Tallinn/Riga. Auf seiner Reise durch die baltischen Staaten findet Präsident Frank-Walter Steinmeier klare Worte gegen Russland. Das kommt gut an.

Frank-Walter Steinmeier ist gerade erst in Estland eingetroffen, da wird er schon mit einem heiklen Thema konfrontiert: Was der Bundespräsident davon halte, dass der frühere

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demnächst in den Vorstand des mit EU-Sanktionen belegten russischen Ölkonzerns Rosneft einziehe? So wird der Staatsgast aus Deutschland gleich nach dem ersten Gespräch mit der estnischen Präsidentin Kersti Kaljulaid gefragt.

Steinmeier, der frühere Vertraute

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, blickt kurz auf, dann sagt er knapp: „Das ist ein Vorgang, zu dem sich der Bundespräsident sicher nicht in der Öffentlichkeit äußern wird“.

Schröders Engagement begleitet Steinmeier

Es klingt, als habe er die Frage schon erwartet. Der Präsident weiß, dass der neue Job des Altkanzlers in Estland, Lettland und Litauen aufmerksam registriert wird – und die russlandkritische Öffentlichkeit dort weiß wiederum, dass sich in Deutschland die Bundeskanzlerin und der SPD-Chef längst von Schröder distanziert haben. Der Bundespräsident hält sich lieber heraus.

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    Aber es ist nicht die einzige Frage mit Schröder-Bezug, mit der Steinmeier während seines Baltikum-Besuchs zu kämpfen hat. Noch viel mehr als Schröders neuer Job treibt die Balten die Frage um, wie sie die geplante zweite Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Deutschland verhindern können – jene Pipeline für das Gazprom-Gas, bei deren Projektgesellschaft Altkanzler Schröder den Verwaltungsrat leitet.

    Abhängigkeit von russischem Gas beängstigt Balten

    Die baltischen Staaten fürchten, dass mit Nord Stream 2 die Abhängigkeit Europas von russischem Gas noch größer wird; inzwischen hat sich die EU-Kommission gegen den Willen Deutschlands eingeschaltet, sie will mit Russland verhandeln. Bei seinen politischen Gesprächen zunächst in Tallinn und Riga wird Steinmeier wiederholt auf die Pläne angesprochen, und er hat eine bemerkenswerte Antwort: Europa müsse sich bei diesem Thema verständigen.

    Deutschland habe ein Interesse daran, dass alle Gesichtspunkte von der EU geprüft würden, damit nichts auf den Weg komme, was europäischem Recht widerspreche. Dabei hat sich die Bundesregierung lange gegen die Einschaltung der EU gewehrt, sie hält die zweite Pipeline – anders als die östlichen EU-Nachbarn – für ein rein unternehmerisches Projekt.

    Steinmeier ist um Freundschaft bemüht

    Schröder und das Gas: Es sind die größten Hürden, die der Präsident nehmen muss bei seinem eigentlich freundschaftlichen Besuch im Baltikum. Einst war er als Kanzleramtschef einer der engsten Weggefährten Schröders, inzwischen ist sein Verhältnis zum früheren Förderer merklich abgekühlt; weder das eine noch das andere lässt sich der Bundespräsident anmerken.

    Wirklich trüben kann die Angelegenheit seinen Besuch in Lettland, Estland und Litauen ohnehin nicht. Steinmeier wird freundlich empfangen von den Balten – und er gibt sich große Mühe, die guten Beziehungen noch ein wenig aufzupolieren. Er spaziert mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender durch die pittoresken Altstädte von Riga und Tallinn, diskutiert mit Jugendlichen, legt Kränze nieder und besucht Erinnerungsstätten zur deutschen und russischen Besatzung.

    Präsident kritisiert weiter Annexion der Krim

    Vor allem aber hat der Präsident eine klare Botschaft, die auf großes Wohlwollen stößt. Ungewöhnlich deutlich sind seine Warnungen an Russland: Deutschland und Europa würden weder die Annexion der Krim noch die gezielten Desinformationsversuche hinnehmen. In einer Rede in Tallinn trägt Steinmeier am Mittwoch minutenlang die Vorwürfe an Moskau vor: Völkerrechtsbruch auf der Krim. Gefährdung des Friedens in Europa. Verdeckte Einmischung. Und ein gefährlicher Schutzmachtanspruch für russische Minderheiten im Ausland, mit dem die „Büchse der Pandora“ geöffnet werde.

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      Seine frühere Warnung vor einem „Säbelrasseln“ der Nato reduziert Steinmeier später in Riga auf ein Missverständnis. Das neue Amt gibt ihm die Freiheit, einen neuen Ton gegenüber Russland anzuschlagen. Trotzdem kann es der Präsident nicht allen recht machen. Als er vor blinder Feindschaft zu Russland warnt, murren manche Zuhörer. In der anschließenden Diskussion fordert der estnische Parlamentarier Mart Nutt mit Blick auf Russland: „Man muss den Aggressor stoppen, sonst testet er uns, die Nato und die Welt“. Die Gleichgültigkeit gegenüber Moskaus Vorgehen etwa in Georgien oder der Ukraine sei gefährlich.

      In Litauen spielt Bundeswehr eine führende Rolle

      Die Angst der Balten vor einer russischen Aggression ist groß – manche befürchten schon, das für September geplante russische Großmanöver in Weißrussland sei die Vorbereitung einer Invasion im Baltikum. Andere glauben, Russland werde die Truppen danach nicht wieder von der EU-Grenze abziehen, um für später ein Faustpfand zu haben. Steinmeier aber betont immer wieder, der Westen habe sehr wohl reagiert, Deutschland dabei früh und entschlossen: Die Nato hat die Luftraumüberwachung verstärkt, auch die Bundeswehr beteiligt sich am „Air Policing“. Und die Nato-Staaten haben 4000 Soldaten im Baltikum und Ost-Polen stationiert, die als Vorne-Verteidigung einen möglichen Angriff Russlands abschrecken sollen.

      Dabei spielt in Litauen die Bundeswehr mit rund 450 Soldaten die führende Rolle. Steinmeier wird die deutschen Soldaten während seiner Reise besuchen, auch das ist eine Demonstration. Steinmeier weiß aber ebenfalls, dass die 4000 Nato-Soldaten bei einem russischen Vorstoß keine Chance hätten – die Präsenz hat rein symbolische Bedeutung. Doch den Präsidenten treibt bei aller Distanz zu Moskau auch die Sorge vor einer Eskalation. Trotz Sanktionen und höherer Nato-Präsenz müsse der Westen versuchen, Kanäle zu Russland offen zu halten, mahnt er. Man dürfe nicht von der Endgültigkeit der Geschichte ausgehen, man müsse an Verbesserungen arbeiten. Bei aller Ernüchterung – die Hoffnung auf eine neue Entspannung hat Steinmeier noch nicht aufgegeben.