Nur ein paar Tropfen Blut: Der neue Test auf Trisomie 21 bei Ungeborenen ist umstritten. Dennoch soll die Methode in Kürze praktiziert werden.

Konstanz. Revolution oder Rasterfahndung: Die Meinungen über einen Bluttest, der Trisomie 21 beim Ungeborenen feststellt, gehen auseinander. Nachdem das Freiburger Regierungspräsidium die Unterlagen geprüft hat, soll der Test des Konstanzer Unternehmens „Lifecodexx“ im August auch in Deutschland angeboten werden.

Während „Lifecodexx“ von einem „revolutionären Konzept“ spricht, befürchten Gegner, dass Menschen mit „Trisomie 21“ künftig immer mehr in der Gesellschaft verschwinden. Diakonie, Kirchen und Selbsthilfegruppen kritisieren die Einführung eines Bluttests zur Erkennung des Down-Syndroms bei Ungeborenen.

Der badische Landesbischof Ulrich Fischer kritisierte vor kurzem, dass sich der Druck auf Eltern, die sich für ein behindertes Kind entscheiden, enorm verstärke. Es sei anmaßend, wenn man sich zum Herrn über das Leben aufschwinge und meine, menschliches Leben am Lebensanfang manipulieren oder selektieren zu dürfen, sagte Fischer. Auch der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch lehnt den geplanten Schwangerschafts-Bluttest ab. Der Wunsch von Eltern nach einem gesunden Kind sei verständlich. Unter dem vermeintlich positiven Vorwand, Leid aus der Welt zu schaffen, werde aber festgelegt, „welches Leben als lebenswert gilt und welches nicht“.

Ethische Bedenken äußerte auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), in dessen Bundesland das herstellende Unternehmen seinen Sitz hat. Der Bluttest beziehe sich auf eine Krankheit, die man nicht heilen könne. Ein Verbot des Tests hält Kretschmann aber auch nicht für richtig.

+++Bluttest auf Down-Syndrom darf verkauft werden+++

+++Emotionale Debatte in der Schweiz wegen Bluttest+++

Für die schnelle Einführung des Test wirbt dagegen pro familia in Baden-Württemberg. „Vorgeburtlicher Bluttest muss erlaubt werden“, teilte pro familia am Dienstag mit und forderte zugleich, dass der Test für Schwangere als Krankenkassenleistung so früh wie möglich schon ab der zehnten Schwangerschaftswoche zur Verfügung steht und für Schwangere das Recht auf Beratung im Sinne des Gendiagnostikgesetzes und mit dem besonderen Hinweis auf die psychosoziale Beratung erfolgt.

Nur 20 Milliliter Blut einer Schwangeren sollen genügen, um festzustellen, ob ihr ungeborenes Kind das Down-Syndrom hat. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), sprach im Vorfeld von einer „Rasterfahndung“, um Behinderte auszusortieren und zu töten.

„Wollen wir wirklich eine Gesellschaft, die nur normiertes, gesundes und schönes Leben zulässt?“, fragt auch Elzbieta Szczebak vom Deutschen Down-Syndrom Infocenter im fränkischen Fürth. Sie befürchtet, dass durch den Test behinderte Menschen auf lange Sicht aus der Gesellschaft verschwinden werden: „Der Countdown für Sein oder Nicht-Sein von Menschen mit Down-Syndrom läuft.“

Das Diakonische Werk Württemberg warnt vor der routinemäßigen Suche nach genetischen Abweichungen. Der neue Nachweis zur Früherkennung des Down-Syndroms (Trisomie 21) in der frühen Schwangerschaft stelle Eltern vor die konfliktreiche Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch.

Verändern wird der Test auch die Schwangerschaftskonfliktberatung, ist sich Ingrid Reutemann von der Diakonie Baden sicher: „Für behindertes Leben ist der Schutz nicht mehr da.“ Sie befürchtet, dass es häufiger „Schwangerschaften unter Vorbehalt“ gibt und der Druck auf Frauen steigt, „vermeidbare Kinder“ nicht zu bekommen. Für Frauen wird es schwieriger, einfach nur „guter Hoffnung“ zu sein.

„Lifecodexx“ wirbt damit, dass der Test „grundsätzlich nichts Neues untersucht“ und eine risikofreie Alternative zu herkömmlichen invasiven Untersuchungsmethoden wie der Fruchtwasseruntersuchung ist, die mit einem Fehlgeburtsrisiko von etwa einem Prozent einhergeht.

Für die Frauen soll die Untersuchung schon zu einem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft „mehr Sicherheit schaffen“. Sinnvoll sei dies für Frauen, die zu einer Risikogruppe gehören oder wenn aufgrund von bisherigen Untersuchungen der Verdacht auf eine Trisomie 21 beim Ungeborenen bestehe, heißt es in einer Broschüre des Unternehmens. Die Kosten in Höhe von etwa 1.200 Euro müssten die Frauen als sogenannte medizinische Extraleistung (IGel) selbst bezahlen.

Bundesweit leben nach Schätzungen des Arbeitskreises Down-Syndrom etwa 50.000 Menschen mit der Mutation „Trisomie 21“. Sie ist die häufigste Form einer geistigen Behinderung. Schon jetzt entscheiden sich neun von zehn Eltern, ihr Ungeborenes mit der Diagnose „Trisomie 21“ abzutreiben.