Wir lernen für das Leben? Stimmt das wirklich? Vier Hamburger Abiturienten sprechen über ihre Erfahrungen und Zukunftspläne

Hamburg. Das große Abenteuer Leben wartet auf sie. Ihnen steht die Welt offen. Die vier Abiturienten sind noch keine zwanzig und haben ein richtig gutes Abi zwischen 1,1 und 2,1 in der Tasche. Mit ihren starken Abschlussnoten sind sie sicher nicht repräsentativ - aber ihre Aussagen werfen vielleicht ein Schlaglicht auf das Denken der aktuellen Abi-Generation kurz vorm Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt. Was planen die vier für ihre Zukunft?

Hamburger Abendblatt:

Gratulation zum gelungenen Abitur! Und was folgt jetzt? Wie sehen eure Ideen, Vorstellungen oder Träume aus - oder gibt schon ganz konkrete Pläne?

Martin Hinz:

Bei mir folgt ein Duales Studium der Wirtschaftsinformatik bei Lufthansa. Das Thema IT hat mich schon immer interessiert, aber allein wäre mir das zu theoretisch gewesen. In Kombination mit Wirtschaft jedoch ist man stärker in der Praxis verhaftet. Ursprünglich sollte es noch praktischer werden, ich wollte Pilot werden. Aber mit Brille ging das leider bei mir nicht.

Katharina Bartsch:

Wenn ich das nur genau wüsste. Ich stecke noch mitten im Bewerbungsstress. Ich suche noch einen Ausbildungsplatz für ein Duales Studium im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen.

Sophia Mannherz:

Ich möchte im Grunde zur Bühne, aber das muss noch warten. Erst einmal werde ich jetzt Philosophie studieren. Da habe ich als Juniorstudentin schon mal reingeschnuppert und will das jetzt regulär fortsetzen.

Konstantin Möbus:

Das klingt jetzt vielleicht merkwürdig, aber ich will auch zur Bühne. Und ich starte ebenfalls nicht gleich in diese Richtung. Erst mal folgt bei mir ein freiwilliges soziales Jahr als Hockey-Trainer. Ich trainiere schon jahrelang eine Mädchenmannschaft, und da ist mir das FSJ angeboten worden - da kann man doch nicht Nein sagen.

Aber anschließend wird die Schauspielkarriere in Angriff genommen?

Konstantin:

Und ob. Letztes Jahr habe ich mir überlegt, wo es hingehen soll, um mit der Planung loslegen zu können. Wenn alles optimal läuft, nehmen sie mich an der Royal Academy of Dramatic Art (RADA) in London. Deren Absolventen haben beste Chancen auf anschließende Engagements. In diesem Idealfall habe ich zukünftig auf der Bühne richtig Spaß und verdiene im Film richtig Geld.

Gibt es auch einen Plan B?

Konstantin:

Es gibt ein ganzes "Worst-Case"-Szenario: Sollte ich an der RADA abgelehnt werden, beginne ich ein Philosophie-Studium in Cambridge und strecke nebenbei weiter die Fühler in Richtung Theater aus. Sollte ich auch in Cambridge nicht genommen werden, probiere ich es mit einer Bewerbung an einer staatlichen Hamburger Theaterschule und klappt auch das nicht, nehme ich wieder den Hockeyschläger in die Hand.

Für eine Schauspielkarriere hättet ihr jetzt kein Abitur gebraucht, nur als Beispiel. Warum habt ihr euch für das Abitur entschieden statt für einen frühen Berufseinstieg?

Martin:

Ich war seit der 5. Klasse auf dem Gymnasium, da lief alles ganz natürlich auf das Abitur hinaus.

Katharina:

Meine Noten waren immer gut, abgehen stand somit einfach nicht zur Debatte.

Sophia:

Und um zur Uni gehen zu können, ist Abi nun mal immer noch die Eintrittskarte Nr. 1.

Was haben euch eure Leistungskurse gebracht - zwei von euch haben zum Beispiel Englisch gewählt. Wie steht es mit euren Sprachkenntnissen?

Sophia:

In Englisch auf jeden Fall sehr gut. Das spreche ich flüssig, würde ich sagen.

Martin:

Mit Englisch geht es mir ähnlich. Von den drei Jahren Französischunterricht ist jedoch nicht mehr so viel präsent. Wenn ich da noch drei Sätze zusammen bringe, bin ich glücklich. Dafür hatte ich vier Jahre Latein, Fremdwörter sind jetzt kein Problem mehr für mich.

Katharina:

(lacht) "Ich hatte nicht nur von der 5. bis zur 12. Klasse Latein, ich hatte auch noch Altgriechisch - jetzt gibt es wirklich kaum noch ein Fremdwort, das ich mir nicht erklären kann.

