Berlin. Union und SPD wollen bis Donnerstagnacht eine Grundlage für Koalitionsverhandlungen schaffen. Die Flüchtlingspolitik ist umstritten.

Die Suche nach einer stabilen Regierung wirkt wie ein zäher Marathonlauf. Dazu passt das Outfit, in dem Olaf Scholz sich am vierten Tag der Sondierungen zeigt. Aus dem Nebel vor der CDU-Parteizentrale

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. Nach einer Sitzung der Steuer-Arbeitsgruppe hat Scholz – von Sicherheitsleuten begleitet – ein paar Runden im nahen Tiergarten gedreht. Anschließend kommt er ins Konrad-Adenauer-Haus zurück, nun im für Politiker üblichen Businessanzug und nach einer Dusche in der Hamburger Landesvertretung.

Union und SPD stehen schwer unter Zeitdruck.

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, die sie ihren Parteien präsentieren. Es wird hart gerungen, um Steuern, Sozialabgaben, Flüchtlinge, Bildungsfragen, die Digitalisierung. Ein Überblick:

• Wie ist die Stimmung bei den Sondierern?

SPD-Vize Ralf Stegner drückt es so aus. „Die Stimmung ist wie das Wetter“, sagt er mit Blick auf den trüben Berliner Himmel. „Schauen wir mal, ob sich der Nebel lichtet“, meint CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Doch ganz so schlimm ist die Atmosphäre nicht. Gerade unter den Partei- und Fraktionschefs schätzt man sich sehr. CSU-Chef Horst Seehofer ist mittlerweile mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz per Du. Ansonsten kommt man voran,

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, was vor allem SPD-Leute beklagen. Deshalb wird es in einigen Runden durchaus laut.

Doch die

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. Das war bei den Jamaika-Verhandlungen gänzlich anders. CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller verteilt Glückskekse in den Beratungen – allerdings verbunden mit einem politischen Anliegen: Das Gebäck stammt von der Nichtregierungsorganisation One, mit Forderungen, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe auszugeben.

• Wer hat was zu verlieren?

Für die CDU-Vorsitzende Angela Merkel geht es um viel: Schafft sie es, mit einer stabilen Regierung in eine neue Amtszeit zu starten? Sollte es ihr auch im zweiten Anlauf nicht gelingen, eine Regierung zu bilden, wäre sie politisch schwer beschädigt. Ob ihre Partei im Falle von Neuwahlen nochmal eine erneute Kandidatur mittragen würde, ist zumindest fraglich.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer tut alles dafür, dass eine Regierung mit der SPD zustande kommt. Er wird in den nächsten Wochen nach einem parteiinternen Machtkampf das Amt als bayerischer Ministerpräsident an seinen Widersacher Markus Söder übergeben müssen und setzt deswegen auf einen wichtigen Ministerposten in Berlin.

Für den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz läuft das Endspiel seiner Karriere. Lehnt der SPD-Sonderparteitag am 21. Januar in Bonn das Ergebnispapier der Sondierungen ab, müsste Schulz aller Voraussicht nach einpacken. Gelingt es ihm aber, der Union weitreichende Zugeständnisse bei Europa, Steuern, Pflege und Rente abzuringen und die eigenen Mitglieder von einem Koalitionsvertrag zu überzeugen, könnte er mit neuer Autorität Vizekanzler und Außenminister werden.

• Wie viel Macht hat Bundespräsident Steinmeier?

Frank-Walter Steinmeier ist die graue Eminenz in dieser für Deutschland ungewöhnlichen Phase der politischen Unsicherheit. Er hält dank der Verfassung (Artikel 63) wichtige Fäden in der Hand. Auf seinen sanften Druck hin revidierte die SPD ihren Nie-wieder-große-Koalition-Beschluss und sitzt mit der Union am Verhandlungstisch. Beim Neujahrsempfang in Schloss Bellevue machte der frühere SPD-Außenminister deutlich, dass die Sondierer allmählich zu einem Ende kommen sollten. Einigen sich Union und SPD auf eine Groko-Neuauflage, ist alles gut.

