Viele Wassersportler über 70 denken ans Aufhören, dabei ist das Bordleben ein gutes Gesundheitstraining

"Zu verkaufen" steht auf dem Schild, das auf der schmucken Najad an der Seereling hängt. Das elf Meter lange Schiff ist 20 Jahre alt, technisch prima in Schuss und sehr gepflegt. Die Segelyacht würde ohne Probleme noch viele Jahre über die Ostsee-Wellen tragen, aber die Eigner wollen nicht mehr. "Die Knochen machen nicht mehr mit, wir sind zu alt", sagen Klaus und Gisela R., beide gerade 70 geworden. "Das Alter allein ist kein Grund, das Segeln aufzugeben", kontert Wilfried Erdmann, Deutschlands erfahrenster Weltumsegler und mittlerweile 72 Jahre alt. "Wer an Land noch fit und beweglich ist, ist das auch an Bord."

Das Ehepaar R. will dennoch lieber an Land bleiben, seine Reiselust per Wohnmobil stillen. Andere Senioren halten dem Wassersport so lange es irgendwie geht die Treue. Ein Blick in die Versammlungen der Vereine beweist: Die Köpfe werden immer grauer, der Wassersport überaltert. Nach einer Erhebung des Instituts für Boots-Tourismus (Bonn) aus dem Jahr 2008 waren 45 Prozent der rund 360 000 Eigner einer Motor- oder Segelyacht, also Boote mit Kajüte und Übernachtungskomfort, älter als 60 Jahre.

Die Eigner der Yachten sind zu 95 Prozent Männer, die Crews bestehen allerdings in mehr als 70 Prozent der Fälle aus zwei Personen, meist sind es der Eigner und seine Lebenspartnerin. Ab dem 65. Lebensjahr denken sie verstärkt darüber nach, demnächst aus dem aktiven Wassersport auszusteigen. Die Hälfte vollzieht diesen Ausstieg im Alter zwischen 70 und 75 Jahren.

Die meisten Senioren hören aber nicht aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen auf. Sie führen in der Regel allgemeine Kategorien wie "Alter" oder "zu anstrengend" an und ergänzen dies in vielen Fällen mit dem Hinweis auf den Wunsch des Partners. Wilfried Erdmann denkt dagegen nicht ans Aufhören. Er hat in dieser Saison wieder seine "Kathena" in Missunde am Steg liegen, eine X-79, die schnell und sportlich segelt, aber nur mäßigen Komfort bietet. "Balance und Koordinierung, Körpergefühl und Aufmerksamkeit sind gefordert", sagt der Fahrensmann.

Für ihn hat das Senioren-Segeln auch Vorteile: "Wer älter ist, muss sich nichts mehr beweisen. Bei unserer Ostsee-Tour vor zwei Jahren haben meine Frau Astrid und ich auch mal einen Kurs abgebrochen, sind umgekehrt und haben den Schlag am nächsten Tag bei besseren Bedingungen gemacht. Das schont die Nerven, die Gesundheit und das Boot. Dafür muss sich niemand schämen."

Und noch einige Tipps hat Erdmann: "Bereiten Sie Hafenmanöver gut vor, dann wird keiner nervös. Und ziehen Sie bei entsprechenden Vorhersagen die Wetterkleidung vor dem Ablegen an. Wenn es draußen angenehmer als angesagt ist, kann man dicke Jacke und Hose wieder ablegen. Das ist erheblich einfacher, als sich bei Schräglage, Wind und Regen in die Klamotten zu quälen."

Burkhard Weisser, Sportmediziner an der Uni Kiel, vergleicht die durchschnittliche Herz-Kreislaufbelastung des Segelns mit mäßigen Ausdauersportarten wie Nordic Walking oder Jogging. Seine These: "Segeln ist ein optimales Gesundheitstraining bis ins hohe Alter, hält Körper und Geist fit." Kurs halten und Manöverplanung erforderten schnelle und clevere Überlegungen. Segel einholen und setzen sowie Segeltrimm seien Ausdauer- und Krafttraining für die gesamte Körpermuskulatur. Das Reizklima am Meer wirke abhärtend auf den Körper und stärke das Immunsystem.

Aber in vielen Fällen zwickt es eben doch im Knie und schmerzt in der Schulter, so dass der Wassersport aufgegeben werden muss. Und manch ein Eignerpaar hat auch einfach keine Lust mehr, die Verantwortung für ein Wasserfahrzeug zu tragen. Wer ein Boot hat, muss sich das ganze Jahr über um Reparaturen, Pflege und Instandhaltung sowie die Kosten für den Liegeplatz und Versicherung kümmern.

Deshalb stehen momentan auch wesentlich mehr Gebrauchtboote zum Verkauf als nachgefragt werden - auf einen Interessenten kommen zwölf bis 15 Gebrauchtboote in allen Preisklassen. Einerseits hat das etwas mit dem demografischen Wandel zu tun, andererseits mit der Mobilität in der Arbeitswelt. Wer als Berufsanfänger nur Zeitverträge bekommt und nicht weiß, ob der nächste Arbeitsplatz statt in Hamburg vielleicht in München oder Frankfurt liegt, wird sich kein Segel- oder Motorboot kaufen. Zeit und vor allem Geld für so ein Hobby müssen langfristig planbar übrig sein.

Klaus und Gisela R. haben schon einige Kaufinteressenten an Bord gehabt, ein Vertragsabschluss ist noch nicht in Sicht. "Wir wollen unser Schätzchen nicht verschenken", sagen beide und haben in diesem Sommer den einen oder anderen kurzen Törn gemacht. "So alt sind wir ja doch noch nicht."