Jeder Zehnte fürchtet den Gang zum Zahnarzt, manche entwicklen große Ängste. Hypnose, Lachgas und Anästhesie sind Wege aus der Angst

Der Termin beim Zahnarzt löst selten Freude aus. Es muss nicht einmal um eine Wurzelkanalbehandlung oder das Ziehen von Weisheitszähnen gehen. Zumindest Unsicherheit und Anspannung verbindet fast jeder mit dem Gang zum Dentisten. Manche Menschen jedoch hindert ihre Angst so stark, dass sie selbst bei Beschwerden den Zahnarzt meiden. Stattdessen hoffen sie, dass die Schmerzen aufhören. Aber damit beginnt meist eine Negativspirale, denn sie verpassen den Zeitpunkt, bei dem eine Behandlung noch ohne großen Aufwand und Zeiteinsatz möglich ist. Überdies wird die Angst vor der Behandlung immer größer.

"Etwa jeden Zehnten plagen große Ängste. Das ist eine uralte Angst, die auch etwas mit dem Ausgeliefertsein auf dem Behandlungsstuhl zu tun hat", sagt der Zahnarzt und Kieferchirurg Bernhard Brinkmann. Frühere Namen seiner Zunft wie Zahnreißer und martialische Beschreibungen der Tätigkeit hätten das Grauen noch verstärkt.

Brinkmann und sein Team aus Zahnärzten, -technikern und -assistenten behandeln in der Klinik am ABC-Bogen häufig Angstpatienten. "Wir nehmen uns viel Zeit für ein Erstgespräch, bei dem nicht behandelt, sondern die Beschwerden und Möglichkeiten der Behandlung besprochen werden", sagt der Fachmann. Dieses Gespräch kann bis zu einer Stunde dauern. "Es geht darum, das Vertrauen des Patienten zu gewinnen und ihm zu vermitteln, dass er ohne Angst behandelt werden kann."

Eine gute und risikoarme Methode sei die intravenöse Anästhesie - den Begriff Vollnarkose verwendet Brinkmann ungern, da dieser wiederum häufig angstbesetzt sei. "Der Patient sowie seine Herz- Kreislauffunktionen werden die ganze Zeit von einem Anästhesisten überwacht und genau eingestellt", sagt Brinkmann. Dies sei bei einer örtlichen Betäubung in der Regel nicht der Fall.

"Die intravenöse Anästhesie ist vom Kleinkind bis zum alten Menschen möglich. Komplettsanierungen der Zähne können mehrere Stunden dauern und sind ebenfalls kein Risiko", sagt der Zahnarzt. In wenigen Fällen wie bei schwerer Zuckerkrankheit müsse vor der Behandlung ein Internist hinzugezogen werden. Brinkmann: "Die intravenöse Anästhesie schadet nicht, sie ist eine risikoarme Möglichkeit, einen Angstpatienten zu behandeln."

Die Hamburger Zahnärztin Babette Klein ist Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und hat eine besonders schonende Operationsmethode entwickelt. Dazu verwendet sie ein spezielles Mikroskop und arbeitet mit einem Ultraschallmesser. Mit der neuen Technik schneidet sie ohne Knochenverlust. Ihr Ziel dabei ist, ein Trauma so klein wie möglich zu halten.

Babette Klein ist zudem Anästhesistin. Sie kombiniert Naturheilverfahren und Kieferchirurgie in einem ganzheitlichen Ansatz. Die Grundidee lautet: "An jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch." Die Ärztin hat eine spezielle Rezeptur gegen Schmerzen entwickelt, mit der sie auch Angstpatienten hilft. Bei ihnen verwendet Klein zur Entspannung vor einer Operation dieses homöopathische Mittel, ebenso wie zur Wundheilung.

Auch Hypnose kann bei Angstpatienten ein Weg sein. Der Patient wird in einen Trance versetzt, bleibt dabei jedoch ansprechbar. "Er ist nicht willenlos wie vielfach fälschlicherweise angenommen wird", sagt Gerd Eisentraut von der Zahnärztekammer Hamburg. Zunehmend setzen Zahnärzte zur Sedierung wieder Lachgas ein. Es wirke trotz gewisser Risiken beruhigend. Der Patient sei weiterhin ansprechbar, sagt Reiner Kern, Sprecher der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. "Es geht immer um die kleinstmögliche Beeinträchtigung des Patienten."

Ist die Angst pathologisch und liegt eine regelrechte Zahnarztphobie vor, ist diese therapiebedürftig. "Stellt ein Facharzt für Psychologie ein Attest aus, zahlen die Kassen bei einer Phobie und einer notwendigen Behandlung auch die Vollnarkose", sagt Kern. Bei einer schwächer ausgeprägten Angst können dagegen Entspannungstechniken, Musik während der Behandlung oder die Einnahme pflanzliche Beruhigungsmittel vor dem Zahnarztbesuch helfen.

Grundlage für eine angstfreie Behandlung ist eine Vertrauensbasis zum behandelnden Arzt, der sich die Zeit nimmt, über die Ängste zu sprechen und einzelne Schritte seiner Behandlung genau zu erklären. Dabei kann auch ein Zeichen vereinbart werden, bei Schmerzen sofort aufzuhören. "Es reicht, wenn der Patient dann seine Hand hebt", sagt Bernhard Brinkmann.