Berlin/München. Der CSU-Chef und bayrische Ministerpräsident Seehofer verschiebt wichtige Weichenstellung. Es läuft auf eine Teilung der Macht hinaus.

Der Showdown in der CSU ist vertagt. Mal wieder. Noch gibt es nur Hinweise, wie es mit dem viel kritisierten Vorsitzenden der CSU, Horst Seehofer, weitergeht. Der Verlauf des Tages zeigt, wie zäh in Bayern um die Macht gekämpft wird.

Der bayerische Ministerpräsident steht seit der verheerenden Niederlage mit 38,8 Prozent für die CSU bei der Bundestagswahl massiv in der Kritik. Während Seehofer in Berlin über eine Jamaika-Koalition mit CDU, den Grünen und der FDP verhandelte, äußerte er sich nicht zu seinen Plänen.

Seehofer gibt sich versöhnlich

Es wurde spekuliert, ob der 68 Jahre alte Politiker die Macht teilt, aufgibt – oder für beide Ämter wieder antritt. Eigentlich plante der CSU-Chef, mit den Mitgliedern der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag und dem Parteivorstand nun endlich über das Ergebnis seiner Selbst-Sondierung zu sprechen.

Vor der Sitzung der Landtagsfraktion am Mittag gibt sich Seehofer versöhnlich: Er strebe eine einvernehmliche Lösung in „Harmonie“ und „Kameradschaft“ an. Es sei wichtig, dass die CSU geschlossen auftrete.

Söder und Seehofer stehen in „intensivem Kontakt“

Er werde den Tag über noch Gespräche führen, auch mit dem bayerischen Finanzminister Markus Söder. Dieser ist Seehofers Erzrivale in der CSU. Zwei Alphatiere, die einander in herzlicher Abneigung verbunden sind.

Seehofer betont, er habe mit Söder zwar noch nicht persönlich gesprochen, sei aber seit Mittwochabend in „intensivem Kontakt“. Das lässt die Beobachter auf den Gängen des bayerischen Landtags aufhorchen. Intensiver Kontakt? Die beiden haben seit langer Zeit jedes Zwiegespräch gemieden.

Dann gibt es plötzlich eine Eilmeldung: Söder solle Ministerpräsident werden, Seehofer bleibe Parteichef. Seehofers Sprecher dementiert sofort, ist verärgert. Es sei nichts entschieden, es seien auch keine Namen genannt worden. Waren da Söder-Befürworter zu schnell? Wollten sie schon mal Tatsachen schaffen?

Steinmeier empfängt Seehofer nach Jamaika-Aus

weitere Videos

    Entscheidung soll erst am 4. Dezember fallen

    Teilnehmer der Sitzung berichten jedenfalls, es sei nicht über Namen gesprochen worden. Beide Lager konstatieren jedoch eins: Seehofer wirkt versöhnlich, verspricht seiner Fraktion eine „befriedende“ Lösung für die künftige personelle Aufstellung der CSU. „Sein Tenor war klar: Ich bin gesprächsbereit, ich fühle mich nicht unersetzlich“, freut sich ein Sitzungsteilnehmer. Seehofer stellt sich nicht mehr kategorisch gegen einen Ministerpräsidenten Söder, kann sich womöglich sogar eine Ämtertrennung vorstellen. Es fällt kein böses Wort über die vergangenen Angriffe und Intrigen. Stattdessen reicht Seehofer allen die Hand. Selbst die angriffslustigsten Seehofer-Gegner bleiben in der Aussprache stumm, „wenn auch mit der geballten Faust in der Tasche“, wie sie sagen.

    Seehofer sagt nach der Sitzung, „nicht mal ein Viertelsatz“ sei zu irgendwelche Namen gefallen. Entscheidung also vertagt. Erst am 4. Dezember soll der CSU-Vorstand offiziell die Personalfragen klären.

    Am Abend in der Vorstandssitzung wird Seehofer zu Beginn nicht wesentlich konkreter. Er macht deutlich, dass er mit einem Beratergremium aus den beiden Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel sowie Parteivize und Landtagspräsidentin Barbara Stamm Gespräche in der Partei führen will.

    Die Ämtertrennung könnte der Königsweg sein

    Allen Dementis zum Trotz: Die Ämtertrennung könnte der Königsweg sein. Seehofer holt Söder gezwungenermaßen ins Boot, bleibt aber selbst weiter auf der Kommandobrücke. Dass Seehofer ganz aufgibt, ist ohnehin unwahrscheinlich. Er ist ein Machtmensch, möchte nicht, dass in den Geschichtsbüchern die krachende Wahlschlappe als letztes Kapitel über ihn stehen bleibt.

    Und doch haben die letzten Wochen Spuren hinterlassen: Lange, zähe Verhandlungen, Rücktrittsforderungen, Anfeindungen sogar aus dem eigenen Kabinett. „Es wäre ja schlimm, wenn das keine Spuren bei einem hinterlässt und einfach abperlt“, sagte er kurz nach der Wahl.

    Seehofer ist seit 45 Jahren in der Politik: 28 Jahre im Bundestag, zwölf Jahre als Staatssekretär und Bundesminister, seit neun Jahren als Partei- und Regierungschef. Er kennt jedes politische Ränkespiel, lässt Freunde und Gegner oft gleichermaßen überrascht zurück. Am Ende gewann er oft, zahlte über die Jahre hinweg aber einen hohen Preis. 2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast umbrachte. Seitdem ist er gesundheitlich angeschlagen, braucht immer wieder Phasen der Erholung.

    Söder strebt keinen Wechsel nach Berlin an

    Seehofer hat seine Gegner über die Jahre nicht immer fair behandelt, auch die eigenen Leute wussten oft nicht, woran sei bei ihm genau sind. Seine Kritiker werfen ihm einen fast autokratischen Regierungsstil und einen erbarmungslosen Populismus vor, der vor allem den eigenen Machterhalt sichert. Der Franke Söder und der Oberbayer Seehofer sind einander in herzlicher Abneigung verbunden. Söder mit seinem ausgeprägten Machtwillen polarisiert in der Partei ebenfalls. Schon vor Jahren warf Seehofer ihm „charakterliche Schwächen“ und einen „pathologischen Ehrgeiz“ vor, der Finanzminister leiste sich „zu viele Schmutzeleien“. Freunde werden die beiden Alphatiere sicher nicht mehr. Doch jetzt müssen sie zusammenwirken, um die Partei wieder zu einen. Das Verlangen nach Frieden ist groß.

    Söder könnte mit einer Ämtertrennung gut leben, strebt er doch ohnehin keinen Gang nach Berlin an. Er war nach der Fraktionssitzung auffällig gut gelaunt: „Wir müssen versuchen, als CSU wieder zu der legendären Geschlossenheit zu gelangen. Da muss jeder einen Beitrag leisten, ich auch, und das werden wir tun.“ Mit Sicherheit.