Der richtige Schuh ist mehr als ein modisches Bekenntnis und wird sehr aufwendig hergestellt. Schuster müssen mit Leidenschaft dabei sein.

Die Jagdsaison ist eröffnet! Die neuen Winterschuhe locken uns in die Schuhgeschäfte und wollen besessen werden. Glücklicherweise können wir an die Objekte der Begierde um einiges leichter gelangen als unsere Vorfahren, die vor 40 000 Jahren anfingen, Schuhe aus Bärenfell und Hirschleder herzustellen. Die Designer scheinen sich gerade an den menschlichen Jagdtrieb nach kuscheligem Pelz zu erinnern - selten wurde so viel davon verwendet wie diese Saison. Neben dem heftig diskutierten Echtfell wird viel Kunstpelz angeboten. Der ist oft genauso weich wie das hauptsächlich verwendete Kaninchenfell.

Schuhe sind jedoch nicht nur modisches Statement, sie bedeuten oft auch Identifikation und Gruppenzugehörigkeit. Mit dem richtigen Schuh wird das Outfit erst perfekt, der falsche Treter hingegen kann alles ruinieren und den Träger sofort als Außenseiter bloßstellen. In jedem Milieu erkennt man seinesgleichen an bestimmten Schuhtypen und Marken. Der Hamburger Kaufmann ohne klassischen Herrenschuh mit Ledersohle? Genauso undenkbar wie der Punk ohne heruntergekommene Doc Martens, der Skater ohne Sneaker der Marke Vans, das Girlie ohne UGG-Boots.

In Hamburg kleiden sich die Bewohner ihren Vierteln entsprechend auch bei ihren Schuhen oft recht homogen: Die Trägerin weicher Tod's lebt wohl in Pöseldorf oder Harvestehude, Chucks laufen gerne studentisch durchs Grindelviertel, Stiefel mit derben Woll- und Filzeinsätzen tummeln sich häufig im Schanzenviertel.

Ein besonderes Klientel hat der Maßschuhmacher Benjamin Klemann. Mit sechs weiteren Handwerkern arbeitet er in seinem Familienbetrieb und bedient Kunden aus 19 Ländern. Für die Herstellung eines maßgefertigten Schuhpaares benötigt er mindestens 30 Arbeitsstunden. Der Traum kostet dann ab 1800 Euro zuzüglich des Leistens. Je nach Lederart kann es auch deutlich teurer werden. Dafür sind seine Maßschuhe ein absolut edles, ganzheitliches und nachhaltiges Produkt. Sie existieren nur ein einziges Mal auf der ganzen Welt und halten bei guter Pflege ein Leben lang.

Vor der Anfertigung der Maßschuhe werden die Füße des Kunden genau vermessen und danach auf Blaupapier gestellt, um die Druckverteilung erkennbar zu machen.

Das ist wichtig für die Erstellung eines perfekt passenden Leisten. Die Seele von Klemanns Schuhen ist die Brandsohle, die Innensohle. Diese wird auf den Leisten aus Buchenholz genagelt, der extra angefertigt wurde. Das orthopädische Fußbett wird gegebenenfalls gleich mit eingearbeitet. Klemanns Schuhe sind in einer 500 Jahre alten Technik gefertigt und zwar Stich für Stich von Hand. Der Fachbegriff lautet dafür rahmengenäht. Auf ein Paar seiner millimetergenau angepassten Luxusschuhe muss man inzwischen fast neun Monate warten, so groß ist der Andrang. Er kann sich leisten, nur die besten Teile des Leders zu verwenden, vorrangig Kalb- und Rindsleder aus Italien und Frankreich. Selbstverständlich füttert er seine Schuhe auch nur mit feinem Kalbsleder.

"Der teuerste Schuh, den wir je gemacht haben, hat fast 10 000 Euro gekostet", erzählt Klemann. "Der ist aus 300 Jahre altem Juchtenleder und stammt aus der Ladung eines Schiffes, das 1786 von St. Petersburg nach Genua gehen sollte und vor der Küste Cornwalls im Sturm sank." Prince Charles hat das Wrack in den 70er-Jahren bergen lassen, und seitdem wird das Leder gebadet und entsalzt, gefettet und gepflegt. Weltweit dürfen nur zwei Schuhmacher dieses Leder verwenden, und einer davon ist Benjamin Klemann.

Doch immer weniger Schuhe auf der Welt erfüllen hohe Anforderungen der Träger. Durch die großen Umwälzungen in der Schuhproduktion ist die Qualität vieler Schuhe schlechter geworden. Der Preiskampf ist enorm, die Lohnkosten steigen selbst in China, die Preise für Rinderhäute sind auf ein historisches Hoch geklettert - so greifen viele Hersteller statt auf das jahrzehntelang übliche Innenfutter aus Schweineleder auf billiges Kunstleder oder Textilfutter zurück.

"Schuhe werden immer billiger produziert und haben inzwischen oft schlechtere Qualität. Sie werden so teilweise zu Einwegprodukten", bemängelt Torsten Grönwald, Schuhmacher seit 30 Jahren im Schanzenviertel. "Doch ein Schuh, der nicht reparaturfähig ist, ist in seiner Anschaffung einfach zu teuer." Ein vernünftig gebauter Schuh lässt sich reparieren und verspricht damit länger Freude. Wenn ein Stiefel nur 60 Euro kostet, die Reißverschlussreparatur aber 50 Euro, werfen ihn viele Leute eher weg und kaufen einen neuen Billigschuh. "Das haben auch meine Kunden verstanden", sagt er.

In Deutschland wurden gerade aufwendig 10 400 Füße von der "Initiative Passender Schuh" des Deutschen Schuhinstituts vermessen. Obwohl der Durchschnittsdeutsche größer und fülliger geworden ist, haben sich die Fußlängen kaum verändert. Nur breiter sind die Füße geworden. Die meistgetragenen Größen sind bei den Damen weiterhin 38 und 39, bei den Herren 42. Wegen der breiteren Füße wählen Menschen auffällig häufig eine Nummer größer. Die Folge: Drei Viertel aller vermessenen Männerfüße stecken in zu langen Schuhen. Bei den Frauen tragen 60 Prozent zu große Schuhe. Dadurch verändert sich der Gang, der Fuß kann nicht mehr abrollen, die Gelenke werden durch den Aufprall stärker belastet. Im schlimmsten Fall versteift der Vorfuß, warnen Orthopäden.

Manchmal werden orthopädische Komponenten geschickt verpackt und als modisches must-have angeboten, wie die MBTs (die Massai Barfoot Technology) beweisen. Diese Gesundheitsschuhe, die bei Knie- und Hüftschmerzen Wunder wirken sollen, sehen aus wie ultramoderne Sneaker. Sie werden inzwischen häufig von Geschäftsreisenden getragen.