Berlin. Weiterhin wird in Deutschland heftig über eine Corona-Impfpflicht gestritten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Thema.

Noch immer sind in Deutschland 20 Millionen Menschen nicht gegen Coronavirus geimpft. In Ländern wie Dänemark, Italien oder Spanien ist die Quote deutlich höher. Seit Wochen führt die Politik eine hitzige Debatte über eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19. Lange Zeit schien klar: Die verpflichtende Impfung für alle kommt.

Doch mit der Omikron-Variante finden sich laute Stimmen gegen die Impfpflicht. Denn: Omikron hat im Schnitt weniger Intensivverläufe, zugleich schützt das Vakzin weniger gut vor einer Ansteckung. Im März will der Bundestag abstimmen. Doch mittlerweile gibt es mehrere Vorschläge. Impfpflicht ab 18 Jahre. Ab 50 Jahre. Ein „Impfmechanismus“ statt einer Pflicht. Die Parteien überschlagen sich mit Konzepten, während die Bereitschaft der Deutschen zur Impfpflicht immer noch hoch ist – aber sinkt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Corona-Impfpflicht: Was wird genau diskutiert?

Einige Abgeordnete der Fraktionen der neuen Ampel-Regierung sind für eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab 18 Jahren. Sie soll ab Oktober gelten – und bis Ende 2023 befristet sein. Dafür spricht sich wohl auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aus. Andere lehnen eine Impfpflicht als Eingriff des Staates in die persönliche Freiheit ab.

Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler: „Wir haben es nicht geschafft, dass ausreichend viele Bürger sich haben impfen lassen.“
Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler: „Wir haben es nicht geschafft, dass ausreichend viele Bürger sich haben impfen lassen.“ © Getty Images | Pool

Gibt es bereits eine Impfpflicht in Deutschland?

Seit 2020 müssen Kinder gegen Masern geimpft sein, wenn sie in die Kita oder Schule kommen. Das gilt auch für das Personal bestimmter Einrichtungen. Für Angehörige der Bundeswehr besteht bereits eine Corona-Impfpflicht. Mitte März tritt eine solche Vorgabe für das Personal in Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Pflege in Kraft.

Wie wird über die Impfpflicht entschieden?

Scholz hatte sich dafür ausgesprochen, die Impfpflicht im Bundestag als eine Gewissensentscheidung zu betrachten. So war es etwa auch, als das Parlament über die Sterbehilfe entschied. Die Abgeordneten sollen also ihrer persönlichen Einschätzung folgen. Deswegen legten weder die Regierung noch eine Fraktion geschlossen einen Vorschlag vor.

Parlamentarier arbeiteten in den letzten Wochen stattdessen über Fraktionsgrenzen hinweg an Modellen für eine Impfpflicht. Allerdings: Scholz, der für eine Impfpflicht ab 18 Jahren eintritt, hätte dafür keine Mehrheit in der Koalition. Besonders in der FDP gibt es viele Kritiker.

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Welche Vorschläge gibt es?

Für eine Impfpflicht für alle ab 18 plädieren einige Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP gemeinsam. Diese solle je nach Expertenempfehlung ein bis zwei Jahre gelten und drei Impfungen voraussetzen, sagte der Mitinitiator Dirk Wiese (SPD).

Der FDP-Abgeordnete Andrew ­Ullman plädiert zunächst für eine Informationspflicht. Nur wenn die Aufklärung verpufft, würde er die Ungeimpften in die Pflicht nehmen, sich immunisieren zu lassen – und dann lediglich die Altersgruppe 50 plus.

„Bis zum Sommer sollten alle eine Aufklärung erfahren“, sagte Ullmann unserer Redaktion. Dann käme der Schnitt. Der FDP-Politiker sieht darin eine „Kompromisslinie“ zwischen den Gegnern und den Befürwortern einer allgemeinen Impfpflicht.

Vor einigen Tagen hat eine Gruppe Parlamentarier um den FDP-Politiker Andrew Ullmann bereits eine Gesetzesvorlage für eine Impfpflicht ab 50 Jahren ins Spiel gebracht. Der Abgeordnete preist seinen Vorschlag als einen „Weg der Mitte“. Impfpflicht: ja. Aber nur für ältere Menschen, da dort das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs am höchsten ist.

