Durch alternde Gesellschaft sind immer mehr Menschen betroffen. Operationen und konservativen Therapien können vielen Patienten helfen.

Hamburg. Beim Sport oder in Ruhe, bohrend-dumpf oder stechend-scharf: "Schmerzen durch verschlissene Gelenke können sich ganz unterschiedlich äußern", sagt Dr. Jan-Hauke Jens, Chefarzt am Zentrum für Endoprothetik der Schön Klinik Hamburg Eilbek. "Patienten können beispielsweise einen eher dumpfen Schmerz fühlen, wenn der Knochen durch den Gelenkverschleiß angegriffen ist, und einen scharfen Schmerz, wenn sich die Kapsel um das Gelenk herum entzündet hat." Doch nicht jede Arthrose, so lautet der Fachbegriff, mache Schmerzen: "Es gibt Patienten, die haben gravierende Zeichen einer Arthrose im Röntgenbild, aber keinerlei Beschwerden, also weder Schmerzen noch Probleme mit der Bewegungsfähigkeit."

Sein Chefarzt-Kollege Prof. Frank Lampe spricht von Gelenkverschleiß als "Volksleiden". "Durch die alternde Gesellschaft sind zunehmend mehr Menschen betroffen." Laut der Deutschen Arthrose-Hilfe leiden in Deutschland etwa fünf Millionen Menschen unter Beschwerden, die durch eine Arthrose verursacht werden, viele davon haben täglich Schmerzen. Meist trifft es Hüfte, Knie und Hände, oft sind gleich mehrere Gelenke befallen. Nach Angaben des Vereins finden sich bei mehr als 80 Prozent aller 70-Jährigen arthrotische Gelenkveränderungen.

In den vergangenen Monaten entbrannte ein Streit im Gesundheitswesen darüber, ob in Deutschland womöglich zu viele dieser Patienten operiert werden und zu früh oder unnötigerweise ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk erhalten. Gründe für solch einen Eingriff können ein Gelenkverschleiß (am häufigsten), aber auch Verletzungen nach einem Sturz oder eine rheumatische Erkrankung sein. Einem Report zufolge setzen deutsche Operateure jedes Jahr 400 000 neue Hüft- und Kniegelenke ein. Die Krankenkassen schlugen Alarm, und viele Patienten wurden dadurch verunsichert.

"Es entsteht der Eindruck, dass wir bei jedem Patienten sofort mit einer Knie- oder Hüftprothese anfangen, das ist aber nicht der Fall", sagt Jens. "Die Behandlung der Arthrose ist immer eine Stufentherapie, die aus vielen Mosaiksteinen besteht." Oft verliefen die Beschwerden bei Arthrose wellenförmig, seien mal stärker und mal schwächer. In der Regel komme ein Patient mit Beschwerden zum niedergelassenen Orthopäden, der erst einmal abklären müsse, was dahinterstecke.

Klarheit über die Vorgänge im Gelenk bringt auch ein Röntgenbild. Die Mediziner unterscheiden vier Schweregrade. "Einem Patienten mit leichten Veränderungen können Sie natürlich nicht sofort eine Prothese einsetzen", sagt Jens. "Etwa zwei Drittel der Patienten, die sich von uns beraten lassen, schicken wir zunächst wieder in den ambulanten Bereich zurück."

Zu der Stufentherapie der Arthrose gehören Schmerzmittel, Bewegungstherapie, wenn nötig Gewichtsabnahme, aber auch Gelenkspiegelungen, bei denen die Knorpelflächen im Gelenk geglättet werden. Auch die nicht ganz unumstrittenen Spritzen ins Gelenk sind ein Mosaikstein. "Zu uns kommen viele Patienten, die entweder Hyaluronsäure oder Kortison ins Knie gespritzt bekommen haben", sagt Prof. Thorsten Gehrke, Ärztlicher Direktor der Helios Endo-Klinik Hamburg. Hyaluronsäure ist ein Bestandteil der Gelenkschmiere, die den Knorpel ernährt. Es gebe Hinweise, dass dies im extrem frühen Stadium von Arthrose helfen könne. "Aber mir reicht dies nicht aus, um die Behandlung zu empfehlen, schon gar nicht in einem fortgeschrittenen Stadium - zumal sie von den Patienten selbst bezahlt werden muss."

