Berlin. Nach Ansicht von Horst Seehofer ist der Asylstreit mit der Kanzlerin vorbei. Doch ob der Kompromiss die AfD schwächt, ist fraglich.

Der Asylstreit zwischen CDU und CSU hat die große Koalition an den Abgrund geführt und ganz Europa in Atem gehalten – doch CSU-Chef Horst Seehofer hält den Konflikt mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nun für erledigt. „Wir schauen nach vorne“, sagte der Bundesinnenminister der „Bild am Sonntag“.

„Ich sage immer: Die Windschutzscheibe ist größer als der Rückspiegel.“ Die CSU habe eine Asylwende durchgesetzt. „Wir senden damit das Signal in die Welt, dass sich illegale Migration nicht mehr lohnt.“ Und mit Merkel könne er „selbstverständlich“ weiter vertrauensvoll zusammenarbeiten.

AfD gleichauf mit SPD

Ob die Kanzlerin das genauso sieht? Und ob sich das Drama für die CSU auszahlen wird? Fakt ist: In einer neuen Umfrage steigt die AfD um drei Punkte auf den Rekordwert von 17 Prozent. Sie ist erstmals so stark wie die SPD, die um zwei Zähler nachgibt, wie der Sonntagstrend ergab, den Emnid wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erstellt und bei dem 1894 repräsentativ ausgewählte Personen befragt wurden.

Auch die CDU/CSU verliert zwei Punkte, nur noch 30 Prozent würden aktuell die Union wählen. Die große Koalition hätte damit keine Mehrheit mehr. Ähnliche Ergebnisse zeigt das neue RTL/n-tv-Trendbarometer, für das Forsa 2502 Personen befragte. Die AfD erreicht auch hier einen Höchstwert – mit 16 Prozent.

Union und SPD legen Asylstreit bei

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    Gleichwohl sieht Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder, der im Oktober die Landtagswahl zu bestehen hat, die Chance, die AfD mit den Asylplänen zu schwächen. Der Kompromiss sieht vor, dass Asylbewerber, die in einem anderen EU-Staat bereits einen Asylantrag gestellt haben, künftig von Bayern aus rasch zurückgeschickt werden können. „Auf jeden Fall drängt es die AfD zurück“, sagte Söder dazu der „Welt am Sonntag“. Die jüngsten Umfragen zeigen aber das genaue Gegenteil.

    Bundespräsident rüffelt Söder für Begriff „Asyltourismus“

    Söder hatte während des Konflikts den Begriff „Asyltourismus“ für Migranten geprägt, die in andere EU-Länder weiterziehen. Das rüffelte nun der Bundespräsident. Gerade an

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    gebe es die Anforderung, „auch auf Sprache zu achten“, sagte Frank-Walter Steinmeier im Sommerinterview der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.

    Viele empörte Bürger hätten ihm geschrieben. Er hätte einige zurückgerufen und werde dann gefragt: „Wie sollen wir denn hier vor Ort mit Augenmaß, mit Vernunft um das richtige Argument streiten, wenn die große Politik ihren Vorbildcharakter nicht wahrnimmt.“ Steinmeier mahnte angesichts der Eskalation: „Wir müssen zurück zur Vernunft“.

    Nahles: Union betreibt Geschäft der AfD

    Auch der Koalitionspartner forderte eine Mäßigung. SPD-Chefin

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    meinte, dass CSU und CDU das Geschäft der AfD betrieben. „Wenn Herr Söder und (die stellvertretende CDU-Vorsitzende) Frau Klöckner von 'Asyltourismus' sprechen, reden sie wie die

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    . Das verschiebt Maßstäbe, verletzt Werte, bedient Ressentiments“, sagte sie der „Welt am Sonntag“.

    SPD-Vize Ralf Stegner legte via Twitter noch einen drauf: Wer so rede, sei „entweder ein hirnloser rechter Vollpfosten oder ein übler rechtspopulistischer Demagoge“.

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    Das Ganze zeigt: Von Frieden ist die große Koalition weit entfernt. Klar ist zudem auch: In der für die CSU wichtigsten Frage gibt es nun einen Kompromiss auf recht tönernen Füßen. Sie wollte eigentlich alle Asylbewerber, die woanders bereits registriert sind, an der deutsch-österreichischen Grenze zurückweisen.

    Die offene Frage nach den Rücknahmeabkommen

    Nun geht es nur noch um Asylbewerber, die in anderen EU-Staaten schon einen Asylantrag gestellt haben und an der Grenze abgefangen werden. Seehofer geht von maximal fünf Fällen am Tag aus. Binnen 48 Stunden sollen sie zurück in das Land gebracht werden, wo der Antrag gestellt wurde.

    Voraussetzung dafür aber ist, dass ein Abkommen mit dem zuständigen Land ausgehandelt werden kann. Sonst reisen sie in Deutschland ein und durchlaufen ein reguläres Prüfverfahren. Italien und andere Länder sind aber bisher nicht zu einem Rücknahmeabkommen bereit – weshalb der Kompromiss wie ein Soufflé zusammensacken könnte.

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    droht für diesen Fall wieder mit direkten Zurückweisungen an der Grenze, was den Konflikt neu entfachen würde. Er hatte in dem

    mit Blick auf Merkel und seine mögliche Entlassung bei einem Alleingang an der Grenze betont: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.“

    Intern drohte er mit dem Rücktritt als

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    -Chef und Innenminister, bevor Merkel ihn rauswerfen würde. Die Eskalation brachte nicht nur die Unionsgemeinschaft, sondern auch Merkels Kanzlerschaft in Gefahr.

    Scharfe Kritik an Asyl-Kompromiss

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      Warten auf den „Masterplan Migration“

      Am Dienstag will Seehofer seinen

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      vorstellen. Am Donnerstag will er am Rande des EU-Innenministertreffens in Innsbruck mit den Kollegen Matteo Salvini aus Italien und Herbert Kickl aus Österreich beraten. Die beiden Rechtspopulisten sehen die deutschen Pläne bisher skeptisch.

      In der Sache ist also wenig gelöst - zwischenmenschlich gar nichts. Um Entschuldigung gebeten hat Seehofer Merkel nicht. „Ich verstehe die Frage nicht. Wir hatten eine inhaltliche Auseinandersetzung. Aber es gab keinerlei persönliche Herabsetzung. Dann kann man sich auch nach einem Streit weiter in die Augen sehen“, sagte er der „BamS“.