Washington. Seit Tagen wird über US-Pläne berichtet, die Zahl der Soldaten in Deutschland zu verringern. Donald Trump bestätigt erstmals die Pläne.

Die US-Truppenabzugspläne aus Deutschland tragen jetzt offiziell den Stempel einer Strafaktion des amerikanischen Präsidenten gegen Berlin. Donald Trump hat die durch Medienberichte bekannt gewordenen Facetten – Reduzierung um 9500 GI’s auf 25.000 Soldaten – am Montag zum ersten Mal persönlich bestätigt, ohne jedoch einen konkreten Zeitplan zu nennen. Dabei folgte er in der Argumentation dem aggressiven Ton, mit dem der kürzlich zurückgetretene US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, agierte.

Trump verknüpft den von vielen ehemaligen und amtierenden Top-Militärs in Washington als „strategischen Fehler” und “Geschenk an Moskau” bezeichneten Teilabzug damit, dass Deutschland seiner Selbstverpflichtung bei den Verteidigungsausgaben (zwei % des Bruttoinlandsprodukts bis 2024) nicht nachkomme. Die Bundesrepublik liegt bei rund 1,4 % und stellt damit nach Amerika und Großbritannien das drittgrößte Militärbudget (knapp 54 Milliarden Dollar) unter den 30 Nato-Mitgliedsländern. Für Trump zu wenig.

Truppenabzug: Handelskonflikt und Gas-Pipeline beeinflussen Trumps Entscheidung

„Deutschland ist seit Jahren säumig und schuldet der Nato Milliarden Dollar, und das müssen sie bezahlen”, sagt der Präsident am Rande eines Termins über Senioren-Politik im Weißen Haus. Prompt widersprachen Verteidigungsexperten im Kongress: „Deutschland schuldet der Nato gar nichts. Deutschland zahlt wie die USA knapp 16,5 % des gemeinsamen Nato-Budgets”, sagte eine demokratische Verteidigungsexpertin, „das darf man mit 2014 vereinbarten Steigerungsraten für die nationalen Verteidigungshaushalte nicht verwechseln.”

Trump, fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl wegen der Coronavirus massiv unter Druck und in Umfragen hinter seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden, führte den bestrafenden Charakter der Maßnahme sogar noch weiter aus, indem er auf die ökonomischen Schäden in den Regionen hinwies, in denen GI`s abziehen sollen. „Das sind gut bezahlte Soldaten. Sie leben in Deutschland. Sie geben viel von ihrem Geld in Deutschland aus.” Trump deutete zudem an, dass auch der ungelöste Handelskonflikt mit der EU (er fühlt die US-Wirtschaft im Nachteil) und die von den USA kategorisch abgelehnte Gas-Pipeline Nord-Stream 2 in seine Entscheidung hineinspielen.

Abgeordnete lehnen den Teiltruppenabzug ab

„Warum zahlt Deutschland Russland Milliarden Dollar für Energie, und dann sollen wir Deutschland vor Russland schützen? Wie soll das funktionieren? Es funktioniert nicht.” Das Argument, die USA schützten mit ihrem Truppenkontingent von knapp 52.000 Kräften (militärische und zivile) in Deutschland vor allem das Gastgeberland, hatten vor wenigen Tagen bereits über 20 republikanische Kongress-Abgeordnete in einem Brief an den Präsidenten als abwegig bezeichnet.

Trump- Wir sind nicht die Polizisten der Welt

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    Danach seien herausragende Einrichtungen wie der Luftwaffenstützpunkt Ramstein (Drehkreuz für Einsätze im Nahen Osten und in Afrika) oder das Medizinische Zentrum in Landstuhl (wo im Irak und Afghanistan verwundete US-Soldaten behandelt werden), logistische Plattformen für die Stärkung der Nato und der nationalen Sicherheit Amerikas. Die Abgeordneten lehnen den Teiltruppenabzug ab: „Die Bedrohungen durch Russland sind nicht weniger geworden und wir glauben, dass Zeichen eines verminderten US-Engagements für die Nato weitere russische Aggression und Opportunismus fördern werden.”

    Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein (Kalifornien) schrieb in einem Brief an den Europa-Kommandeur der US-Truppen, General Tod Wolters, dass ein „so drastischer Truppenabbau” in Deutschland „die Sicherheit Amerikas und die unserer Partner gefährden würde” und anderen Alliierten das Signal gebe, „dass wir unzuverlässige Partner sind”. Die 86-Jährige betonte, was in Washington Stadtgespräch in Sicherheitskreisen ist: Kein einziger Top-Vertreter des Pentagon hat bisher zu Trumps Absichten Stellung genommen, sie zustimmend unterfüttert oder mit einem klaren Zeithorizont versehen

    Pläne von US-Präsident Trump zum Teilabzug von Truppen „offene Erpressung“

    Die Androhung des Teilabzuges löste bei deutschen Politikern in den vergangen Tagen Kopfschütteln aus. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans nennt das Vorgehen ein Wahlkampfmanöver. Angesprochen auf die Kritik Trumps, Deutschland zahle noch immer weniger als die veranschlagten zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes als Nato-Beitrag, sagte er bei NTV: „Was ist das für eine Zahl, dass, wenn die Wirtschaft wächst, man aufrüsten muss!? Oder jetzt, wenn sie schmilzt und schrumpft, dass man abrüsten soll?“

    Deutlicher noch äußerte sich Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch: „Dass ein US-Präsident die Bundesregierung offen erpresst, ist unter Partnern ein No-Go! Aus der transatlantischen Partnerschaft ist eine transatlantische Erpressung geworden“, sagte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Der stellvertretende Unionsfraktionschef Johann Wadephul nannte die Maßnahme und ihre Begründung „falsch“: „Jede Reduktion militärischer Präsenz verschärft die Probleme, statt sie zu lösen.“

    Rückendeckung erfährt Donald Trump hingegen von der FDP. Fraktionsvize Michael Theurer meint, die Bundesregierung hätte auf die Zwei-Prozent-Forderung mehr eingehen müssen: „Es war doch offensichtlich, dass eine mittelfristige Finanzplanung mit sinkenden Verteidigungsausgaben in den USA als Affront gesehen wird“, so Theurer.

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    Deutschland und die USA: Die Beziehung ist angespannt

    Die US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher, hatte im vergangenen August auf Twitter mitgeteilt: „Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der Nato. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die amerikanischen Truppen in Deutschland nach Polen kämen.“ Der damalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hatte gesagt, es sei „wirklich beleidigend“ zu erwarten, dass der US-Steuerzahler für die amerikanischen Truppen in Deutschland bezahlten, während die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwendeten.

    Das Verhältnis zwischen der Trump-Regierung und Berlin ist seit langem angespannt. Zuletzt hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Trumps Pläne durchkreuzt, in diesem Monat einen G7-Gipfel im Weißen Haus abzuhalten – sie hatte wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Nach Merkels Absage sah sich Trump veranlasst, den Gipfel voraussichtlich auf September zu verschieben.

    Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, war in der vergangenen Woche gefragt worden, ob Trump den Abzug von Soldaten wegen Merkels Absage veranlasse. McEnany hatte daraufhin einen Teilabzug zwar nicht bestätigt. Sie sagte aber, Trump treffe keine Entscheidungen, um bestimmte Staats- oder Regierungschefs zu bestrafen. „Er handelt im besten Interesse der Vereinigten Staaten.“

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    (mit dpa/yah)