Kortison kommt zum Einsatz, wenn durch die Arthrose eine schmerzende Entzündung entsteht. "Kortison kann eine kurzfristige Wirkung auf die Schmerzen haben", sagt Gehrke. Es könne aber auch den Knorpel angreifen und sollte daher nicht zu oft gespritzt werden. Die Kortisonspritzen werden von den Kassen übernommen, ebenso wie die Kosten für die Radiosynoviorthese. "Bei einer entzündeten Gelenkschleimhaut können Nuklearmediziner radioaktive Substanzen in das Gelenk spritzen, die Schleimhaut verödet dadurch, und die Beschwerden können zurückgehen."

Doch oft genug stellen sich die Patienten wieder in den Kliniken vor. Viel wichtiger als die Röntgenaufnahme ist laut den Experten das Befinden des Patienten: "Hat er Schmerzen in Ruhe, oder bei Bewegung? Fühlt er sich stark eingeschränkt, beispielsweise beim Sport? Wie ausgeprägt ist die Einschränkung der Lebensqualität? Wie alt ist er, und was hat er für Begleiterkrankungen?", fragt Gehrke dann. Zunehmend beobachten die Orthopäden eine direkte Nachfrage nach einer Prothesen-Operation, auch in jüngeren Jahren. "Früher haben die Ärzte gesagt: Kommen sie wieder, wenn Sie 80 sind, oder wenn Sie nicht mehr laufen können. Das akzeptiert heute niemand mehr", sagt Lampe. Etwa zwei Drittel der Patienten frage bereits im ersten Gespräch, ob sie mit einer Endoprothese noch Sport machen können, ergänzt Gehrke. "Auch ältere Menschen wollen noch Ski laufen oder golfen und nicht einfach nur die Treppe besser hochkommen." Er finde dies begrüßenswert, aber "diese Entwicklung stellt die Materialien vor Herausforderungen, denn die müssen mehr aushalten als früher."

Altersgrenzen nach oben oder unten sehe er nicht, selbst wenn die deutliche Mehrheit der operierten Patienten zwischen 60 und 70 Jahre alt sei. "Bei jüngeren Patienten ist besonders hervorzuheben: Nach etwa 20 Jahren muss in der Regel ein Wechsel der Prothese erfolgen." Lampe und Jens stoßen in ihren Gesprächen zunehmend auf unrealistische Wünsche der Patienten. "Leider denken nicht wenige: Die Prothese kommt rein, und dann geht es mir sofort wieder gut. Das stimmt so leider nicht, schließlich werden ja Muskeln durchtrennt, und es ist ein größerer Eingriff in den Körper." Auch wenn die Patienten das Gelenk schnell belasten und auf Gehstützen gehen könnten: Nach dem Einsatz einer Hüftprothese seien die Beschwerden erst nach drei bis sechs Monaten völlig vergessen, nach einem künstlichen Kniegelenk teils erst nach neun Monaten. "Manche Restbeschwerden wie eine Schwellung des Knies nach Belastung oder Befindlichkeiten an der Narbe können sich hartnäckig halten."

Wenn sich ein Patient für eine Operation entscheidet - worauf sollte er bei der Auswahl der Klinik dann achten? "Wichtig ist die Zahl der Operationen, die der Chirurg selbst jährlich durchführt - ich halte die Zahl von mindestens 100 Prothesen im Jahr für sinnvoll. Aber auch das Pflegepersonal und die Physiotherapeuten sollten ebenfalls möglichst viel in dem Fachgebiet haben", sagt Gehrke. Unbedingt fragen solle man auch, ob es je Probleme mit den Materialien gegeben habe. Das weltweit akzeptierteste Material bei Hüften ist laut den Experten die "Gleitpaarung" aus einem Keramik-Hüftkopf und einer Plastik-Hüftpfanne aus Polyethylen.

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