Experten beklagen mangelndes Interesse älterer Arbeitnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen

Hamburg. Keiner kann sagen, er habe nichts gewusst. Die Experten warnen vor dem demografischen Wandel und den sich daraus ergebenden negativen Folgen für den Arbeitsmarkt. Um diese Lücken zu schließen, müssten dringend jüngere Frauen, ausländische Fachkräfte und ältere Erwerbstätige mobilisiert werden. Doch Sozialwissenschaftler Professor Meinhard Miegel bezweifelt die Leistungswilligkeit der Best Ager. Mit Geld etwa seien sie kaum zu locken. "Das Versprechen von Wirtschaftswachstum und materieller Wohlstandsmehrung ist für ältere und alte Bevölkerungsteile in einer insgesamt materiell wohlhabenden Bevölkerung von geringer Faszination", erklärte er Anfang September bei den 3. Hamburger Dachgesprächen. Während Arbeitgeber vor allem die Frage der Leistungsfähigkeit Älterer diskutieren, betont Miegel deshalb: "Mindestens ebenso wichtig ist ihre Leistungswilligkeit."

Tatsächlich beobachtet Holger Höhr, Geschäftsführer HKBiS (Bildungs-Service der Handelskammer Hamburg): "Während am Anfang der Karriere noch ein großes Interesse an Weiterbildung besteht, sehen wir in unseren Seminaren nur wenige Teilnehmer der Generation 50plus." Deshalb sollten Personalverantwortliche ältere Mitarbeiter nicht nur allgemein für die Weiterbildung motivieren, "sondern individuell passende Angebote für sie finden. Mit dem Gießkannenprinzip wird diese Zielgruppe nicht mehr erreicht". Als Beispiele aus dem HKBiS-Angebot nennt er den "Führungs-Workshop PLUS", eine zweitägige Weiterbildung für erfahrene Führungskräfte sowie ein neues Angebot, "Demografieorientiertes Personalmanagement", das für April 2012 geplant ist.

Spezielle Weiterbildungsangebote, die zum Beispiel die Formulierung "Best Ager" im Titel führen, hält Höhr hingegen für wenig zielführend. "Eine zu große Kundensegmentierung ist problematisch. Dabei steigt die Gefahr, dass das Angebot nicht zustande kommt." In der Tat hat kürzlich das Institut für Weiterbildung an der Universität Hamburg ein zweitägiges Angebot "Best Ager - Motivation und Erfolgskurs für die Besten Jahre" absagen müssen - mangels Interesse. Die dreitägige Weiterbildung "Demografischer Wandel. Herausforderung für das betriebliche (Gesundheits-)Management" hingegen hat gute Chancen, im März kommenden Jahres zustande zu kommen.

Herrscht unter der Generation "50plus" also das Gefühl vor, bereits alles zu wissen und somit keinen Bedarf an Weiterbildung zu haben? Tatsächlich ersetzt jahrelange Berufserfahrung so manches Kommunikations- oder Verkaufsstrategie-Seminar. Doch zumindest im technischen Umfeld müsste ein gewisses Interesse bestehen. Soziale Netzwerke etwa werden maßgeblich von Jüngeren genutzt. "Um hier nicht den Anschluss zu verlieren, wäre das Angebot ,Facebook: Professionell in PR und Marketing einsetzen' gerade auch Best Agern zu empfehlen", sagt Nicole Happ von Anbieter "news aktuell". Immerhin nimmt der Einfluss der digitalen Welt zu, in Berlin hat die Piratenpartei den Sprung ins Landesparlament geschafft. Diese Entwicklung komplett zu ignorieren könnte zum Karrierehemmnis werden.

Wer gar vor dem zeitweiligen Karriere-Aus steht, findet Hilfe bei der Agentur für Arbeit Hamburg. "Eine Altersbegrenzung für Weiterbildungsmaßnahmen gibt es nicht", betont Vermittlerin Doris Kahl. Allerdings müsse die Maßnahme die Chancen auf eine Anstellung verbessern. Wie etwa das achtwöchige Intensiv-Seminar zum Europäischen Computerführerschein für einen 59 Jahre alten Augenoptiker. "Nachdem er die letzten fünf Jahre seine Eltern betreut hat, möchte er nun wieder Fuß fassen, stellt jedoch fest, dass sich die Arbeitsumgebung verändert hat. PC-Erfahrung ist nun grundlegende Voraussetzung." Kahl erlebt das oft. Gerade ältere Kunden haben während ihres jahrzehntelangen Arbeitslebens Positionen besetzt, die keinen Computereinsatz erforderten - und wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren, stehen sie ohne diese heute selbstverständliche Qualifikation da.

Wer sich in einer ähnlichen Situation agenturunabhängig fit machen möchte, ist bei CeBB richtig. Das Centrum Bildung und Beruf bietet kostenlose berufliche Beratung, Qualifizierung und Vermittlung für Menschen ab 40 Jahren. Ein- bis mehrtägige Kurse wie 'Büro-Organisation mit Outlook', 'Präsentationen mit Powerpoint' oder auch 'Englisch für Anfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene' können sich Interessierte im Selbstlernzentrum via E-Learning erarbeiten.

Dass gerade Ältere ihren Unternehmen noch viel zu geben haben, betont Arbeitsagenturleiter Sönke Fock. "Wir sprechen von erfahrenen und gesundheitlich durchaus stabilen Mitarbeitern, die maßgeblich zu einer guten Unternehmensbilanz beitragen." Als Beispiel nennt er das Thema Teambildung. "Hier bringt die Generation 50plus Altersautorität mit, die auf fachlicher Qualifikation beruht und an der sich die Jüngeren gern orientieren."

Sönke Fock feiert im November seinen 50. Geburtstag und damit den Eintritt in die Best-Ager-Gemeinschaft. Was tut er in Sachen Weiterbildung? "Vergangenes Wochenende war ich bei einem zweitägigen Seminar, bei dem es um die Umsetzung eines verbesserten Gesundheitsverhaltens im Berufsalltag ging - mit dem Titel 'Fit for Business'."

wis.ihk.de

www.wiso.uni-hamburg.de/weiterbildung

www.media-workshop.de

www.cebb-hamburg.de