Berlin/Düsseldorf. Die Union sorgt mit Masken- und Lobbyaffären aktuell für negative Schlagzeilen. Werden die Landtagswahlen zum Debakel für die CDU?

  • Trotz innerparteilicher Aufklärungesversuche könnte die Maskenaffäre der Union schaden
  • Bei der Sonntagsfrage schneiden CDU und CSU aktuell so schlecht ab, wie seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr
  • Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz könnten die Skandale die Partei Stimmen kosten

Die Maskenaffäre in der Union hat die Staatsspitze erreicht – zumindest auf rhetorischer Ebene. Kein Geringerer als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sah sich am Freitag genötigt, jenen Abgeordneten von CDU und CSU öffentlich die Leviten zu lesen, die im Verdacht stehen, bei Masken- und Ausrüstungsgeschäften in der Pandemie Kasse gemacht zu haben. Die bekannt gewordenen Fälle persönlicher Bereicherung verdienten nicht nur Empörung, „sie sind Gift für die Demokratie“, sagte das Staatsoberhaupt in einer Rede bei einem Digitalkongress der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Steinmeier brauchte CDU und CSU namentlich nicht einmal zu erwähnen. Jeder weiß, dass der präsidiale Rüffel sich zuallererst an die Unionsfraktion im Bundestag richtet, die in den vergangenen Tagen gleich drei Abgeordnete durch angekündigte oder schon vollzogene Mandatsniederlegung wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Vorteilsannahme oder anrüchiger Lobbyarbeit für autokratische Staaten wie Aserbaidschan verloren hat. Lesen Sie dazu: Maskenaffäre bei CDU/CSU: Steinmeier spricht von Schande

Landtagswahlen: Die CDU steht mit dem Rücken zur Wand

Vor allem die CDU steht mit dem Rücken zur Wand. Unmittelbar vor den zwei wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am Sonntag herrscht höchste Alarmstimmung. „Ich weiß gar nicht, was nach Super-GAU als Steigerung kommt“, meinte ein Unionsabgeordneter angesichts der Enthüllungen beinahe im 24-Stunden-Takt. Lesen Sie auch: Corona sorgt für Briefwähler-Boom bei den Landtagswahlen

Wahlplakate zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz.
Wahlplakate zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. © imago images/Revierfoto | imago images/Revierfoto

Längst geht es nicht mehr ausschließlich um Deals mit Corona-Schutzausrüstung, bei denen die Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein (bisher CSU) und Nikolas Löbel (bisher CDU) sich durch hohe Provisionen eine goldene Nase verdient haben sollen.

Mit dem Mandatsverzicht des Thüringer CDU-Abgeordneten Mark Hauptmann, der sich in einer eigenen Wahlkreiszeitung Anzeigen unter anderem vom autokratischen Regime aus Aserbaidschan bezahlen ließ und auch bei anrüchigen Geschäften zur Maskenbeschaffung tätig gewesen sein soll, ist der Fokus längst auf ein breites Geflecht an Nebenverdiensten und lukrativen Lobbytätigkeiten ausgeweitet worden.

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CDU: Wird die Masken-Affäre größer als die Parteispendenaffäre?

Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet steht ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl vor einer Situation, die für die Christdemokraten mindestens so bedrohlich werden könnte wie die Parteispendenaffäre zum Ende der Ära Kohl. Laschet weist solche Vergleiche zurück. „Das ist doch absurd“, sagte er bei einer Veranstaltung des „Handelsblatts“. Die aktuellen Fälle, bei denen Abgeordnete „in einer medizinischen Notlage Geschäfte gemacht“ hätten, hätten „Nullkommanull“ damit zu tun, dass „ein CDU-Parteivorsitzender, der auch Bundeskanzler war“ bestimmte Spenden nicht ordnungsgemäß verbucht habe

Die Unionsspitze versucht mit Blick auf den Wahlsonntag zu retten, was zu retten ist. Am Freitag um 18 Uhr lief eine Frist für jene Ehrenerklärungen ab, in denen die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU versichern sollten, sich nicht an Aufträgen mit Schutzausrüstung bereichert zu haben. Am frühen Abend gab die Fraktionsführung bekannt, dass alle Abgeordneten die Erklärung unterschrieben hätten.

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Unions-Fraktionsspitze lobt Mitglieder für abgegebene Erklärungen

In einem Brief an die Mitglieder der Fraktion lobten Fraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt diese, sie hätten „damit klargestellt, dass sie in der Corona-Pandemie mit aller Kraft dafür gearbeitet haben, die Krise zu bewältigen, Bürgern zu helfen und Unternehmen zu unterstützen, ohne einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen“.

Schon am Vormittag hatten Brinkhaus und Dobrindt einen Zehn-Punkte-Plan für mehr Transparenz vorgelegt. Ziel sind auch schärfere gesetzliche Regelungen. „Zukünftig sollen Abgeordnete des Deutschen Bundestages ihre Nebenverdienste ab 100.000 Euro auf Euro und Cent genau angeben“, heißt es in dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt. Abgeordnetenbestechung oder -bestechlichkeit sollen als Verbrechen und nicht mehr als Vergehen geahndet werden. Die Mindeststrafe solle auf ein Jahr Freiheitsstrafe erhöht werden.

SPD und Grüne kritisieren, das Aufwachen von CDU und CSU, die jahrelang härtere Transparenzregeln für Lobby- und Nebentätigkeiten blockiert hätten, komme reichlich spät und sei unglaubwürdig.

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CDU und Bestechlichkeit: Massive Kritik vom Bundespräsidenten

Dazu kommt die massive Kritik aus dem Schloss Bellevue. Steinmeier erklärte, Millionen Menschen nähmen in der Pandemie seit Monaten Einschränkungen hin, verlören Einkommen, verzichteten auf den Besuch bei Eltern oder Enkeln und ängstigten sich um die Gesundheit und das Leben ihrer Familien: „Und müssen dann hören, dass ausgerechnet Abgeordnete die Hand aufhalten, bevor der bescheidene medizinische Schutz in Gestalt von Gesichtsmasken die Menschen überhaupt erreicht.“ Außerdem hätten die betroffenen Abgeordneten in unfassbaren Größenordnungen Provisionen kassiert. „Das ist schäbig und das ist schändlich“, sagte Steinmeier.

Für den möglichen Kanzlerkandidaten Laschet spitzt sich die Lage zu. Sollte das Vertrauen der Bevölkerung weiter erodieren, droht der Union ein heißer Wahlkampf um das Kanzleramt.

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