Alte Meister, moderne Kunst oder Bücher - Auktionen sind Events und bei jüngeren Käufern immer beliebter. Experten verraten, was zu beachten ist

Die Summe für das nächste Gebot klingt gewaltig und ist sechsstellig: 210 000 Euro für das Los mit der Nummer elf, eine Weltchronik aus dem Jahr 1493. Christian Höflich, 53, Antiquar und Mitarbeiter des Auktionshauses Ketterer, erinnert sich noch gut an jenen Novemberabend, an dem die Luft im Auktionssaal zu knistern scheint: 70 Interessenten bieten im Saal, einige halten die Bieterkarten nach oben, andere, die Stammkunden, haben ihre eigenen Signale, heben nur den Zeigefinger oder nicken, um mitzugehen.

Parallel zum Gefecht unter den Bietern bedienen Christian Höflich und seine Kollegen zusätzlich 14 Telefone, über die sie von Interessenten externe Gebote erhalten. Die große Nachfrage bringt das Auktionshaus Ketterer an diesem Abend an die Grenzen seiner Kapazität. Überraschend war das Ergebnis: "Der Zuschlag für die Chronik lag bei 220 000 Euro. Das war ein kleines Wunder, denn wir hatten mit höchstens 150 000 Euro gerechnet", sagt Höflich, der Experte für antiquarische Bücher ist.

Orte, an denen solche kleinen Wunder geschehen, gibt es in Hamburg nur noch eine Handvoll. Mehrere Traditionshäuser haben in den letzten Jahren geschlossen, etwa das Auktionshaus Schopmann, das zu einem der ältesten in Deutschland überhaupt gehörte. "Kunstmarkt und Auktionshäuser sind in Hamburg im Vergleich zu anderen Städten sicherlich unterrepräsentiert", sagt Markus Eisenbeis, 42, Vize-Präsident des Bundesverbands deutscher Kunstversteigerer (BDK).

Dennoch, auch in der Hansestadt bietet das Geschäft mit dem Hammer viel Potenzial. Ob es um ein geerbtes Gemälde geht, um Schmuckstücke, Silber oder Porzellan, ob Picasso oder Standardwerk, in Hamburg gibt es durchaus Perlen unter den Auktionshäusern, die mit ihrer Expertise sowohl dem versierten Sammler als auch dem Laien zur Seite stehen.

"Auf dem Kunstmarkt zeichnet sich gerade ein klarer Trend hin zu Auktionen ab. Das dürfte einerseits dem Eventcharakter der Veranstaltungen zu verdanken sein, andererseits ist auch die Transparenz des Geschäfts ein großer Vorteil", erklärt BDK-Vizepräsident Eisenbeis. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass sich der Preis des Kunstobjekts während der Auktion in der Regel selbst reguliert und sich somit auf einem angemessenen Niveau einpendelt. Das kommt vor allem dem Nichtkundigen zugute. Wer ein Erbstück versteigern lassen möchte, sollte dennoch das Grundvokabular des Auktionswesens beherrschen und das Prozedere kennen, das zum Hammerschlag führt.

"Für eine erste Einschätzung des Werkes reicht ein Foto per E-Mail aus", sagt Désirée Preiss, 47, Mitarbeiterin bei Hauswedell & Nolte. Das große Auktionshaus pflegt vom Alten Meister bis zur modernen Kunst ein breites Angebot. Die meisten Auktionshäuser bieten außerdem eine kostenlose Beurteilung des jeweiligen Objekts an. Gleichsam prüfen die Schätzer häufig auch zu Hause. Handelt es sich nicht um Einzelstücke, sondern um eine größere Sammlung, empfiehlt es sich, einen unabhängigen Kunstschätzer zu sich nach Hause zu bestellen. Dessen Dienste kosten ab etwa 60 Euro pro Stunde.

Wenn der Verkäufer mit dem Preis einverstanden ist, wird ein Vertrag mit dem Auktionshaus geschlossen. Das Auktionshaus nimmt die Ware dann in Kommission und in seinen Katalog auf, in dem der Kunstgegenstand unter einer Losnummer und dem vereinbarten Limitpreis, dem Mindestpreis, für die nächste Auktion geführt wird. Ganz grob gilt für die Preise die Faustregel: Der Schätzwert liegt etwa bei der Hälfte des sogenannten Wiederbeschaffungswertes. Das ist der Preis, den man beispielsweise für ein Goldarmband beim Juwelier bezahlt, während der Limitpreis - der Mindestpreis, bei dem die Auktion startet - nochmals die Hälfte davon ausmacht.

