Im Binnenhafen entwickelt sich ein Miteinander aus Wohnquartieren, Gewerbe und Wassersport

"Früher konnte man eine weiße Yacht hier nicht hinlegen - nach einer Woche war sie grau, vom Staub der Schrottplätze. Und es stank immer nach Fischmehl. Heute hat sich der Wassersport breitgemacht", sagt Jan Horn, 44, der seit 1991 im Harburger Binnenhafen lebt. Zusammen mit dem NDR-Journalisten Werner Pfeifer, 51, der das industrielle Kleinod hinter der Schleuse zur Süderelbe 1995 besiedelte, beobachtet Horn die Wandlung des Hafens vom hässlichen Entchen zum stolzen Schwan.

Während Pfeifer kurz nach der Geburt seiner Tochter Jula vor 13 Jahren einen festen Wohnort an Land vorzog, gehört Horn mit Frau und Sohn Swante, 14, zu der gut 20-köpfigen Gemeinschaft, die auf Schiffen wohnt und den Hafen auch im Winter belebt. "Jetzt ist es hier angenehm ruhig", sagt der gelernte Werkzeugmacher, der bei der Lufthansa-Werft arbeitet. Bootsnachbar Pfeifer freut sich dagegen auf den Sommer, auf den von Jahr zu Jahr zunehmenden Trubel durch Wassersportler und Schaulustige, die sich von Land aus den Charme des ehemaligen Industriehafens erschließen.

Wie bei der großen Schwester HafenCity zeugen auch am Binnenhafen Baukräne von ambitionierter Stadtentwicklung. Doch sollen in Harburg viele Gewerbebetriebe erhalten bleiben. Pfeifer: "Es ist ein Nebeneinander von neuen Wohnquartieren und alteingesessenen Betrieben geplant. Und Bootseigentümer sollen weiterhin an den Wochenenden an ihren Schiffen schleifen dürfen." Auch an Wohnschiffen, die offizielle Liegeplätze erhielten. "Wir werden jetzt positiv wahrgenommen", erzählt Werner Pfeifer, "früher mussten wir uns immer verstecken."

Die "völlig vergessene Schmuddelecke" (Horn) der 90er-Jahre ist ein Standort für den Wassersport geworden. Das Harburger Yachtzentrum beherbergt neben 70 Liegeplätzen mehrere Ausrüster (Segelmacher, Schiffselektronik, Metallwerkstatt), eine Yachtschule und einen Catering-Anbieter. Der Yachtclub Hansa auf der Schlossinsel (50 Liegeplätze) engagiert sich stark in der Jugendarbeit. Im Herbst startete ein dritter Sportboothafen: Das eine Million teure Projekt wurde aus dem Konjunkturpaket II finanziert, hat 55 Liegeplätze und nimmt die rund 100 Mitglieder der vier Hamburger Vereine auf, die aus dem Naturschutzgebiet Schweenssand am Südufer der Süderelbe weichen mussten: die Hamburger Sportbootgemeinschaft, die Hamburger Wassersportgemeinschaft Süderelbe, der Neuländer Yachtclub und der Wilhelmsburger Motorbootverein.

Den Weg zur Elbe versperrt ihnen nun die Harburger Hafenschleuse. Bei Niedrigwasser kann es bis zu einer halben Stunde dauern, bis die Boote ihren neuen Hafen verlassen können. Doch das Hindernis hat eine goldene Kehrseite: Es schützt vor der Tide und vor großer Strömung, sodass größere Boote selbst im Januar an den Stegen vertäut sind. "Kleinere Kunststoffboote werden an Land genommen", sagt Jan Horn, "denn der Binnenhafen kann natürlich zufrieren, und dann gibt es auch hier Eisgang, zumindest leichten."

Stahlyachten schaukeln, angetrieben vom Orkantief "Andrea", im trüben Hafenwasser. Der Dreimaster "Fridtjof Nansen" überwintert als Gast am Steg des Vereins Clipper, der selbst vier Traditionssegler betreibt. Schräg gegenüber liegt "Gloria", ganz ohne Glanz. Das alte Seebäderschiff hat bessere Tage gesehen. Es ist so rostig, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis "der alte Butterdampfer aus Heiligenhafen" (Pfeifer) eines Nachts abbuddelt, wie schon andere Seelenverkäufer im Binnenhafen. Doch "Gloria" soll sich mindestens bis März über Wasser halten. "Dann muss sie hier weg", sagt Pfeifer. "Ihre wasserrechtliche Genehmigung läuft aus. Sie soll unter eigenem Motor den Hafen verlassen."

Auch wenn er seit Jahren auf der anderen Elbseite wohnt, bleibt Werner Pfeifer dem Binnenhafen treu. In seinem Zweitberuf als Liedermacher besingt er die Schiffe, den alten gelben Kran und die oft etwas schrägen Menschen, die zum Hafen gehören. Er betont mit Blick auf die Baustellen, dass das Bezirksamt die Alteingesessenen nicht verdrängen wolle und sagt warum: "Die Atmosphäre, das sind wir!"

Das Großfeuer im nahe gelegenen Kautschuklager hat dem Hafen am Montag zugesetzt, abgelaufenes Löschwasser färbte das Wasser trüb. Aber die Yachten sind weiß geblieben, anders als unter den Staubattacken vor 20 Jahren.

Über frühere Zeiten informiert die Broschüre "Arbeit im Hafen - Hafen in Arbeit". Sie kostet 10 Euro und ist bei der Geschichtswerkstatt Harburg (dienstags 16-19 Uhr, Kanalplatz 6) und im Buchhandel erhältlich. Herausgeberin: Angelika Hillmer (nicht identisch mit der Autorin dieses Artikels)