Der wichtigste Mitarbeiter von Kanzler Olaf Scholz, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (r.), ist Arzt und Befürworter einer Impfpflicht für alle Erwachsenen.
Der wichtigste Mitarbeiter von Kanzler Olaf Scholz, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (r.), ist Arzt und Befürworter einer Impfpflicht für alle Erwachsenen. © dpa | Jens Büttner

Wie positioniert sich die Opposition?

Die Oppositionsparteien setzen auf einen „gestuften Impfmechanismus“, den Bundestag und Bundesrat je nach Pandemielage und Virusvariante in Kraft setzen können. Dabei schließt die Union auch eine Impfpflicht nicht aus – allerdings nur für besonders gefährdete Gruppen der Bevölkerung.

Wer ist gegen eine Impfpflicht?

Neben der rechten AfD wandte sich auch FDP-Politiker Wolfgang Kubicki gegen das Vorhaben und warnte vor einem Bußgeldchaos. Denn: Überzeugte Impfgegner würden sich auch mit einer staatlichen Pflicht nicht überzeugen lassen.
Die Union lehnt nun ebenfalls in einem aktuellen Entwurf eine generelle Impfpflicht ab.

CDU und CSU wollen zunächst ein Impfregister aufbauen, um verlässliche Daten zum Impfstatus in Deutschland zu haben. Wenn durch das Register bekannt sei, wer nicht geimpft ist, sollten diese Personen dann besser angesprochen – und von einer Impfung überzeugt werden können.

Wann könnte eine Impfpflicht in Kraft treten?

Die finalen Abstimmungen im Bundestag sind für März geplant. Sollte sich dann eine Mehrheit für eine Impfpflicht finden, soll noch nicht vollständig Geimpften die Chance gegeben werden, die ­Voraussetzungen zu erfüllen.

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Denkbar ist, dass die Regelung etwa drei Monate nach dem Parlamentsbeschluss in Kraft tritt. Kritiker argumentieren, dass eine Impfpflicht dann gar nicht mehr erforderlich sein werde, wenn sich durch Omikron sowieso der Großteil der Bevölkerung auch trotz Impfungen infiziert haben werde.

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Wie werden Verstöße geahndet?

Es gilt: Wer dreimal geimpft ist oder nach einer Infektion mit Corona zweimal, erfüllt die Vorgaben. Die Versicherten müssen ihrer Krankenversicherung auf Anforderung die Nachweise vorlegen. Wenn sich die Menschen nicht binnen einer Frist impfen lassen, drohen Bußgelder. In Haft kommt allerdings ausdrücklich niemand, der seine Strafzahlungen nicht leistet.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Gut die Hälfte der Befragten (53 Prozent) spricht sich im ARD-Deutschlandtrend für eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren aus. Jeder Dritte (33 Prozent) wende sich grundsätzlich gegen eine solche Impfpflicht, heißt es in der Befragung. Darunter seien vor allem Anhänger der AfD (81 Prozent), aber auch Wähler der FDP (40 Prozent) und der Linken (38 Prozent).

Jeder Achte (12 Prozent) plädiert laut Umfrage für eine altersbezogene Impfpflicht für Personen ab 50 Jahren. Zudem bewerteten 44 Prozent der Befragten die aktuell geltenden Corona-Maßnahmen in Deutschland als angemessen, hieß es. Das seien zwei Prozentpunkte mehr als zu Jahresbeginn.

Was bedeutet eine Impfpflicht für den Arbeitsmarkt?

„Die allgemeine Impfpflicht hilft dem Arbeitsmarkt. Sie erspart es bestimmten Branchen, dass bestimmte Beschwernisse der Pandemie erneut wiederkehren“, sagte der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, unserer Redaktion. Er drängte die Politik zu einer raschen Einführung. Es sei wichtig, „dass die Politik jetzt loslegt und eine Regelung auf den Weg bringt“.

Die Impfpflicht müsste im Sommer beschlossen sein, damit Ungeimpfte danach die erforderliche Zeit für Erst-, Zweit- und Booster-Impfung zur Verfügung hätten. Es gebe also „einen gewissen Zeitdruck“. Käme das Vorhaben nicht rechtzeitig zustande, „hätte das für bestimmte Bereiche wie die Gastronomie oder die Veranstaltungsbranche schmerzhafte Folgen“, warnte Scheele. Er nannte die allgemeine Impfpflicht „zwingend“ und sprach sich für eine Regelung für alle ab 18 Jahren aus. (fmg)