"Sollte es zu keinem Zuschlag kommen, bieten wir wie alle klassischen Häuser einen dreiwöchigen Freiverkauf an, bei dem die Stücke für den Limitpreis zu erwerben sind", erklärt Preiss. Doch dies stellt eher die Ausnahme dar, denn der Großteil der feilgebotenen Gegenstände kommt unter den Hammer. Der Verkäufer, der sogenannte Einlieferer, streicht den Großteil der Kaufsumme ein.

Einen bestimmten Prozentsatz behält das Auktionshaus als Provision, das wird als Abgeld bezeichnet. Dieses liegt bei Kunstversteigerungen in der Regel bei ungefähr 20 Prozent. Andererseits zahlt auch der Käufer einen Aufpreis, das Aufgeld, das sich von Haus zu Haus unterscheidet.

Dass der Zuschlag für ein Kunstwerk keineswegs zwangsläufig im fünfstelligen Bereich liegen muss, zeigt etwa das Haus Ketterer Kunst, das auf seltene und wertvolle Bücher spezialisiert ist. "Wir haben auch Werke im Katalog, die zwischen 200 und 300 Euro liegen", sagt der Buchexperte Höflich. Damit wolle man vor allem eine neue und jüngere Klientel anlocken.

Der Experte warnt zudem vor verfrühter Euphorie. "Wer im Nachlass oder auf dem Dachboden eine wertvoll anmutende Bibel entdeckt, sollte nicht zu viel erwarten. Wegen der hohen Auflage müsste das Buch der Bücher wohl mindestens 300 Jahre alt sein, um für den Markt interessant zu sein."

Die Macht des Marktes kennt auch Thole Rotermund, 43. Als Kunsthändler kommt er zwar gewissermaßen von der Konkurrenz, hat aber einen distanzierten Blick auf das Marktgeschehen. "Als Käufer sollte man sich eine Nische suchen, als Verkäufer den Mainstream nutzen", bringt er das Auktionsgeschäft auf eine praktische Formel.

Rotermund rät Interessenten dazu, mehrere Häuser anzuschauen und womöglich eine größere Sammlung auch auf verschiedene Auktionshäuser zu verteilen, je nachdem wo die Schwerpunkte liegen. Indes solle sich der Verkäufer nicht nur an der Höhe des Preises orientieren, mit dem das Haus in die Auktion startet, und davon ködern lassen. Denn: "Häufig bieten gerade bei niedrig angesetzten Schätzpreisen viele Interessenten mit und treiben damit den Preis hoch", sagt Rotermund.

Da jeder an einer Auktion teilnehmen darf, der Interesse hat, kann sich der Saal in solchen Fällen schnell füllen. Es gibt drei Varianten, um mitzubieten: persönlich vor Ort, via Telefon oder schriftlich per Brief. "Wer sich bei uns mit seinem Personalausweis registriert, bekommt eine Bieternummer. Im Fall eines telefonischen oder schriftlichen Bietens verlangen wir darüber hinaus die Kreditkarte oder die Referenz eines anderen Auktionshauses", sagt Michael Kerle, 49, vom Auktionshaus Stahl. Im Jahr werden hier fünf Versteigerungen veranstaltet, bei denen am Tag rund 1000 Artikel verauktioniert werden. Kerle ist zuversichtlich, was den Auktionsmarkt betrifft, denn "das Interesse steigt vor allem bei jüngeren Käufern". Neulich habe zum Beispiel ein bekannter deutscher Rapper ein Gemälde ersteigert.

Was ist der höchste Wert im Auktionsgeschäft? "Das Vertrauen", sagt der Experte. Auch Kerle erlebt immer wieder kleine Wunder. Zum Beispiel bei jenem Kunden, der unwissend ein Gemälde einlieferte, das zunächst auf 600 Euro geschätzt wurde. "Bei der genaueren Recherche stellte sich heraus, dass es sich um ein Werk des Russen Richard Karlovich Zommer handelte", sagt der Malerei-Fachmann. Es ging für 6000 Euro ins Rennen - und kam für 43 000 Euro unter den Hammer.