Berlin. Polemik am politischen Aschermittwoch: Angela Merkel pocht auf Kompromisse. Indes verkündet Andrea Nahles die „Göttinnendämmerung“.

Der politische Aschermittwoch steht in diesem Jahr ganz im Zeichen der Regierungsbildung. Rund eine Woche nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD und inmitten innerparteilicher Auseinandersetzungen der Großkoalitionäre treten Spitzenpolitiker heute zum traditionellen Fernduell an. Die wichtigsten Äußerungen im Überblick:

Angela Merkel fordert von allen Parteien Kompromissfähigkeit

CDU-Chefin Angela Merkel ist parteiinterner Kritik wegen zu vieler Zugeständnisse für eine neue Koalition entschieden entgegengetreten. Außerdem hat sie angesichts der Führungskrise bei der SPD und der langwierigen Regierungsbildung alle Parteien zu Kompromissfähigkeit aufgerufen. „Es ist nicht die Zeit für mit dem Kopf durch die Wand, sondern es ist die Zeit für Vernunft und Verstand“, sagte Merkel beim politischen Aschermittwoch der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Demmin.

„Es geht nicht um Verleumdungen und Unterstellungen, sondern es geht darum, dass wir wieder lernen, uns gegenseitig zu achten und zuzuhören und auch das Gute beim anderen zu sehen und nicht nur das Schlechte.“

„Es geht jetzt im Augenblick nicht darum, permanent zu fragen, was macht der andere falsch“, warnte Merkel, ohne die SPD oder andere Parteien direkt anzusprechen. In der aktuellen Lage müsse sich jede Partei vielmehr fragen: „Was kann ich für dieses Land tun. Denn das ist die Aufgabe von Politik: Zu dienen und nicht rumzumosern.“

Nahles: „Göttinnendämmerung“ bei Merkel hat begonnen

Andrea Nahles äußert sich am politischen Aschermittwoch ziemlich drastisch.
Andrea Nahles äußert sich am politischen Aschermittwoch ziemlich drastisch. © Getty Images | Lukas Schulze

Die designierte SPD-Vorsitzende Andrea Nahles verteilte am politischen Aschermittwoch indes kräftige Seitenhiebe gegen Angela Merkel. Die „Göttinnendämmerung“ habe längst begonnen, sagte die SPD-Bundestagsfraktionschefin bei einer Veranstaltung im nordrhein-westfälischen Schwerte. Merkel sei in ihrer eigenen Partei „angezählt“. Wenn die SPD ihre Erneuerung schaffe, habe sie wieder die Nase vorne.

Nahles warb nach den heftigen parteiinternen Querelen der vergangenen Tage um Zusammenhalt in der SPD für eine Erneuerung. „Ich kann das nicht alleine schaffen, wir müssen uns unterhaken.“ Die SPD werde gebraucht, sie werde selbstbewusst Merkel die Stirn bieten.

CSU-Generalsekretär: Es hat sich „ausgeschulzt“

In der Dreiländerhalle in Passau begrüßten rund 4000 CSU-Anhänger bei Bier und Brotzeit den designierten bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und weitere CSU-Politiker zum politischen Aschermittwoch.

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    CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer teilte bei seinem Auftritt gegen den zurückgetretenen SPD-Chef Martin Schulz und den abgewählten sozialdemokratischen Bundeskanzler Österreichs, Christian Kern, aus: „Es hat sich ausgeschulzt und weggekernt.“ An Schulz’ kommissarischen Nachfolger Olaf Scholz gerichtet sagt Scheuer ironisch: „Wenn er solche Parteifreunde hat, dann ist mir um seine Zukunft nicht bange.“

    Söder wirbt um „demokratische Rechte“

    Söder forderte die Unionsparteien auf, ihren Standort „grundlegend zu überdenken“. „Wir sind für die bürgerliche Mitte da, aber wir wollen auch die demokratische Rechte wieder bei uns vereinen“, sagte er. „Das heißt nicht Rechtsruck, das heißt Rückkehr zu alter Glaubwürdigkeit.“ Die Union müsse Wählern deutlich machen, dass die AfD „keine Ersatz-Union“ und „nicht bürgerlich“ sei.

