Berlin. Der Druck ist zu groß geworden: Am Donnerstag hat Boris Johnson seinen Rücktritt angekündigt – als Parteichef und als Premierminister.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat lange um sein Amt gekämpft. Am Donnerstag wurde der Druck scheinbar zu stark. In einer Ansprache am Mittag kündigte der Premierminister seinen Rücktritt an. Johnson will nicht nur als Premierminister Großbritanniens, sondern auch als Parteichef der Tories zurücktreten. Er wolle jedoch nicht sofort die Segel streichen, sondern "arbeiten, bis ein neuer Anführer" gewählt worden ist.

Johnson hat damit den Schritt getan, der zunehmend unausweichlich geworden war. Nachdem am Dienstagabend sein Finanz- und sein Gesundheitsminister aus Protest zurückgetreten waren, begann eine Flut von Demissionen. Die Regierung sah zunehmend aus wie ein sinkendes Schiff.

Damit beginnt nun auch das Rennen um den Parteivorsitz der Konservativen Partei. Der Sommer solle genutzt werden, um einen Nachfolger für Boris Johnson zu finden. Ein neuer Premierminister solle dann rechtzeitig bis zum Tory-Parteitag im Oktober im Amt sein, schrieb BBC-Reporter Chris Mason. Johnson kündigte in seinem Statement am Donnerstag an, den genauen Zeitplan seines Rücktritts in der nächsten Woche vorstellen zu wollen.

Lesen Sie hier den Kommentar zum Thema: Boris Johnsons prallvolles Sündenregister – Es reicht

Auslöser der Rücktrittswelle war die Vertuschung einer Sex-Affäre

Die zurücktretenden Minister und die politischen Berater beklagten die fehlende Integrität Johnsons – der Premierminister sei nicht länger geeignet, das Land zu führen. Unmittelbarer Auslöser war die Affäre um den Tory-Abgeordneten Chris Pincher, den Johnson befördert hatte, obwohl er wusste, dass dieser sexueller Übergriffe beschuldigt wurde.

Aber Johnsons Niedergang begann schon viel früher. Seit über einem halben Jahr macht ihm die Party-Affäre zu schaffen – also die Regelverstöße gegen die Covid-Lockdowns. Die Polizei brummte ihm dafür ein Bußgeld auf. Eine Vertrauensabstimmung Anfang Juni überlebte der Premierminister knapp. Er versprach Besserung, aber er konnte sein Image als fundamental unseriöser Regierungschef nicht loswerden.

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Seit seinem Wahl-Triumph 2019 war Johnsons Stern rapide gesunken

Zunehmend befürchtete seine Fraktion, dass er ein Risiko für die Wahlchancen der Tory-Partei darstellt. Ein Blick in die Meinungsumfragen dürfte ihre Sorgen verstärkt haben: Seit seinem Triumph in den Wahlen 2019 ist Johnsons Stern rapide gesunken, die Mehrheit der Briten will, dass er geht.

Bis zuletzt hat sich Johnson mit aller Kraft dagegen gestemmt. Noch am Donnerstagabend bestand er darauf, dass er weitermachen wolle, als sei nichts gewesen. Widerspruch wollte er nicht dulden. Kabinettsminister Michael Gove, sein ehemaliger Rivale, der zu einem wichtigen Weggefährten geworden war, hatte ihn offenbar bereits am Nachmittag zum Rücktritt gedrängt.

Völlig allein und abgekoppelt von der Realität harrte Johnson bis zuletzt aus

Der Premierminister feuerte ihn kurzerhand, Johnsons Mitarbeiter bezeichneten Gove als „Schlange“. Völlig allein und abgekoppelt von der Realität harrte Johnson in der Downing Street 10 aus, bis zuletzt.

In der Nacht folgten weitere Rücktritte, schließlich legte ihm auch der neue Finanzminister Nadhim Zahawi – der erst am Dienstag in diesen Posten befördert wurde – den Rücktritt nahe. Es war offensichtlich, dass es keinen Ausweg gab. Und so tut Johnson das, was er stets versprochen hatte, nie zu tun: Er tritt ab. Nach gut drei Jahren geht die Ära Johnson ihrem Ende zu. (mit fmg)

Dieser Artikel erschien zuerst bei waz.de.