Berlin/Glasgow. Angela Merkel (CDU) galt einst als „Klimakanzlerin.“ Kann sie bei ihrem letzten Besuch der UN-Weltklimakonferenz noch etwas bewegen?

Müsste man eine Handvoll Bilder heraussuchen, die Angela Merkels Kanzlerschaft beschreiben, wäre dieses aus dem Jahr 2007 auf jeden Fall dabei: Merkel im roten Anorak in Grönland, hinter ihr das Eis, von dem man schon damals wusste, dass es nicht ewig ist.

Gerade zwei Jahre im Amt, erwarb sich die ehemalige Umweltministerin in dieser Zeit einen Ruf als „Klimakanzlerin“ – als eine, die das Thema und die Dringlichkeit wirklich verstanden habe. Deutschland müsse vorangehen, um aufzuhalten, was die Menschheit zur Erderwärmung beitrage, sagte die Bundeskanzlerin damals. „Wir haben alle Chancen, das Thema zu bewältigen.“

14 Jahre später sind viele dieser Chancen ungenutzt vorbeigezogen. Der Ruf der einstigen Klimakanzlerin ist ramponiert, weder Deutschland noch die Weltgemeinschaft sind derzeit auf dem Weg, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens einzuhalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht 2007 an einem Gletscher in Grönland.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht 2007 an einem Gletscher in Grönland. © dpa | dpa

COP26: Merkel will an 1,5 Grad-Ziel festhalten

Zuletzt kassierte das Klimaschutzgesetz der derzeit geschäftsführenden Bundesregierung eine Ohrfeige vom Bundesverfassungsgericht, weil es nicht annähernd ambitioniert genug war, die Freiheit künftiger Generationen zu erhalten. „Wenn ich mir die Situation anschaue, kann kein Mensch sagen, dass wir genug getan haben“, musste die geschäftsführende Kanzlerin im Sommer selbst einräumen.

Zumindest einen kleinen Teil wollte sie jetzt noch selbst tun: Gemeinsam mit rund 120 anderen Staats- und Regierungschefs sprach Merkel am Montag bei der UN-Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow. Sie schwor ihre Kolleginnen und Kollegen darauf ein, am Ziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad festzuhalten. „Wir sind noch nicht da, wo wir hinmüssen“, sagte sie. Die vorgelegten nationalen Aktionspläne seien nicht ausreichend. Aber: „Wir müssen und wir können das Pariser Klimaabkommen umsetzen.“

Klima: Merkel wirbt für Bepreisung von Emissionen

Die Industrieländer, darunter Deutschland, trügen in besonderer Weise Verantwortung für den Klimawandel, deshalb habe Deutschland seine Klimaziele noch einmal verschärft. Doch „essenziell“ für die Glaubwürdigkeit der Industrieländer sei auch das Erreichen der versprochenen 100 Milliarden Dollar zur Unterstützung ärmerer Nationen. Auch wenn diese jetzt erst 2023 statt wie versprochen 2021 zusammenkämen – „wir können sie erreichen, das ist ein wichtiges Signal“.

Merkel sprach sich außerdem nachdrücklich dafür aus, den Wandel hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft auch über die Bepreisung von Emissionen zu gestalten. Mit staatlichen Aktivitäten allein werde man nicht vorankommen. „Es geht um eine umfassende Transformation unseres Lebens, Arbeitens und Wirtschaftens“, erklärte die geschäftsführende Kanzlerin.

Und mit einer Bepreisung von Emissionen, wie sie die EU und China beispielsweise schon hätten, könne man die Industrie dazu bringen, die technologisch besten und effizientesten Wege zur Klimaneutralität zu finden. In der „Dekade des Handelns“, die jetzt anstehe, plädiere sie deshalb dafür, „national ambitionierter zu sein, aber global Instrumente zu finden, die nicht nur Steuergelder einsetzen, sondern auch wirtschaftlich vernünftig sind“, sagte Merkel.

Klimawandel: Boris Johnson warnt vor Weltuntergang

Ihr Auftritt war nicht der einzige Appell an die versammelten Staatschefinnen und -chefs, endlich zu handeln. Der britische Premierminister Boris Johnson verglich die Situation der Regierenden mit der von Filmheld James Bond – der befinde sich in seinen Filmen immer in Situationen, in denen er verzweifelt versuche, das richtige Kabel zu trennen, während eine Uhr erbarmungslos herunterzähle zu einer Explosion, die die Menschheit auslöschen würde.

In einer ähnlichen Situation seien auch die versammelten Politikerinnen und Politiker, mit einem Unterschied: „Das ist kein Film, und die Weltuntergangsmaschine ist echt.“ Generationen von Kindern, die einmal urteilen würden über die Ergebnisse von Glasgow, seien noch nicht geboren. „Wenn wir scheitern, werden sie uns nicht vergeben“, sagte Johnson.

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COP26: Guterres appelliert an Regierungschefs

Auch UN-Generalsekretär António Guterres fand deutliche Worte für die anwesenden Regierungs- und Staatschefs: „Es ist Zeit zu sagen: genug“, sagte er. „Genug mit dem brutalen Umgang mit der Artenvielfalt. Genug mit unserer Selbsttötung durch CO2. Genug mit dem Umgang der Erde, als wäre sie ein Klo. Genug damit, dass wir uns den Weg in die Tiefe durch Verbrennen, Bohren und Bergbau bahnen. Wir schaufeln uns unser eigenes Grab.“

Ob es den versammelten Delegationen in Glasgow gelingen wird, die „Weltuntergangsmaschine“ zu stoppen, werden die kommenden zwei Wochen zeigen. Bei den kommenden Debatten könnte auch die geschäftsführende Kanzlerin noch einmal eine wichtige Rolle spielen – als Verhandlerin mit einem Talent für Kompromisse.