße Wohnküche, meist mit frei stehender Kücheninsel, die als optischer Raumteiler fungiert. Darauf befindet sich die Kochstelle und manchmal auch die Spüle. Oft dient sie jedoch einfach als Stauraum und bietet Platz zum Schnippeln, gelegentlich wird ein erhöhter Tresen zum Frühstücken angebaut. Denn die Wandseite der Küche ist vielfach eine große, glatte Fläche, in der sich Ofen, Dampfgarer, Kühlschrank, Espressomaschine und Spülmaschine verstecken. Die Geräte befinden sich hier auf Brusthöhe nebeneinander und sind auf den ersten Blick kaum als solche zu erkennen, besonders, wenn die Ofentüren aus weißem Glas gefertigt sind. Statt Reglern und Knöpfen werden sämtliche Geräte über Displays bedient.

Bloß nicht bücken oder strecken, scheint die Devise zu sein. Oberschränke sind ebenso wenig angesagt wie Unterschränke. Alles wird in riesigen Schubladen verstaut, die sich leise per Selbsteinzug schließen. Bei den grifflosen Varianten funktionieren sie motorisiert. Hat man dennoch die kostengünstigeren Schranktüren, so sind diese mit Auszügen samt eingebauter Gewürzdosen ausgestattet, für die Gläser gibt es rutschfeste Einlagen.

Der Kühlschrank mit Null-Grad-Zone wird unsichtbar und erhöht integriert. Der Trend geht zu größeren Geräten mit mehr Kühl- und weniger Gefrierfläche, sagt Jochen Scheel von der Vierländer Küchenwelt. Marina Fischer von der Küchenmanufaktur Jäger und Sammler verkauft verstärkt individuell kombinierbare Kühlsysteme, bei denen Maße, Module, Temperatur und Feuchtigkeit den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Ebenso befinden sich ab einer gewissen Preisklasse zunehmend Weinkühlschränke in der Wohnküche.

Ganz schnell erhitzen, heißt es bei der Kochstelle. Hier nimmt die Nachfrage zum Vollinduktionsfeld zu, das die Maße des Topfes abmisst, speichert und innerhalb kürzester Zeit die programmierte Temperatur erreicht, erläutert Tobias Jednoralski von Hansa Complet Küchen. Der Topf kann danach beliebig auf der Kochstelle herumgeschoben werden, das Feld heizt immer exakt unter ihm.

Verschiedene Ergänzungen aus der professionellen Gastronomie können neben dem Kochfeld angebracht werden: ein Teppan Yaki - eine Edelstahlplatte mit Fettrinne, auf der man Fleisch, Fisch und Gemüse gleichzeitig anbraten kann. Schick wirkt auch die Wokplatte: Eine Mulde im Herd, in die der Wok exakt hineinpasst. Noch schicker ist der "Salamander", eine Art kleiner, offener Tischgrill, unter den die Schüssel zum schnellen Überbacken geschoben werden kann.

Beim Ofen wird wieder öfter zu Modellen mit Pyrolyse gegriffen. Stark im Kommen ist die sogenannte Klimastoß-Funktion, die sich besonders gut zum Brotbacken eignet. Dabei wird heißer Dampf in den Ofen gesprüht, der das Brot besonders locker machen soll. Der Dampfgarer, der die Mikrowelle weitgehend abgelöst hat, ist immer noch ein Renner.

Die Arbeitsplatte ist durchgängig dünn geworden. Die Wahl zwischen Platten aus Vollholz, Granit, Kunstharz, Keramik, Quarzkomposit, Quarzstein oder solchen aus farbigem Glas oder Beton fällt nicht leicht, da die Arbeitsplatte großen Einfluss auf die Gesamtwirkung hat. Die Spüle ist groß, tief und eckig und wird entweder als farblich passende Keramikspüle gewählt oder in einer Edelstahlvariante.

Die generelle Devise lautet: Die Küche soll nicht als solche zu erkennen sein. Deshalb werden nicht nur Messer, Kochlöffel und Gewürze versteckt, sondern auch alle größeren Geräte: die Brotschneidemaschine versinkt in der Schublade, und der Teekocher wird durch einen zweiten Wasserhahn namens Quooker ersetzt, der immerzu kochendes Wasser liefert.

Leider hat die perfekte Design-küche manchmal ihre kleinen Tücken: Für Induktionsfelder benötigt man spezielle Töpfe und Pfannen. So manches Display mag keine kalten Frauenhände und verweigert solchen schlichtweg den Gehorsam. Die motorisierten, grifflosen Riesenschubladen öffnen sich auf die kleinste, unbedachte Berührung und schwingen dann an die Hüfte. Ernährungs- und Kochgewohnheiten ändern sich ebenso wenig über Nacht wie Putzgewohnheiten. Deshalb lohnt sich die Frage, ob man wirklich ab sofort ganz viel dampfgegartes Gemüse essen oder ständig Gratin zubereiten wird. Auch sollte man seine Leidenschaft für offenes Braten mit seiner Putzleidenschaft abgleichen.

Zu jedem Trend entwickelt sich bekanntermaßen ein Gegentrend: Auf den ausdrücklichen Wunsch der Kunden bietet Jäger und Sammler seit Kurzem eine Küche mit Fronten aus groben, grauen, optisch gealterten Holzlatten an. Man kocht dort mit Gas, dessen Hitze an riesigen Knöpfen reguliert wird. Dazu könnte dann auch wiederum ein orangefarbenes Telefon mit Wählscheibe gut passen.

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