    Söder erntete von seinen Zuhörern Jubel und langen Applaus für seine Forderung nach konsequenteren Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. „Nach wie vor sind wir das einzige Land der Welt, in das man ohne Pass hinein- aber nicht mehr hinauskommt“, sagt der CSU-Politiker ironisch. „Nehmen wir den Rechtsstaat ernst, dann darf er auf Dauer nicht kapitulieren.“

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      Olaf Scholz bleibt sachlich

      In seiner ersten Rede als kommissarischer SPD-Chef verzichtete Olaf Scholz zunächst auf Attacken gegen andere Parteien. Er konzentrierte sich im bayerischen Vilshofen darauf, die Erfolge der SPD in den Koalitionsverhandlungen herauszustellen. „Das Ausmaß, das die befristete Beschäftigung in Deutschland hat, das ist nicht in Ordnung“, sagt Scholz. Das wolle und werde die SPD ändern.

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        Scholz mahnte zudem, auch die vereinbarte Reform in der Europapolitik sei ein Grund, dem Koalitionsvertrag mit der Union zuzustimmen. „Denn jetzt ist das Zeitfenster, und nicht in fünf Jahren und in zehn Jahren. Vielleicht gibt es dann keines mehr. Und jetzt müssen wir handeln, liebe Genossinnen und Genossen.“

        Thomas Strobl hält CDU für regierungsbereit

        Thomas Strobl, Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg und Koalitionsverhandler, lehnt ein weiteres Entgegenkommen an die SPD ab. „Es ist jetzt genug, weitere Zugeständnisse kann es nicht geben“, sagte er im baden-württembergischen Fellbach. Die CDU sei regierungsbereit und fürchte auch keine Minderheitsregierung.

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          Kritik an Kanzlerin Merkel aus den eigenen Reihen wiegelt er ab. „Die Bundeskanzlerin hat vor der Bundestagswahl erklärt, dass sie vier Jahre Bundeskanzlerin sein möchte, dem ist überhaupt nichts hinzuzufügen.“ Finanzstaatssekretär Jens Spahn betont den Anspruch der CDU, rechts neben sich keine politische Kraft zu akzeptieren. „Wir wollen nicht mit der AfD koalieren, wir wollen sie überflüssig machen, indem wir Vertrauen zurückgewinnen“, sagte er.

          Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wird wie üblich erst am Abend auftreten – im viele Hundert Kilometer entfernten Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. Erwartet werden maximal 1000 Zuschauer.

          FDP-Chef kritisiert Koalitionsvertrag

          Christian Lindner genießt sein Bier.
          Christian Lindner genießt sein Bier. © dpa | Nicolas Armer

          FDP-Chef Christian Lindner übte in Dingolfing scharfe Kritik am Koalitionsvertrag von Union und SPD. Auf 152 von 177 Seiten finde sich das Wort „weiter“. „In diesen Zeiten gibt es nichts Gefährlicheres als ein ‘Weiter so’“, sagte er. 16 Kommissionen würden eingesetzt, weil sich Union und SPD nicht entscheiden wollten. Politische Widersprüche und Unterschiede würden „mit Milliarden und Abermilliarden zugeschüttet“. Nach zwölf Jahren sei die „Methode Merkel“ an ein Ende gekommen.

          Lindner rief die „staatstragenden, seriösen Kräfte“ auf, sich angesichts von „Systemgegnern“ im Parlament mit Polemik zurückzuhalten. Ausgerechnet die CSU spreche davon, dass sich andere Parteien selbst zerfleischten, sagt Lindner. Alle hätten jedoch noch die jahrelange Auseinandersetzung zwischen Horst Seehofer und Markus Söder in Erinnerung. „Ein bisschen weniger Häme“, empfahl er.

          Grünen-Chef will CSU in Bayern vom Thron stoßen

          Mit kämpferischen Worten stimmte Grünen-Bundeschef Robert Habeck seine Partei auf die Landtagswahl in Bayern ein. „Die Grünen wollen den Absolutismus der CSU brechen“, rief Habeck vor etwa 400 Zuhörern in Landshut. „Dieses Land gehört keiner Partei, dieses Land gehört nicht der CSU.“ Bei den Grünen gebe es eine Vision „für eine großartige Veränderung“.

          Habeck forderte, mehr Verantwortung für die Umwelt weltweit zu übernehmen und verwies auf die jüngsten Berichte zum Anstieg der Meeresspiegel. „Wir werden nicht untergehen. Wir haben Geld.“ In anderen Teile der Welt sehe das anders aus. Sich angesichts von Not und Kriegen abzuschotten und Flüchtlinge nicht haben zu wollen, sei „bigotte Politik“. Der Grünen-Chef erinnerte zudem an den Journalisten Deniz Yücel, der seit einem Jahr in der Türkei in Haft ist, und er kritisierte Waffenlieferungen aus Deutschland in Krisengebiete. (rtr/dpa)