Beim kostenlosen Check-up, Gespräche und körperliche Untersuchung, können Mediziner Risiken und ernsthafte Erkrankungen frühzeitig erkennen.

Hamburg. "Kerngesunde Menschen Mitte 30 denken nicht an den Arzt", sagt Stephan Hofmeister, Allgemeinmediziner und Hausarzt aus Hamburg. Dabei haben alle gesetzlich Versicherten ab dem Alter von 35 Jahren Anspruch zu einer Früherkennungsuntersuchung, dem Check-up 35 - und das, bevor gesundheitliche Beschwerden auftreten. Alle zwei Jahre kann dieser "Gesundheits-TÜV" wiederholt werden. "Vergleichsweise junge Leute kommen aber in der Regel nur zu diesem Check-up, wenn sie Kinder bekommen oder einen hohen Kredit für einen Hausbau aufnehmen wollen, und Männer kommen oft, weil ihre Partnerin sie schickt", berichtet Hofmeister aus der Praxis. Zahlen aus Niedersachsen zeigen, dass nur 26 Prozent der berechtigten Frauen und 27 Prozent der Männer das Angebot nutzen. "In Hamburg dürfte die Zahl in etwa genauso liegen." Doch was verbirgt sich hinter diesem Check-up 35, der zu den sogenannten Vorsorge- oder Früherkennungsuntersuchungen gehört?

"Die Untersuchung ist genau definiert", sagt Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Neben einem ausführlichen Gespräch über Vorerkrankungen, Lebensführung und Krankheiten in der Familie gehört eine körperliche Untersuchung mit dem Abhorchen von Lunge und Herz dazu. Der Arzt tastet auch, ob der Patient vergrößerte Lymphknoten, eine zu große Schilddrüse oder vergrößerte Organe im Bauchraum hat. Auch das Gewicht wird ermittelt und der Blutdruck gemessen. Eine Blutprobe gehört ebenfalls dazu, zwei Werte werden bestimmt: der Blutzuckerwert Glucose und der Blutfettwert Gesamt-Cholesterin. "Diese können Hinweise auf Erkrankungen wie Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen geben und gelten bei erhöhten Werten als Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen." Eine Urinprobe wird auf Eiweiß, Blut, Glukose und Nitrit untersucht - damit sollen Anzeichen auf Harnwegserkrankungen oder Diabetes geliefert werden.

Der Gesamtcholesterin-Wert sollte nicht über 200 mg/dl liegen, der Blutglucose-Wert nüchtern unter 110 mg/dl (unter 6,1 mmol/l). Ein Blutdruck von 140 zu 90 mmHg oder höher über mehrere Tage gilt als Bluthochdruck, die Werte können auch einzeln erhöht sein, auffällig wäre also auch 130 zu 100 mmHg.

Für den Check-up 35 nutzt Hofmeister nur widerwillig den Begriff Vorsorgeuntersuchung, der immer wieder in diesem Zusammenhang fällt. "Eigentlich ist es eher eine Bestandsaufnahme des Gesundheitszustandes, mit dem man arbeiten kann. Zieht der Patient aus den Ratschlägen seines Arztes Konsequenzen, nimmt beispielsweise ab und macht mehr Sport, dann kann man von Vorsorge sprechen."

Laut Bundesgesundheitsministerium werden beim Check-up 35 bei etwa jedem zweiten Teilnehmer eine Erkrankung oder Risikofaktoren festgestellt, die bis dahin noch nicht bekannt waren. Hofmeister mahnt zu einem genauen Blick auf diese Zahlen. "Es kann ja zum Beispiel sein, dass Menschen, die sich eher nicht so wohl in ihrer Haut fühlen, den Check-up nutzen - dann ist es natürlich wahrscheinlicher, dass man etwas findet."

Über breit angelegte Gesundheitsscreenings, ihren wirtschaftlichen Nutzen und ihre Aussagekraft für die Prognose des Einzelnen wird viel diskutiert. Führt eine frühe Diagnose und Behandlung wirklich zu besseren Ergebnissen? Oder hat der Patient unnötig länger Sorgen? Wissenschaftliche Auseinandersetzungen gibt es auch darüber, welche Marker sich für eine Früherkennungsuntersuchung eignen, beispielsweise was Cholesterin angeht.

Das Gesamt-Cholesterin setzt sich zusammen aus dem LDL- und HDL-Cholesterin, die beide unterschiedlich wirken. Während LDL als schlecht gilt, sich in den Gefäßwänden "festsetzt" und so bei einer Arteriosklerose mitwirken kann, kann HDL schützend auf die Gefäße wirken, sagen Experten. Es gibt daher Plädoyers dafür, diese beiden Einzelwerte in das Screening aufzunehmen, weil sie zusammen mehr Aussagekraft haben.

Diskussionen gibt es laut dem Hausarzt auch immer wieder, ob nicht doch ein EKG zur Beurteilung des Herzens zur Untersuchung gehören sollte. "Dies war früher der Fall. Aber man kann aus einem Ruhe-EKG, das wenige Minuten Herzaktivität aufzeichnet, keine Aussagen über einen möglichen Herzinfarkt am nächsten Tag machen." Ein Belastungs-EKG wäre da aus Hofmeisters Sicht hilfreicher. "Schafft ein 40-Jähriger dabei nicht die altersentsprechende Leistung, dann kann man mit ihm besprechen, warum das so ist." Doch ein Belastungs-EKG sei aufwendig und teurer.

Einen gesammelten Endwert, etwa einen Risikoscore mit Prozentangaben für ein Krankheitsrisiko, existiert für den Check-up 35 nicht. Es gibt jedoch jeweils für die Abschätzung des Diabetes- und des Herzinfarkt-Risikos Fragebögen, die auch für Laien im Internet zugänglich sind: der PROCAM-Test für das Herzinfarkt-Risiko sowie der Deutsche Diabetes-Risiko-Test. Bei beiden Tests wird darauf hingewiesen, dass sie nicht den Besuch beim Arzt ersetzen können.

Laut Kassenärztlicher Vereinigung wird diese Untersuchung von Hamburgern pro Quartal rund 65 500-mal in Anspruch genommen. Nach Angaben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen nahmen 2008 bundesweit rund 9,5 Millionen Versicherte am Check-up 35 teil, 2009 knapp 12 Millionen Menschen.

"Der Check-up 35 ist eine Chance, Risikofaktoren für Krankheiten auszuschalten. Was der Patient mit den Ergebnissen macht - darauf hat der Arzt weniger Einfluss als gewünscht", sagt Hofmeister. "Es steht dann in der Macht des Patienten, Krankheiten vorzubeugen."