Jung, hungrig und erfolgreich: Als Sailing Team Germany wollen 70 Athleten spätestens bei den Olympischen Spielen 2016 Medaillen holen.

Hamburg. Jung, hungrig und erfolgreich: Lasersegler Simon Grotelüschen zählt zu den neuen Hoffnungsträgern im deutschen Segelsport. Der 24-jährige Medizinstudent aus Lübeck hat beim Weltcup in Frankreich vor einer Woche als Vierter nur knapp den ersten Podiumsplatz seiner Karriere verpasst. Grotelüschen freut sich dennoch: "Wichtig war nicht Platz vier, sondern dass ich in die Top Ten gesegelt bin. Da war ich vorher noch nie." Der bescheidene Steuermann hat einen Traum: "Es ist mein Ziel, eine Medaille bei Olympischen Spielen zu gewinnen. Eine größere Herausforderung gibt es nicht."

So sahen es auch die Hamburger Unternehmer und Segler Oliver Schwall und Arne Dost, als sie vor zweieinhalb Jahren das Audi Sailing Team Germany (STG) zur Förderung des olympischen Segelsports anschoben und im Sommer 2009 mit dem Deutschen Segler-Verband (DSV) einen partnerschaftlichen Vertrag schlossen. DSV-Präsident Rolf Bähr nennt die Kooperation ein "Kraftwerk von Verstand und Gefühl". Beide, die unabhängige GmbH STG und der in international und national gewachsenen Strukturen eingebettete Verband, eint die Aufgabe: Erfolge und Medaillen für den Segelsport zu ergattern.

Aus dem zarten Pflänzchen STG ist ein kräftiger junger Baum geworden. Mit Audi und SAP konnten zwei starke Partner an Bord geholt werden. Der aktuellen Nationalmannschaft unter STG-Dach gehören 70 Seglerinnen und Segler an, die nun zusätzlich zur Verbands- und Vereinsförderung finanziell, aber auch mit Fahrzeugen und zukunftsweisender Technologie unterstützt werden.

In Kiel befindet sich unter Führung des zweimaligen Olympiateilnehmers Marcus Baur eine Segel-Akademie im Aufbau, die unter anderem wertvolle Wind-, Strömungs- und Trimmdaten sammelt und den Teams zur Verfügung stellt. "Der Baum blüht", sagt der Hamburger STG-Mitgründer Arne Dost, "entscheidend wird aber sein, welche Früchte der Baum 2016 trägt. Dann möchten wir bei den Olympischen Spielen gern drei Medaillen holen."

Davor stehen die Olympischen Spiele 2012 in London. Eine Medaillenflut für die deutschen Segler erwarten nicht einmal Optimisten. Nach den medaillenarmen Spielen 2004 und 2008 sind die Fördergelder zusammengeschrumpft. Nun sind die Segler gefordert. Es gilt, den Kreislauf "Keine Erfolge, kaum Geld - kaum Geld, keine Erfolge" zu durchbrechen. Die führende Segelnation Großbritannien hat für den Aufbau ihrer Erfolgsflotte fast zwei Jahrzehnte gebraucht. "Nach diesem Vorbild ist auch bei uns Geduld gefordert", sagt Schwall.

An Engagement durch Förderinitiativen wie dem Heinz-Nixdorf-Verein oder dem Hamburger NRV Olympic Team mangelt es nicht. "Wir arbeiten eng mit dem DSV und den Vereinen zusammen", sagt Arne Dost, "das klappt immer besser. Was der eine nicht leisten kann, fängt der andere auf." So sind ein oder zwei Medaillen in den insgesamt zehn olympischen und drei paralympischen Medaillen wieder in greifbare Nähe gerückt. Neben Grotelüschen und seinen Trainingspartnern Philipp Buhl und Malte Kamrath bieten auch die Starbootsegler, allen voran die aktuell erfolgreichen Robert Stanjek und Frithjof Kleen vom NRV Olympic Team in Hamburg, und Paralympics-Sieger Heiko Kröger aus Kiel den Besten der Welt Paroli. Vielleicht verbessern sich die Aussichten bis 2012 noch. Die Aufbruchstimmung unter den Seglern spricht dafür. Heiko Kröger sagt: "Hey, wir sind wieder wer!"

Vielleicht kann die deutsche Armada beim Heimspiel zur Kieler Woche wieder auftrumpfen. Für diejenigen, die sich um eine olympische Fahrkarte bewerben, ist die weltgrößte Regattaserie vom 18. bis 26. Juni Teil zwei ihrer dreiteiligen nationalen Ausscheidung. Dafür haben sich die Segler die Messlatte selbst hochgeschraubt: 2010 erreichten 14 deutsche Teams in acht olympischen Disziplinen die Top Ten - ein großer Erfolg. Keine andere Nation war so gut. Damals prophezeite Laserweltmeister Tom Slingsby: "Wenn die deutsche Gruppe zusammenbleibt, dann kann sie es weit bringen."

Slingsbys Kommentar bezog sich auf die schnellen Lasersegler. Doch seine Worte haben auch andere beflügelt. Etwa die Starbootflotte mit gleich vier heißen Anwärtern auf nur eine Fahrkarte 2012 nach England. Neben Stanjek/Kleen kämpfen auch die Europameister Johannes Polgar/Markus Koy aus Hamburg sowie Alex Schlonski/Matthias Buhn (Schwerin) und Johannes Barbendererde/Timo Jacobs aus Lübeck um den einzigen deutschen Startplatz bei der olympischen Regatta.

Die Ausscheidung beginnt noch vor der Kieler Woche bei der Go-for-Gold-Regatta Anfang Juni im Olympiarevier vor Weymouth. Die endgültige Entscheidung darüber, wer in Großbritannien unter schwarz-rot-goldener Flagge um olympisches Edelmetall segeln darf, fällt im Dezember bei der Weltmeisterschaft vor Perth in Australien.

Neun Teams vom NRV an der Alster nehmen in fünf Disziplinen an den Olympia-Ausscheidungen teil. Und weil alle vier Top-Starbootmannschaften auch für das NRV Olympic Team starten, ist schon sicher: Die Hamburger Flagge wird vor Weymouth wehen.

Autorin Tatjana Pokorny beschreibt in ihrem neuen Buch "Matchrace" die spannende Segeldisziplin, bei der Boot gegen Boot antritt. Verlag Delius Klasing, 160 Seiten, 24,90 Euro