Konstantin:

Auf Spanisch kann ich mich verständigen, mein Französisch dagegen ist auch eher eingerostet. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, drei Tage vor Ort, und alles ist wieder da. Also kein Problem!

Gibt es Reisepläne, bei denen euch eure Sprachkenntnisse zugute kommen werden? Viele Abiturienten gönnen sich nach getaner Arbeit erst einmal eine längere Auszeit. Wie ist das bei euch?

Martin:

Reisepläne ja, Fremdsprachenkenntnisse sind da jedoch nicht erforderlich. Eine Reise mit einem VW-Bus quer durch Deutschland ist geplant.

Sophia:

Die Planungen laufen, allerdings dauert es noch etwas mit meiner Reise: Im Sommer 2011 will ich in den Semesterferien für zwei oder drei Monate mit dem Fahrrad ans Nordkap.

Konstantin:

Das FSJ ist ja eine Art Auszeit, wobei ich da wohl richtig werde arbeiten müssen ... Aber das ist auch okay, das ziehe ich voll durch und freue mich auch schon darauf!

Vor dem glücklichen Schul-Ende stand der Prüfungsstress - war es schlimm?

Sophia:

Eigentlich fand ich die Prüfungen gar nicht so stressig ...

Konstantin:

Bei mir ist angesichts der Prüfungen sogar noch mal richtig der Ehrgeiz erwacht. So nach dem Motto: Im Endspurt gebe ich noch mal richtig Gas.

Katharina:

Und die Prüfungsvorbereitungen haben noch einen Schub hin zum eigenständigen Lernen gebracht. Sich selbst zu organisieren und zu disziplinieren ist schon etwas anderes als das Lernen für die Klausuren zuvor. Das lief manchmal eher so nebenher.

Wenn ihr an die letzten Jahre zurückdenkt, was ist euch vor allem im Gedächtnis geblieben?

Katharina:

Bei mir ist die Lust an Physik erwacht. Wir hatten einen sehr engagierten Physiklehrer, der uns mit seiner Begeisterung richtig mitgerissen hat. Und das, obwohl ich eigentlich in der 9. Klasse etwas den Anschluss verloren hatte. Ich musste ziemlich arbeiten, um das wieder aufzuholen. Damals hätte ich mir kaum vorstellen können, damit mal etwas beruflich zu tun zu haben - im Wirtschaftsingenieurwesen braucht man ja auch Physik - aber dann hat es so viel Spaß gemacht, es war einfach klasse.

Martin:

Mir wird der Doppel-Abitur-Jahrgang im Gedächtnis bleiben. Dadurch wurden die Kurse größer, und es kamen unterschiedliche Lerngewohnheiten zusammen. Wir hatten mit 13 Jahren ausreichend Zeit, um den Stoff zu lernen und zu reflektieren. Wir wurden aufgefordert, alles zu hinterfragen. Bei denjenigen, die erstmals in 12 Jahren zum Abitur gepeitscht wurden, schien eher das Motto zu herrschen: Lernt auswendig, fürs Hinterfragen haben wir keine Zeit! Und diese unterschiedlichen Haltungen prallten dann in einigen Kursen aufeinander.

Katharina:

Die Altersspanne war auch ziemlich groß. Es gab einige, die erst 16 oder 17 Jahre alt waren, und ein anderer war schon 20, da wird schon ein Unterschied im Denken und schlicht auch in der Reife spürbar.

Was meint ihr, bringt euch die Zukunft - seid ihr positiv oder eher skeptisch gestimmt?

Katharina:

Grundsätzlich bin ich ein optimistischer Mensch, und immerhin habe ich ein Abi von 1,1 geschafft. Was die Schule angeht, hätte es also kaum besser laufen können. Nur dass es jetzt nicht so recht weitergeht, macht mir etwas zu schaffen. Wenn ich noch nicht mal mit einem Vor-Abi-Schnitt von 0,8 zum Bewerbungsgespräch geladen werde - was soll ich denn dann noch machen? Aber o.k., grundsätzlich habe ich auch etwas spät begonnen, mich richtig intensiv zu bewerben ...

Sophia:

Ich hoffe das Beste und plane für das Schlechte. Ich habe Träume und weiß, dass ich dafür einiges an Arbeit investieren muss. Aber ich glaube schon, dass ich einige Träume werde realisieren können. Und darauf freue mich!

Martin:

Ich habe ein Einser-Abi, einen Ausbildungsplatz mit anschließender Verpflichtung auf zwei Jahre, und dann werde ich bereits meinen Bachelor in der Tasche haben - ich sehe positiv in die Zukunft.

Konstantin:

Es wird fantastisch! Es gibt eine Theorie über Glück, die besagt: Man muss für sein Glück offen sein, dann hat man sehr gute Chancen, es auch zu finden. Also gehe ich nun total heiß in mein nächstes aufregendes Jahr. Und dann folgt das nächste große Abenteuer, und so fort!