Kabul/Berlin. In Afghanistan warten deutsche Staatsbürger und Ortskräfte auf ihre Ausreise. Die Bundeswehr plant eine Luftbrücke mit A400M-Fliegern.

Schusswechsel, panische Menschenmassen, näherrückende Taliban-Truppen: Die Situation am Flughafen in der afghanischen Hauptstadt Kabul spitzt sich dramatisch zu. Auf Videos ist zu sehen, wie Personen versuchen, sich in Todesangst auf Flugzeuge zu retten, um das Krisengebiet in letzter Minute zu verlassen. Die Evakuierung deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte durch die Bundeswehr hat begonnen - doch das Unterfangen ist lebensgefährlich für alle Beteiligten.

"Wir unterstützen das Auswärtige Amt, um die zu Schützenden aus Afghanistan in Sicherheit zu bringen", twitterte das Verteidigungsministerium am Montagmorgen. "Fest steht: Es ist ein gefährlicher Einsatz für unsere Soldatinnen und Soldaten."

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Kabul: Wie geht die Evakuierung von Deutschen voran?

Die erste Evakuierungs-Maschine der Bundeswehr konnte am Montag nur sieben Menschen ausfliegen. "Aufgrund der chaotischen Umstände am Flughafen und regelmäßiger Schusswechsel am Zugangspunkt war gestern Nacht nicht gewährleistet, dass weitere deutsche Staatsangehörige und andere zu evakuierende Personen ohne Schutz der Bundeswehr überhaupt Zugang zum Flughafen erhalten würden", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Dienstag zur Begründung.

Bei den Ausgeflogenen handelt es sich um fünf Deutsche, eine Person aus einem anderen europäischen Land und eine afghanische Ortskraft, die für die Bundeswehr oder ein Bundesministerium tätig war oder ist. Mehr Menschen konnten die Maschine auf dem Rollfeld nicht erreichen. Ein Zugang von Personen, die sich am zivilen Teil des Flughafens aufgehalten hätten, sei "von den Partnern, die die Sicherheitsverantwortung am Flughafen ausüben, nicht ermöglicht" worden, erklärte der Sprecher weiter.

Wie evakuiert die Bundeswehr Menschen, die es nicht zum Flughafen schaffen?

Die Taliban haben Kabul wesentlich schneller erreicht als vermutet. Deshalb haben es viele deutsche Staatsbürger und Ortskräfte nicht rechtzeitig zum Flughafen geschafft. Zahlreiche Menschen haben in sogenannten "Safe Houses" Schutz vor den Islamisten gesucht, also in organisierten und geheimen Sammelunterkünften. Doch auch diese werden von den Taliban mittlerweile systematisch durchkämmt, wie die Tagesschau berichtet. Für Betroffene ist es nun ein Wettlauf mit der Zeit.

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Am Dienstag wurden laut einem Tweet des "Spiegel"-Journalisten Matthias Gebauer Fallschirmjäger der Bundeswehr in Kabul beauftragt, Deutsche an Sammelpunkte zu lotsen und sie von dort aus zum militärischen Teil des Flughafens zu lenken. "Ob es gelingt, mag niemand garantieren", schrieb der Krisenreporter auf Twitter.

Besonders schwierig ist die Lage laut Gebauer für afghanische Ortskräfte: "Angeblich überall rund um den Flughafen Checkpoints der Taliban, die Ausländer zwar durchlassen aber keine Afghanen."

Menschen laufen auf dem Rollfeld des Flughafens Kabul neben einer Boeing C-17 der United States Air Force und versuchen, sich an die Maschine zu klammern.
Menschen laufen auf dem Rollfeld des Flughafens Kabul neben einer Boeing C-17 der United States Air Force und versuchen, sich an die Maschine zu klammern. © dpa

Bundeswehr: Wer ist an der Evakuierung in Afghanistan beteiligt?

Die Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte sind speziell für solche Einsätze ausgebildet. Sie sind schnell und flexibel einsetzbar, sollen weltweit jeden Punkt innerhalb von 24 bis 96 Stunden erreichen können. So beteiligt sich die Division an jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr, oft sind ihre Soldaten die ersten vor Ort. Auch deutsche Militärpolizisten ("Feldjäger") und Bundeswehrsanitäter sind an dem bislang wohl größten Evakuierungseinsatz der Bundeswehr beteiligt.

Afghanistan: Wieviele deutsche Soldaten sind am Einsatz?

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will bis zu 600 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten zur Absicherung der Evakuierungsaktion in Afghanistan bereitstellen. Das sagte die CDU-Politikerin am Montag in Berlin in der Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden des Bundestags, an der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnahm.

Am Mittwoch will das Bundeskabinett ihren Mandatsentwurf beschließen, in der kommenden Woche soll dann der Bundestag darüber entscheiden. Die Anzahl von 600 Soldatinnen und Soldaten könnte darin als Obergrenze festgeschrieben werden.

Luftbrücke der Bundeswehr von Afghanistan nach Usbekistan

Für die Aktion werden Bundeswehrmaschinen vom Typ A400M eingesetzt. Sie sind zentraler Bestandteil einer "Luftbrücke". Darüber sollen neben den Botschaftsmitarbeiterinnen und Botschaftsmitarbeiter auch andere deutsche Staatsbürger ausgeflogen werden. Auch Ortskräfte, die für die Bundeswehr oder Bundesministerien in Afghanistan gearbeitet haben oder noch arbeiten, sollen nach Deutschland gebracht werden.

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In den Maschinen des Herstellers Airbus Defence and Space finden bis zu 114 Passagiere Platz, wie die Bundeswehr auf ihrer Homepage schreibt. Die Flugzeuge verfügen über einen besonderen Schutz gegen Angriffe wie etwa durch Raketen. Die Bundeswehr bringt die Betroffenen aus Afghanistan in ihrer Luftbrücke zunächst nach Taschkent im Nachbarland Usbekistan. Von dort aus geht es weiter nach Deutschland.

Bis Sonntag hielten sich Schätzungen zufolge noch mehr als deutsche Staatsbürger in Kabul auf. Die Bundesregierung plant zudem nach AFP-Informationen, etwa 2000 Einheimische aus Kabul auszufliegen. Dabei soll es sich um Ortskräfte handeln, die in Afghanistan für deutsche Stellen gearbeitet haben, aber auch um besonders gefährdete Frauen, Menschenrechtler und weitere Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen. Auch interessant: Kommentar zum Taliban-Vormarsch: Der Westen ist in Afghanistan gescheitert

Die Bundeswehr plant zunächst mit einer zweiwöchigen Operation bis zum 31. August. Ob tatsächlich so lange Zeit bleibt, hängt aber vor allem von den US-Streitkräften ab. Dass die US-Soldaten so lange den Flughafen Kabul sichern, ist nach Experteneinschätzung ungewiss.

Maas: "Operatives Kernteam" bleibt in Afghanistan

Außenminister Heiko Maas (SPD) kündigte am Sonntag an, dass ein "operatives Kernteam" der deutschen Botschaft weiterhin in Kabul bleiben wird: Die Gruppe soll sich am militärisch gesicherten Teil des Flughafens aufhalten, um die Arbeitsfähigkeit der Botschaft zu erhalten und um die weiteren Evakuierungsmaßnahmen begleiten zu können. Das ursprüngliche Botschaftsgebäude wurde bereits geschlossen.

(raer/fmg/dpa/afp)