Washington . Joe Biden erfährt durch Russlands Krieg gegen die Ukraine mehr Zustimmung. So sieht der aktuelle Trend vor den Zwischenwahlen aus.

"Wir sind in der stärksten Position seit Monaten." Dieser Satz, den Joe Biden am Donnerstag bei einer Tagung der Demokraten im Washingtoner Hilton-Hotel sprach, sorgte im Publikum für gebremsten Optimismus und hochgezogene Augenbrauen zugleich.

Acht Monate vor den Zwischenwahlen im Kongress der USA, bei denen der regierenden Partei ausweislich fast aller Demoskopen wegen des Afghanistan-Abzugs, extrem hoher Inflation und stagnierender Corona-Bekämpfung eine derbe Klatsche droht, gibt es leise Hoffnungsschimmer für eine Trendwende.

Bidens Kurs gegen Putin bekommt Zustimmung

Das liegt zuvorderst am Präsidenten selbst. Nach seiner "Rede zur Lage der Nation" am 1. März hat der von vielen bereits abgeschriebene "Commander in Chief" in Umfragen zwischen zwei und sieben Prozentpunkte zugelegt. Rund 43 Prozent der Amerikaner sind heute mit seiner Arbeit einverstanden, 51 Prozent sind unzufrieden.

Der Hauptgrund für die moderate Entspannung: Wachsende Zustimmung zum Führungskurs des 79-Jährigen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dass Biden die wirtschaftliche Sanktionsschraube gegen Wladimir Putin empfindlich angezogen, Europa bislang geschlossen hinter sich versammelt hat und bei der "roten Linie" bleibt, also keine US-Truppen in die Ukraine schicken will, wird von einer großen Mehrheit geteilt. Und zwar bis in die Spitze der republikanischen Partei.

Republikaner lehnen Biden weiterhin ab

Dort erklärte der mächtigste Konservative im Senat, Mitch McConnell, kürzlich: "Ich denke, es gibt breite Unterstützung für den Präsidenten und das, was er tut." Der Senator aus Kentucky setzte sich damit wie sein Kollege Kevin McCarthy, Sprecher der "Reps" im Repräsentantenhaus, dezidiert von Donald Trump ab. Der Ex-Präsident hatte das Weiße Haus als unfähig bezeichnet und Putin für den Überall auf die Ukraine als "ziemlich clever" gelobt.

Auffallend ist jedoch, dass sich die Zuwächse für Biden bisher vor allem aus demokratischen und parteiunabhängigen Wählerschichten rekrutieren. Republikanische Anhänger sehen ihn unverändert entschieden negativer. Negativ-Werte reichen hier bis zu 80 Prozent.

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Dabei taucht eine Diskrepanz zwischen Realität und empfundener Wirklichkeit zutage. Trotz einer in Corona-Zeiten bemerkenswerten Niedrig-Arbeitslosigkeit von 3,8 Prozent sehen über 55 Prozent der Amerikaner die USA wirtschaftlich im Niedergang.

Ausgang der Zwischenwahlen für Biden noch ungewiss

Analysten und Politikberater beider Parteien weisen darauf hin, dass der moderate Anstieg bei Bidens Zustimmungswerten alles andere als beständig ist. Eine Zuspitzung der Lage in der Ukraine samt veränderter Politik könne in wenigen Wochen eine Gegenbewegung auslösen.

Zumal das Lager, das mit Bidens Präsidentschaft generell nicht zufrieden ist, nach wie vor stabil über 55 Prozent liegt. "Von einem Comeback Bidens zu sprechen, ist daher verfrüht", sagte ein Meinungsforscher im TV-Sender MSNBC.

Als Gradmesser für die politische Bedeutung präsidialer Zustimmungswerte vor den alle zwei Jahre stattfindenden Zwischenwahlen gilt nach Ansicht von Demoskopen die 60-Prozent-Hürde. Kommt ein Präsident auf diesen Wert, könne ein Machtverlust im Kongress latent abgewehrt werden. Biden rangiert im Mittelwert aller relevanten Umfrage-Institute nach Angaben des Portals "Real Clear Politics" derzeit bei 42,9 Prozent.

Mehr als fünf Sitze dürfen die Demokraten im Herbst im Repräsentantenhaus nicht verlieren, wollen sie ihre Gestaltungsmehrheit behalten. Im Senat, wo ein 50:50-Patt herrscht, kann bereits der Verlust von einem Sitz die Demokraten aus der Führungsverantwortung drängen. Nach jüngsten Umfragen könnten die Demokraten am 8. November im schlimmsten Fall über 30 Sitze verlieren.