Selbstständigkeit und Existenzgründung sind keine Selbstgänger. Deshalb unbedingt Beratungsangebote nutzen

Schöne Ideen reichen nicht für eine Selbstständigkeit. Vor allem über die Frage, wie viel Zeit und Energie man in die Gründung seiner Firma investieren möchte, müsse sich jeder Existenzgründer frühzeitig klar werden, sagt Antje Bulmann.

Die 30-Jährige hatte die Geschäftsidee, Hamburger Kultur für jeden erlebbar zu machen. Hinter ihrem Projekt Kulturschenken verbirgt sich ein Kultur-Gutschein (KuGu), den man für 25, 50 oder 100 Euro erwerben und bei Theatern oder Museen einlösen kann. Eine spezielle Software ist bei den Partnerfirmen installiert. "So kann jeder Karteninhaber Buchungen am Telefon bezahlen", erklärt die Gründerin.

Mit dem KuGu ist Antje Bulmann seit einem halben Jahr auf dem Markt. Sie konnte für ihre Idee 13 Kooperationspartner gewinnen. "Wir haben Rückenwind von der Kulturbehörde. Bis Ende des Jahres sollen es 20 Partner sein", sagt Antje Bulmann.

Feste Ziele, den Glauben an das eigene Konzept, aber vor allem der Mut, zu beginnen, sowie Konsequenz und Geduld seien die wichtigsten Zutaten für eine erfolgreiche Gründung, gibt Bulmann anderen Jungunternehmern mit auf den Weg.

Durchhaltevermögen müssen auch Stefan Blödorn und Jan Böttcher beweisen. Die beiden Neuunternehmer haben sogar zwei Eisen im Feuer. Mit ihrer Agentur BB-Entertain wollen sie die norddeutschen Küsten mit gigantischen Wasserrutschen ausstatten. In Grömitz steht bereits eine Rutsche mit Bahnen in 15 und 50 Meter Länge, die zweite ist Ende Mai in Büsum einsatzbereit. Für ihr zweites, noch geheimes Projekt "Air-Lebnis" - erhielten die beiden jungen Männer im vergangenen Jahr den Gründerpreis der Wirtschaftsjunioren. Es handelt sich um eine große Freizeitattraktion. Gespräche für den zentralen Standort laufen, für die Finanzierung stehen zwei Banken bereit.

In vielen schlummert ein tief liegendes Freiheitsbedürfnis

Nach einer Studie des RKW-Kompetenzzentrums sind die 25- bis 44-Jährigen die aktivsten Gründer. Als häufigste Motive werden genannt: Ich möchte mein eigener Herr sein, meine Erfahrungen weitergeben oder es wird mit dem Start-up ein Ausweg aus der drohenden Arbeitslosigkeit gesucht. "In einigen meiner Kunden schlummert schon lange ein tief liegendes Bedürfnis, selbstständig zu arbeiten, eine Art inneres Freiheitsbedürfnis, bei anderen ist die Idee aus der Situation oder gar Not geboren", sagt Martina Kobabe. Ihre Arbeit als Coach sei dann Hilfe zur Selbsthilfe. Ihr wichtigster Rat: "Ich selber bin mein Erfolgsfaktor, denn die meisten sind Einzelgründer." Dieser Satz erstaune häufig, denn das Augenmerk von vielen liege vor allem auf dem Businessplan, Konzepten und Zahlen, sagt die 48-Jährige, deren Klienten zwischen Anfang 30 und Mitte 50 sind. Viele seiner Kunden vergessen den Kundenblick oder machen keine Minimarktanalyse, ob ihre Idee trägt, sagt Kai T. Ulrich, der über 13 Jahre Beratererfahrung verfügt und bislang 80 Gründer begleitet hat. Mehrheitlich seien dies Einzelunternehmer aus dem ersten Arbeitsmarkt, etwa 20 Prozent folgen ihrer inneren Berufung, und einige geben für die Gründung ihren sicheren Job auf, um Ernährungsberater oder Heilpraktiker zu werden oder sich mit einem Onlinehandel selbstständig zu machen.

Online-Gründungen nehmen immer mehr zu, sagt Britta Heegardt, Gründungsberaterin bei der Handelskammer. In diesem Bereich sei das Risiko überschaubar, im Gegensatz zu anderen Branchen wie der Gastronomie, wo Miete und Einkauf monatlich zu Buche schlagen. Es gebe jedoch nicht die eine Erfolg versprechende Branche, so die Beraterin.

Folgende Fragen müsse sich ein Jungunternehmer vor einer Gründung stellen: Was kann ich, was liebe ich, was will ich die nächsten Jahre machen? "Auch eine Geschäftsidee sollte er haben. Dann sollte eine umfassende Beratung folgen. Das Gründerzentrum der Handelskammer bietet diese kostenlos an - außerdem prüfen wir Konzepte und Businesspläne", sagt Heegardt. "Manchmal müssen wir die Euphorie bremsen oder raten auch mal ab, wenn ein schlechter Standort, eine zu hohe Miete und keine Branchenerfahrung vorliegen." Eine erfolgreiche Gründung sei jedoch auch ohne Branchenerfahrung möglich. "Es gibt Quereinsteiger, und manche betreiben ihre spätere Firmenidee bereits seit zehn Jahren als Hobby." Aber nicht jeder Gründer beherrscht alle Facetten, die seine Selbstständigkeit mit sich bringt. Deshalb rät Martina Kobabe: "Was ich gut kann, sollte ich vertiefen, was ich nicht kann, wegorganisieren." Das kann das Controlling sein, die Werbung oder auch der Einkauf.

Die Unsicherheit bei Jungunternehmern sei vor allem zu Beginn ihrer Selbstständigkeit groß, sagt Ulrich. "Sie möchten möglichst alle Kunden erreichen. Ich rate ihnen stattdessen zur Spezialisierung und nicht zu einem Gemischtwarenladen. Das bedeutet, Kunden zu gewinnen, indem ich auf Kunden verzichte." Entscheidend sei dabei eine klare Kommunikation, was das Produkt oder die Dienstleistung des Gründers bietet. "Wir Menschen suchen etwas Spezielles", sagt Ulrich, der bei seiner Beratung auch mit zu Verkaufsgesprächen oder Kundenpräsentationen geht. Gerade Frauen empfiehlt der Diplom-Kommunikationswirt außerdem, ihr Konzept nicht zu klein zu planen. "Bei einer neuen Ernährungsberatung bieten sich Kooperationen mit anderen Unternehmern oder auch eine Praxisgemeinschaft an."

Eine Spezialisierung ist sinnvoller als ein Gemischtwarenladen

Auf ein besonderes Charakteristikum der Selbstständigkeit weist Martina Kobabe hin. "Wenn ich selbstständig bin, habe ich keinen Chef mehr. Ich muss mich selbst führen. Zudem fällt das Back-up durch ein Unternehmen weg. Der Gründer ist für alles selbst verantwortlich." Er muss sich sogar selbst motivieren, wenn sein Geschäft nicht so (an)läuft wie erhofft. Bis eine Gründung schwarze Zahlen schreibt, braucht es meistens drei Jahre.

"Man muss Rückschläge verkraften können und sein Ziel trotzdem konsequent verfolgen", sagt Antje Bulmann. Ein fundierter Businessplan sei die Basis. "Entscheidend ist dabei, sich die Zahlen nicht schönzurechnen, sondern diese lieber zu halbieren und dann zu starten." Ihr Kulturgutschein soll sich ab 2012 so rechnen, dass aus der Nebentätigkeit für die Marketingspezialistin in einem Hamburger Großunternehmen ein Vollzeitjob wird.

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