Der Druck auf Telegram scheint zu wirken. Nach dem ersten Gespräch darf die Innenministerin den Dienst jetzt nicht vom Haken lassen.

Eigentlich ist die Jubelmeldung unangemessen. Die deutsche Innenministerin freut sich wie Bolle, weil sich der Messengerdienst Telegram auf ein Gespräch mit ihr einlässt.

Die Wahrheit ist, dass die Plattform schwer zu fassen und für die deutschen Behörden monatelang unerreichbar war. Ministerin Nancy Faeser (SPD) sah schon wie eine Papiertigerin aus. Sie drohte und drohte und es passierte nichts.

Telegram fürchtet vor allem Google

Insbesondere in der Pandemie haben die Verschwörungstheorien, Desinformation, Fake-News, Hass und Hetze – bis hin zu Morddrohungen – ein unerträgliches Ausmaß angenommen. Nach dem ersten Kontakt gibt es erstmals eine Chance, Hetze und Gewaltaufrufe in Chatgruppen zu verhindern. Faeser darf Telegram jetzt nicht vom Haken lassen.

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Dass sich ihre Hartnäckigkeit ausgezahlt habe, dass die Ministerin Geduld und Härte bewiesen hat, ist nicht falsch, aber vermutlich nur die halbe Wahrheit – die politisch schmeichelhafte Hälfte.

Telegram hat nicht befürchten müssen, dass die deutschen Behörden den Messengerdienst abschalten würden. Könnten sie das, hätten sie es längst getan. In Wahrheit haben sie noch nicht mal ein Bußgeldbescheid zustellen können. Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist eine Fata Morgana: Die Durchsetzungskraft ist reine Einbildung.

Wieviel Rechtsstaat darf es denn sein?

In Dubai hatten sie ganz andere Mächte zu fürchten: Apple oder Google. Wenn die Telegram aus ihrem Angebot streichen, dann wäre es mit dem Geschäftsmodell vorbei gewesen.

Google hat mehr als nur eine Mail-Adresse von Telegram weiter gegeben, viel mehr, ein Signal: Ihr bleibt nicht länger unerkannt auf dem Radarschirm.

Google hat zweifellos verantwortungsbewusst gehandelt, aber das ist nur eine Hilfskonstruktion. Die Strafbarkeit von Inhalten sollte keine Verhandlungssache sein – wie viel Rechtsstaat darf es denn sein? –, sie sollte nicht im Ermessen einzelnen Firmen liegen. Nebenbei gefragt: Wie lange hatte Google schon den Kontakt von Telegram und hat die Behörden ins Abseits laufen lassen?

So dankbar für einen Deal: Nancy Faeser

Der Staat ist offenkundig nicht in der Lage, bei den sozialen Netzwerken Recht und Gesetz durchzusetzen. Und diese Herausforderung – wahrscheinlich nur auf europäischer Ebene zu meistern – bleibt bestehen. Es ist nicht zu fassen, aber Nancy Faeser ist tatsächlich darauf angewiesen, einen Deal mit Telegram zu erzielen.