Zehn Jahre nach der Elbe-Flut ziehen Versicherer Bilanz: Naturkatastrophen nehmen zu und bei mangelnder Vorsorge auch Höhe der Schäden.

München/Dresden. Die deutsche Versicherungswirtschaft rechnet mit einer deutlichen Zunahme an Katastrophenschäden. Dabei stützen sich Unternehmen wie Munich Re auf wissenschaftliche Analysen und Erkenntnisse aus der eigenen Datenbank. „Wenn wir uns die Trends bei der Anzahl schadenrelevanter Ereignisse anschauen, sehen wir den stärksten Anstieg bei Überschwemmungen“, sagt Prof. Peter Höppe, Chef der GeoRisikoForschung von Munich Re. Während es Anfang der 1980er Jahre weltweit etwa 100 größere Überschwemmungen pro Jahr gab, liegt deren Zahl nun bei 350. Stürme haben um den Faktor 2,5 zugenommen. Die Zahl geophysikalischer Ereignisse wie Erdbeben, Tsunami oder Vulkanausbrüche ist dagegen weitgehend stabil.

Für die Forschung ist das ein Hinweis darauf, dass Klimawandel Katastrophen wie Hochwasser und Sturm verursachen kann. Als „wetterbedingte“ Ereignisse werden auch Hitzewellen, Waldbrände oder Dürre bezeichnet. Höppe verweist auf eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, die der GDV bei Forschungseinrichtungen in Auftrag gab. Demnach muss Deutschland schon in den nächsten 30 Jahren mit einem Anstieg an Überschwemmungen rechnen. Ein Hochwasser, wie es heute statistisch alle 50 Jahre auftritt, kann in drei Jahrzehnten schon ein 20-jähriges Ereignis sein. „Es gibt viele Studien und wissenschaftliche Belege dafür, dass der Klimawandel bereits eine Rolle spielt.“

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Sorgen bereitet der Branche vor allem die Zunahme lokaler Starkniederschläge. Während sich ein Flusshochwasser wie das der Elbe durch ein verbessertes Prognosesystem gut voraussagen lässt, verwandelt Starkregen kleine Bäche mitunter in Stunden oder Minuten in reißende Ströme. „Starkniederschläge können alle Landstriche in Deutschland betreffen. Sie haben nicht den Aufmerksamkeitswert wie ein Flusshochwasser, richten aber mindestens genauso schwere Schäden an“, betont Christian Diedrich, Vorstandsmitglied der zur Munich Re gehörenden ERGO Versicherungsgruppe.

Wo auch immer Sachsens Umweltminister Frank Kupfer (CDU) derzeit im früheren Flutgebiet der Elbe und ihrer Nebenflüsse auftaucht, warnt er die Bewohner. „In der Regel vergessen Menschen nach sieben Jahren ein solches Ereignis wieder.“ Auch die Allianz Versicherung hat diese Erfahrung gemacht. 2002 sei die gefühlte Bedrohung bei den Bürgern rasch gestiegen. „Wir erhielten damals deutlich mehr Anfragen nach Versicherungsschutz“, sagte Vorstandschef Severin Moser in einer Flutbilanz. Doch je weiter das Ereignis zurückliege, desto geringer werde das Risikobewusstsein. „Wir setzen auf Prävention und fordern, dass für Grundstücke in Flutgebieten keine Baugenehmigungen mehr erteilt und bestehende abgeändert werden.“

Klar ist: Die Milliardenschäden bei der Elbeflut kamen auch deshalb zustande, weil heute im Gegensatz zu früher viel mehr Technik im Keller installiert ist. Dass derzeit nur 29 Prozent der Hausbesitzer bundesweit gegen Elementarschäden versichert sind, treibt die Branche um. Anders als oft angenommen ließen sich aber 98,5 Prozent aller Wohngebäude problemlos gegen Gefahren wie Hochwasser versichern, sagt Diedrich. Sachsen hatte nach einer Häufung von Fluten gemeinsam mit der Branche mobil gemacht und um ausreichenden Versicherungsschutz geworben.

In den USA rechnen Experten nach erfolgten Schutzmaßnahmen mit jährlichen Hochwasserschäden von 10 Milliarden US-Dollar – ohne Schutz hätte dieser Wert beim Fünffachen gelegen. Nach der verheerenden Sturmflut in Hamburg 1962 flossen umgerechnet rund zwei Milliarden Euro in die Prävention. Und obwohl es später noch vier Mal höhere Wasserstände als 1962 gab, blieben die Schäden gering. Sachsen steckt seit der Jahrhundertflut jährlich 100 Millionen Euro in den Schutz und würde nach Ansicht von Fachleuten heute glimpflicher davonkommen.

Eine Flut an Schäden führt nicht zuletzt auch zu finanziellen Konsequenzen für die Versicherten. „Mittelfristig wird das zu einem deutlichen Prämienanstieg führen, es sei denn man redet über die Einführung von verpflichtenden Selbstbehalten“, sagt Höppe. Ein solcher Prämienanstieg lasse sich aber regional vermeiden, wenn steigende Gefährdung durch Bau oder Erhöhung von Deichen kompensiert werde. Höppe hat dabei wohl auch jene im Blick, die sich zehn Jahre nach der Flut vehement gegen Hochwasserschutz wehren, weil ihnen ein erhöhter Damm den schönen Blick auf den Fluss verstellt.