Merkel hätte im Bundestag eine stabile Mehrheit für ihre fünfte Amtszeit. Scheitern die Gespräche, könnte Steinmeier Merkel dennoch zur Kanzlerwahl vorschlagen. Mit relativer Mehrheit in einem dritten Wahlgang im Parlament würde sie dann eine Minderheitsregierung anführen – was Merkel aus Gründen der Stabilität für Europas Schwergewicht Deutschland partout nicht will.

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      Nicht ausgeschlossen ist auch eine Rolle rückwärts: Steinmeier ist kein Freund einer Neuwahl. Lassen die SPD-Mitglieder, die einem möglichen Koalitionsvertrag zustimmen müssen, die Groko durchfallen, könnte der Bundespräsident notfalls versucht sein, Grüne und FDP zurück an den Verhandlungstisch zu holen.

      • Wie lange kann es noch eine geschäftsführende Regierung geben?

      Das Grundgesetz sieht keine Beschränkung vor. Auch andere europäische Länder, etwa die Niederlande oder Spanien, haben Zeiten langer Regierungsbildungen hinter sich. Trotzdem kommt es zu Problemen: Solange keine handlungsfähige Bundesregierung besteht, kann kein neuer Bundeshaushalt verabschiedet werden.

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        Erlaubt sind derzeit nur Ausgaben, die nötig sind für normale Abläufe von Behörden oder für bereits laufende Bauten und öffentliche Projekte. Und ohne deutsche Regierung hängt auch in der EU vieles in der Luft, zumal die Verhandlungen über den milliardenschweren EU-Finanzrahmen für das kommende Jahrzehnt in der zweiten Jahreshälfte beginnen sollen. Auch sieben Auslandseinsätze der Bundeswehr hängen derzeit in der Schwebe, darunter die größten und wichtigsten – etwa der Afghanistan-Einsatz.

        • Wann ist klar, wer welche Ministerposten bekommt?

        Wie 2013 wollen Union und SPD die Ministerien ganz am Ende und in der Chefrunde verteilen. Der Eindruck eines Postengeschachers soll vermieden werden. Hinter den Kulissen wird in den Parteien natürlich schon über mögliche Ressorts diskutiert. Die SPD kann wie bisher mit fünf Ministern rechnen und könnte als Schlüsselministerien wieder Außen (Schulz?), dazu Finanzen (Sigmar Gabriel, Olaf Scholz?) und Bildung/Forschung erhalten. Klar ist, bei den Genossen müssen genauso viele Frauen wie Männer ins Kabinett. Die CSU dürfte wieder drei Häuser erhalten, darunter ein „Superministerium“ für Seehofer.

        Bei der CDU gelten Innen und Verteidigung als gesetzt, ein starkes Wirtschaftsministerium mit der Digitalisierung könnte für Kanzleramtsminister und geschäftsführenden Finanzminister Peter Altmaier interessant sein. Um alle Wünsche zu befriedigen, könnte es auch ein zusätzliches Ministerium geben – etwa für Integration.

        • Was sind die strittigsten Themen in den Verhandlungen?

        Eines der größten Problemfelder ist, ähnlich wie bei den Jamaika-Gesprächen auch, die Flüchtlingsfrage. Die Zeit drängt hier, am 18. März läuft die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus – das betrifft vor allem viele Syrer – aus. Die Union will ihn ausgesetzt lassen, die SPD nicht. Will man den Nachzug weiter außer Kraft lassen, dann muss bis spätestens Anfang Februar eine Regelung her. Eine angedachte Kompromisslösung wäre eine Lösung für Härtefälle oder eine Beschränkung auf rund 40.000 Nachziehende.

        Am Donnerstag kommt auch die Finanzenarbeitsgruppe noch einmal zusammen. Zum einen will man sichergehen, dass die Ausgabenwünsche 45 Milliarden Euro nicht überschreiten. Auch eine finale Einigung bei der Frage des Spitzensteuersatzes steht noch aus. Weitgehend Konsens zwischen CDU, CSU und SPD ist, diesen erst ab 60.000 Euro greifen zu lassen – eine schrittweise Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent lehnt die Union bislang ab. Das sei in Zeiten von großen Überschüssen der eigenen Klientel nicht vermittelbar, heißt es.