Hamburg. Beim Weinpodcast sind diesmal Dörte und Meike Näkel zu Gast, die ein ambitioniertes Weingut an der Ahr leiten

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Grauburgunder, Weißburgunder, Chardonnay, Frühburgunder, Spätburgunder, Pinot Meunier, auch Schwarzriesling genannt – das sind die wesentlichen Mitglieder der Burgunderfamilie, um die es diesmal in unserer Reihe „Vier Flaschen“ (zu hören unter www.abendblatt.de/podcast, zu sehen auf unserem Youtube-Kanal) geht. Weinkenner Michael Kutej, Riesling-Liebhaber Lars Haider und Apfelschorlen-Trinker Axel Leonhard haben die Schwestern Dörte und Meike Näkel zu Gast, die das Weingut Meyer-Näkel an der Ahr leiten. Das ist auf Burgunder-Rebsorten spezialisiert, und deshalb geht es in dieser Folge der „Vier Flaschen“ – es ist schon Nr. 38 – um die „extrem ­mutationsfreudige“ Familie.

Wobei das, so Meike Näkel, anders als beim Coronavirus etwas Positives sei: „Die Sorte passt sich sehr gut an die veränderten Klimabedingungen an und entwickelt sich weiter.“ Grundsätzlich sei der Burgunder eher fein, nicht so „säure- und tanninegeprägt“, und unter anderem deswegen erklärungsbedürftig, auch weil die Rotweine oft ziemlich hell seien. Aber dazu später mehr.

Der Weißburgunder schmeckt nach Zitrone und Schiefer

Los geht es mit einem Weißburgunder aus dem Jahr 2019, einem Gutswein, den es bei Meyer-Näkel gibt, weil „unser Vater auch mal einen Weißwein trinken wollte, von dem sein Magen nicht so angegriffen wird“. Der Wein schmeckt nach Zitrone, ist mit zwölf Prozent Alkohol recht leicht, „wirkt aber intensiver“, sagt Kutej: Es sei das erste Mal, dass er einen Weißburgunder von der Ahr probiere, „und er macht mich ziemlich an“. Haider schmeckt nach dem dritten Schluck „ziemlich viel Salz“, und das ist von den Winzerinnen auch so gewollt: Ihr Ziel sei es, dass man aus den Weinen den (schieferhaltigen) Boden herausschmecke, auf dem die Trauben wachsen: „Im Idealfall schmeckt man die Region raus“, sagt Dörte Näkel.

Früh- und Spätburgunder sind für einen Rotwein relativ hell.
Früh- und Spätburgunder sind für einen Rotwein relativ hell. © Getty Images/iStockphoto | angiii

Das Glas mit dem zweiten Wein, einem Frühburgunder aus dem Jahr 2018, hält Michael Kutej vor ein weißes Blatt Papier – und das hat natürlich einen Grund, siehe oben. „Vielen Menschen ist die Farbe der Früh- oder Spätburgunder für einen Rotwein zu hell, und deshalb lehnen sie sie ab“, so Kutej. Es gebe sogar Winzer, die den beiden Sorten andere Weine beimischen würden, um die Farbe etwas dunkler hinzukriegen. „Unser Opa hat das früher tatsächlich auch gemacht, wir arbeiten schon lange nicht mehr mit den sogenannten Deckrotweinen“, sagt Meike Meyer-Näkel.

Diese vier Flaschen wurden in Folge 38 verkostet.
Diese vier Flaschen wurden in Folge 38 verkostet. © HA | Ha

Etwa drei Wochen zwischen Früh- und Spätburgunder

Haider findet helle Rotweine sowieso viel sympathischer, „mich schrecken eher die tiefroten Weine ab, weil sie symbolisieren: Ich bin richtig schwer.“ Er riecht beim Frühburgunder „geräucherten Schinken“ und fragt sich: „Kann das sein?“ Kutej attestiert dem Wein tatsächlich etwas Würziges, natürlich seien auch dunkle Beeren, zum Beispiel Brombeeren dabei, und wieder etwas Mineralisches, was man sonst nur vom Riesling kennt. „Den Geschmack des Frühburgers macht die Kombination von Waldbeeren und Waldboden aus“, sagt Meike Näkel. Grundsätzlich ließen sich Früh- und Spätburgunder schwer auseinanderhalten. Der Frühburgunder sei etwa drei Wochen vor dem Spätburgunder reif, was die Winzerinnen inzwischen in echte Schwierigkeiten bringen würde. Durch den Klimawandel und steigende Temperaturen habe sich die Weinlese in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter nach vorn verschoben.

Ein Beispiel dafür ist der Spätburgunder in Flasche drei, ein Wein aus 2018, „ein Jahr, an das sich wegen der enormen Temperaturen alle noch erinnern werden“, sagen die Meyer-Näkels. „Wir hatten die früheste Lese aller Zeiten, haben Ende August schon damit begonnen und waren Mitte September fertig.“ Früher sei es normal gewesen, mit der Lese nach dem 3. Oktober zu starten – „wobei früher in unserem Fall vor zwölf Jahren heißt“. Zu früh dürfe man einen Spätburgunder auch nicht ernten, die Trauben müssen um die 100 Tage am Stock bleiben, damit sie ihre volle Reife erreichen. Und wie schmeckt der Spätburgunder? „Er riecht stärker nach grünen Kräutern als der Frühburgunder“, sagt Michael Kutej, Haider hat passenderweise grüne Paprika im Sinn. Interessant sei, dass sich der Weine innerhalb weniger Minuten geschmacklich verändere, was für Kutej ein Zeichen für „hohe Komplexität und Klasse“ ist. Überhaupt würden deutsche Spätburgunder ähnlich wie deutsche Rieslinge weltweit zu den besten Weinen gehören, die man bekommen kann: „Beim Spätburgunder spricht man über 450 bis 500 verschiedene Geschmacksrichtungen, die es zu entdecken gibt.“ Das fange bei Paprika und Pfeffer an und ende bei, wirklich, Schokobanane: „Das macht den Spätburgunder an sich so spannend.“ Es käme hinzu, dass die gleiche Flasche in zwei Jahren völlig anders schmecken würde als heute. Kutej: „Wenn man einen großen Burgunder mal zum richtigen Zeitpunkt im Glas hat, will man danach eigentlich nichts anderes mehr trinken."

Flasche vier ist ein Blauschiefer Spätburgunder, ebenfalls aus dem Jahr 2018, den man sofort trinken, aber auch lange lagern könne. Wenn man ihn sofort trinkt, wie die Runde bei den „Vier Flaschen“, merkt man den Sprung vom Guts- oder Einstiegswein (das war der erste Spätburgunder) zum Ortswein: „Man schmeckt den Schiefer heraus, der Stein ist dominant“, sagt Lars Haider. Burgunder reagierten extrem auf die Lage, auf der sie stehen, erklären die Winzerinnen: „Das Erdige, Steinige steigt einem beim Blauschiefer zuerst in die Nase“, sagt Meike Näkel. „Und das ist auch genau das, was wir mit unserem Wein hier erreichen wollen.“