Das Handwerk des Bootsbauers ist attraktiv und sowohl für Amateure als auch Profis erlernbar. Drei Beispiele

Hamburg. Von der Chemikerin zur Bootsbaumeisterin, vom Archäologen zum Bootsbauexperten, vom Schulabsolventen zum Bootsbaugesellen - der Bau von Booten ist so faszinierend, dass er manche Menschen von ihrem beruflichen Kurs abbringt. So auch Ursula Latus. Die Bootsbaumeisterin gründete ihr Unternehmen Boot-Workshop in Peenemünde auf der Insel Usedom 2006. Hier können auch Anfänger ihr eigenes Boot bauen oder reparieren sowie in kleinen Gruppen das Takeln erlernen.

Das 300 Quadratmeter große Werkstattgebäude und über 4000 Quadratmeter Freifläche bieten Platz für die Projekte von Individualisten, Paaren, Familien, Schulklassen oder Jugendgruppen. Hier entstehen in überschaubaren Abschnitten Kanus (ab 1300 Euro), Kajaks (ab 1800 Euro) und Dinghis (ab 1450 Euro).

Neben der Reparatur von Holzbooten und der Selbsthilfewerkstatt ist der Bootsbau unter Aufsicht die jüngste kreative Idee der Schule am nordwestlichsten Ende Usedoms mit ihrer dynamischen Chefin. Die studierte Chemikerin blickt auf zehn Jahre Erfahrung in einem Holzbootsbaubetrieb zurück, fertigte Beiboote, Decksauf- und Innenausbauten für Super-Yachten und leistete Takler-Arbeiten an der "Gorch Fock", der "Sea Cloud II" und der "Cisne Branco". Ihr Meisterstück zur entsprechenden Prüfung ist ein aus Eiche geklinkertes Dinghi, das als Beiboot das Heck der "Dagmar Aaen" vom Expeditionssegler Arved Fuchs ziert.

"Zu uns kommen viele Menschen, die nach einem Ausgleich zum Büroalltag suchen, etwas mit eigenen Händen erschaffen oder mit ihren Kindern gemeinsam bauen wollen", erklärt Ursula Latus das Phänomen ihres inzwischen gut ausgelasteten Boot-Workshops. Ihren Kunden empfiehlt sie meist einen zweiwöchigen Urlaub. Die Bauzeit beträgt zwar in der Regel nur acht bis zehn Tage, aber: "Gerade Kinder brauchen auch Pausen, damit sie neue Motivation tanken können. Und das am besten an einem der Strände der Umgebung oder beim Besuch nahe gelegener Museen, historischer Stätten und Naturschutzgebieten."

Über seinen Beruf als Archäologe und seine Leidenschaft für historische Wikingerschiffe und Koggen kam Barnim Rödiger auf die Idee zu seinem Unternehmen Build a Boat in Milow in Uckerland. Er brachte sich den Bootsbau selbst bei und hat mit seinen Feriengästen schon mehr als 20 Boote gefertigt. Auf einem Gutshof befinden sich eine Ferienwohnung und die beheizbare Werkstatt. Ab 2000 Euro kostet die Woche Urlaub samt Bau eines kleinen Dinghis. Rödigers Credo: "Mit den eigenen Händen ein Boot zu bauen ist Balsam für die Seele."

Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Selbstbau-Werkstatt im bayerischen Gröbenzell. Hier entstehen in acht bis zehn Tagen Kanus in Sperrholzbauweise, aber auch größere Boote wie Norwalk Island Sharpies in mehreren Hundert Arbeitsstunden. EDV-Kaufmann Mathias Gummert leitet die Werkstatt nebenberuflich, steht Anfängern mit Material, Rat und Tat zur Seite und sagt: "Jeder mit ein wenig handwerklichem Geschick kann sein Boot selber bauen!"

Wer das Hobby zum Beruf machen möchte, dem wird als Bootsbauer eine umfassende Ausbildung geboten. Zurzeit erlernen deutschlandweit 525 Bootsbaulehrlinge in etwa 120 Ausbildungsstätten das vielseitige Handwerk. "Der Beruf ist nach wie vor absolut attraktiv", sagt Peter Kramarczyk, Geschäftsführer der Landesinnung Bootsbau in Schleswig-Holstein, "das hängt auch mit der Vielfalt der Materialien zusammen, die im Bootsbau eine Rolle spielen." Dazu zählen Kunststoffe, Holz und Metalle. Zwar bewegen sich die Lehrlingsgehälter mit rund 325 Euro im Einstiegsjahr bis zu etwa 525 Euro im letzten Jahr der dreieinhalbjährigen Ausbildung eher im durchschnittlichen Bereich, doch sind die Chancen einer Anschlussbeschäftigung sehr vielfältig. "Arbeitslosigkeit kennen wir nicht", sagt Kramarczyk.

Fluktuation dagegen schon. Das Problem der Bootsbaubranche ist zugleich die Chance der Berufseinsteiger: Windkraftanlagen-Unternehmen, Airbus oder auch Betriebe in Dänemark werben um Bootsbauer. Zu den wichtigsten Voraussetzungen, so Claus-Ehltert Meyer, Geschäftsführer des Deutschen Boots- und Schiffbauerverbandes (DBSV), zählt "die Fähigkeit zum abstrakten Denken". Laut Meyer gibt es im Bootsbau "kaum rechte Winkel, sondern viele geschwungene Flächen und Linien, die beherrscht werden wollen".

Noch in diesem Jahr wird die Branche mit einer neuen Ausbildungsverordnung durchstarten, nach der die Ausbildung nach den ersten beiden Jahren entweder mit dem bisherigen Schwerpunkt Bootsbau oder dem neuen Schwerpunkt Technik fortgesetzt werden kann. Das ist die Antwort der Experten auf den in den Sportboothäfen gestiegenen Bedarf an Service, Refit und Reparaturen. "Dabei geht es um Einsätze in der Peripherie technischer Anlagen, Hand in Hand mit den auch weiterhin tätigen Fachgewerken", erklärt Peter Kramarczyk.

Die neue Verordnung greift voraussichtlich ab 1. August und eröffnet den Lehrlingen einen noch fruchtbareren Boden, auf dem auch Ideen wie die von Ursula Latus gut gedeihen können. Ihr Betrieb ist auch Peter Kramarczyk gut bekannt: "Frau Latus kann stolz auf ihre Ausbildung sein. Ihr Lehrling Urte Rätsch hat bei der Bootsbauer-Gesellenprüfung im Januar als Beste von 65 Prüfungsteilnehmern - darunter nur vier Mädchen - mit der Note "Gut" im Praktischen und Theoretischen abgeschlossen.