Die Kehle ist ausgetrocknet, das Herz beginnt zu rasen, und im Kopf startet der Horrorfilm: Prüfungsangst macht vielen Studenten zu schaffen.

Berlin. Wochenlang gelernt, und dann das: In der Prüfung ist im Kopf plötzlich nur noch ein gähnendes, schwarzes Nichts. So ein Blackout kann einem gehörig die Note verhageln. Wer sich davor fürchtet, ist damit nicht allein: Prüfungsangst macht vielen zu schaffen. Die Grenze zum normalen Lampenfieber ist dabei nicht immer leicht auszumachen. „Problematisch wird es, wenn jemand, der fachlich gut vorbereitet ist, nicht motiviert in eine Prüfung gehen kann, sondern den Gedanken daran als belastend und lähmend empfindet“, sagt Hans-Werner Rückert, Studienberater von der Freien Universität Berlin.

Die Angst vor der plötzlichen Leere im Kopf ist weit verbreitet. Ein Blackout ist jedoch extrem selten. „Tritt es tatsächlich ein, passiert dies in der Regel nicht unangekündigt, man spürt es kommen“, sagt der Psychologe Rückert. Wer deshalb vor der Prüfung ein schlechtes Gefühl hat, sollte ein Blackout wie einen Film im Kopf durchspielen. Denn dann falle einem in so einer Situation schneller ein, wie man reagieren kann.

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Naht das mit einem Blackout verbundene Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht, könne man zum Beispiel die Prüfer um ein Glas Wasser bitten. „Eine Prüfung ist ja keine Foltersituation, sondern eine normale Interaktion zwischen Erwachsenen.“ Selbstverständlich sei es möglich, einmal um die Wiederholung einer Frage zu bitten, wenn man merke, dass man den roten Faden verliert.

Wichtig sei, dass man das Thema Prüfungsangst nicht unter den Teppich kehrt. „Wer alles auf die inhaltliche Vorbereitung setzt, macht einen Fehler“, sagt Rückert. Einerseits sei eine mündliche Prüfung immer eine Bewertung der Leistung des Prüflings, andererseits - und das macht vielen Angst – aber auch eine Bewertung der Persönlichkeit. „Deshalb sollte man beide Seiten stärken.“ Die mentale Vorbereitung sei genauso wichtig wie das Pauken des Stoffs.

Diplom-Soziologin und Job-Coach Angela Schmitz empfiehlt, rechtzeitig vor der Prüfung den Hörsaal zu betreten und sich dort ein ruhiges Plätzchen zu suchen, wo man möglichst für sich allein ist. „Legen Sie die Hände in den Schoß und atmen Sie ganz langsam durch die Nase ein und durch den Mund aus. Es ist wichtig, dass es lange, tiefe Atemzüge aus dem Bauch heraus sind.“ Eine hilfreiche Entspannungsübung im Stehen ist es, sich in alle Richtungen zu strecken und den Kopf langsam zu kreisen. „Machen Sie auch ein paar Grimassen, um ihre Gesichtszüge zu entspannen.“

Schmitz rät außerdem dazu, am Morgen der Prüfung genug zu trinken und in jede schriftliche und mündliche Prüfung immer ausreichend Flüssigkeit mitzunehmen. „Am besten eignet sich warmes Wasser, da es die Blutzirkulation anregt und den Organismus in Bewegung bringt.“ Zusätzlich können ein Stück Schokolade oder ein Schokoriegel kurzfristig Energie liefern. Auf schwer verdauliches Essen sollte jedoch vor der Prüfung verzichtet werden.

In den Workshops der Psychologischen Beratungsstelle der FU Berlin werden Prüfungen simuliert und auf Video aufgezeichnet. „Die Selbstwahrnehmung der Studenten ist dabei häufig stark negativ verzerrt“, berichtet Rückert. Sehen die Studenten sich später das Video an, seien viele von ihnen erstaunt, wie gelassen sie darauf wirkten.

Insgesamt bieten 43 der 58 Studentenwerke in Deutschland psychologische Beratungen für Studenten an. Diese sind in aller Regel kostenlos. Die Nachfrage ist steigend: 2010 waren es 26 000 Studenten, die solche Angebote wahrnahmen – 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Das dürfte auch mit der Umstellung im Zuge des Bolognaprozesses zu tun haben: War eine Prüfung, deren Ergebnis in die Abschlussnote einfließt, in den alten Studiengängen selten, zählt heute jeder Schritt, den Bachelor- und Master-Studenten tun. Die neuen Studiengänge hätten eine „hohe Prüfungsdichte“, erklärt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Studenten würden daher heute „sehr früh mit hohen Anforderungen bezüglich ihres Umgangs mit Stress, Prüfungen, Zeit- und Selbstmanagement konfrontiert“. Auch Rückert und sein Team beobachten, dass Lern- und Leistungsstörungen sowie Depressionen infolge negativer Studienerfahrungen unter Studenten zunehmen. (dpa/tmn)