Wladimir Klitschko steht in seinem 22. Titelkampf vor seiner „größten“ Herausforderung. Erstmals trifft der Herrscher im Schwergewicht auf einen Gegner, der auf ihn herabschaut.

Hamburg. Der Held seiner Kindheit sitzt höchstpersönlich am Ring und Wladimir Klitschko will ihn nicht enttäuschen. Wegen Sylvester Stallone alias „Rocky“ hat der Herrscher des Schwergewichts als kleiner Knirps überhaupt erst mit seinem Sport begonnen. Die Geschichte vom Kämpfer, der alle Widrigkeiten meistert, faszinierte Klitschko. Noch immer bekommt der 36-Jährige Gänsehaut, wenn er „Eye of the Tiger“ hört. Und so verspricht der Weltmeister im Duell mit seinem Herausforderer Mariusz Wach (Sonnabend, ab 22.10 Uhr/RTL) eine Schlacht wie in der Rocky-Saga. „Es wird ein brutaler, harter Kampf werden“, sagte Klitschko, „er kann ganz gut zuhauen. Ich unterschätze Wach keinesfalls.“

Sein bisher noch ungeschlagener Gegner zeigte zwar Respekt vor dem Regenten der schweren Jungs, wollte sich aber nicht einschüchtern lassen. „Ich bin ein echtes Schwergewicht. Ich werde Wladimir nicht in den Kampf kommen lassen, sondern von Beginn an unter Druck setzten“, sagte Wach, der erst mit 26 Jahren sein Debüt im Profizirkus feierte, „er wird viele harte Treffer kassieren, bis ich ihn schließlich ausknocke. Ich werde der erste Schwergewichtsweltmeister aus Polen sein. Ich liefere einen Kampf, der lange im Gedächtnis bleibt.“

Beim Ausgang des Fights gehen die Meinungen also durchaus auseinander. Doch der Kampf verspricht noch einen weiteren Reiz. Wach, der ein Porträt seines Sohnes Oliver als riesiges Tattoo auf der Brust trägt, kann etwas, dass Klitschkos vorherige Gegner noch nie konnten: Er schaut auf den Champion herab. Mit einer Größe von 2,02 m ist er nicht nur eine imposante Erscheinung, sondern auch vier Zentimeter länger als sein Gegner - dazu jünger und auch schwerer (113,8 Kilogramm zu 112). „Die Herausforderung für mich ist seine Körpergröße“, sagte Klitschko, der seine WM-Gürtel der WBO, WBA und IBF aufs Spiel setzt, „aber es kommt darauf an, wie man die Größe nutzt.“

Und da sind sich die Experten einig, dass der 32 Jahre alte Pole einfach nicht die Klasse besitzt, um einen Klitschko erntshaft in Gefahr zu bringen. „Im Ring macht sich der Riese wach immer klein und krumm, da kommt seine Größe gar nicht zum Tragen“, sagte Klitschkos ehemaliger Trainer Fritz Sdunek dem SID, „außerdem ist Wladimir viel schneller und explosiver. Wenn er ihn richtig vor den Fäusten hat, wenn er die richtige Distanz gefunden hat, wird er ihn ausknocken.“ Vieles spricht dafür, dass der Kampf so abläuft wie jeder Klitschko-Kampf: Der Ukrainer wird sich Wach mit seinem Jab vom Leib halten - und wenn er ihn dann irgendwann zermürbt hat, mit einem rechten Cross ausschalten.

Viele Fans und ehemalige Legenden, vor allem in den USA, kritisieren diesen Stil als langweilig und ausrechenbar. Aber in Deutschland begeistert Klitschko die Massen. Die Hamburger Halle ist mit rund 15.000 Zuschauern natürlich ausverkauft. Wie Schauspieler Stallone, mit dem die Klitschko-Brüder das Musical „Rocky“ produzieren, werden nahezu alle Wladimir die Daumen drücken. Hinzu kommen zig Millionen an den TV-Geräten. Und die Show soll noch lange weitergehen. In dieser Wochen haben die Box-Brüder ihren Vertrag mit RTL um fünf weitere Kämpfe verlängert. Jedes Event soll ihnen rund drei Millionen Euro Gewinn in die Kassen spülen.

Für Klitschko, seit acht Jahren ungeschlagen, wird es ohne Zweifel der emotionalste Kampf seiner Karriere. Erstmals seit 2004 muss er ohne seinen verstorbenen Trainer Emanuel Steward in den Ring klettern. „Man kann einen Emanuel Steward nicht ersetzen“, sagte Klitschko, „ohne Emanuel, aber mit seiner Präsenz werde ich die Titel, die ich mit ihm gesammelt habe, verteidigen.“ Der legendäre Startrainer war am 25. Oktober im Alter von 68 Jahren in seiner Heimatstadt Detroit an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben war. „Ich möchte noch sehr lange Boxweltmeister bleiben“, sagte Klitschko. Das würde seinem Lehrmeister sicher gefallen.