Hamburg. Diesmal geht es bei den „Vier Flaschen“ um den Riesling vom Weingut Schloss Johannisberg, dessen Chef zu Gast ist.

Weine aus dem Jahrgang 2019 haben es schwer. Keine Messe, kaum Verkostungen, „man weiß gar nicht so recht, wie gut oder schlecht dieser Jahrgang nun ist“, sagt Michael Kutej, Inhaber der Hamburger Hanse Lounge und Weinkenner, in der Abendblatt-Reihe „Vier Flaschen“ (zu hören unter www.abendblatt.de/podcast, zu sehen auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts und zu lesen jeden zweiten Sonnabend im Wochenendmagazin).

Kutej sucht für seine beiden Mitstreiter, Abendblatt-Chefredakteur und Riesling-Liebhaber Lars Haider sowie Filmemacher Axel Leonhard (ein passionierter Biertrinker), immer die vier Flaschen aus, die in jeder Folge zusammen mit einem Gast getestet werden. Auf die heutigen Weine stieß er bei Bewertungen für das Fachmagazin „Fal­staff“ – „ein Zufall, aber ein glücklicher“.

Weingut Schloss Johannisberg,  für Weinpodcast
Weingut Schloss Johannisberg,  für Weinpodcast "Vier Flaschen" mit Stefan Doktor, Hamburger Abendblatt Pressefoto © Weingut Schloss Johannisberg | Weingut Schloss Johannisberg

Vom Weingut, von dem diesmal die Flaschen stammen, hatten Haider und Leonhard vorher noch nichts gehört. Was vielleicht nicht verwunderlich ist, weil Schloss Johannisberg die Hälfte seiner Weine exportiert, unter anderem in die USA und nach China. Zu finden sind die Weine dort oft an Flughäfen. Von der anderen Hälfte wird viel an die Gastronomie geliefert – und an rund 150.000 Besucher pro Jahr, die sich das Weingut vor Ort ansehen, zumindest vor der Corona-Pandemie.

Bei der Benennung der Weine ist man sich im Rheingau treu geblieben

„In der Krise ist unser Onlinehandel um 600 bis 700 Prozent gewachsen“, sagt Stefan Doktor, der Chef des Weinguts, dessen Geschichte sich bis zum Jahr 817 zurückverfolgen lässt – und dessen Etikett bewusst seit 1820 kaum verändert wurde. Auch bei der Benennung der Weine ist man sich im Rheingau treu geblieben: Sie heißen nach den verschiedenfarbigen Verschlüssen zum Beispiel Gelblack, Silberlack, Rotlack und Grünlack – und genau in dieser Reihenfolge wurden sie auch getrunken.

Vorher noch zwei wichtige Fakten aus der interessanten Geschichte des Gutes: Es gehörte einst dem Fürsten von Metternich (der auch anordnete, die Flaschen stets mit unterschiedlichen Lacken zu verschließen) und ist heute im Besitz der Familie Oetker. Bereits 1720 wurde beschlossen, nur noch eine Rebsorte anzubauen: Riesling. „Das war eine kluge Entscheidung“, sagt – wenig überraschend – Riesling-Liebhaber Lars Haider.

Von Rotlack zu Grünlack:  Die Farbe der Rieslinge  verrät ihre Qualität.
Von Rotlack zu Grünlack: Die Farbe der Rieslinge verrät ihre Qualität. © Manfred Klimek/Weingut Schloss Johannisberg | Manfred Klimek/Weingut Schloss Johannisberg
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© Manfred Klimek/Weingut Schloss Johannisberg | Manfred Klimek/Weingut Schloss Johannisberg
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© Manfred Klimek/Weingut Schloss Johannisberg | Manfred Klimek/Weingut Schloss Johannisberg

Los geht es mit dem Gelblack,dem Einsteiger-Riesling, der Michael Kutej erst auf die Spur von Schloss Johannisberg gebracht hat. Und was fällt Lars Haider sofort dazu ein? Er riecht Ahoi-Brausepulver, Geschmacksrichtung Zi­trone, und schmeckt das wenig später auch. „Das ist ja mal ein Kompliment“, sagt Axel Leonhard. Und was sagt der Winzer? „Ich habe es so noch nie wahrgenommen, aber du hast vollkommen recht. Chapeau!“

Für Kutej ist es „einfach nur mega: Der Wein hat eine solche Energie. Wenn man ihn trinkt ist es, als würde er gleich wieder hochkommen, um zu sagen, dass er noch da ist.“ Bei Haider prickelt es „die ganze Zeit im Mund“, und auch das kann Stefan Doktor nachvollziehen. Kutej sagt, dass dieser Riesling ein Riesling für alle diejenigen sei, die sonst mit der Säure der Rebsorte Probleme hätten.

Von Rotlack zu Grünlack: Die Farbe der Rieslinge verrät ihre Qualität.

Vom Gelblack aus dem Jahr 2019 zum Silberlack aus dem Jahr 2017, über den die Meinungen auseinandergehen, obwohl es ein Großes Gewächs ist: Man schmeckt Grünen Tee und grüne Kräuter. „Spannend ist, dass der Wein nur 12,5 Prozent Alkohol hat, obwohl er ein Großes Gewächs ist“, sagt Kutej. Normalerweise gingen Weine in dieser Range eher in Richtung 14 Prozent, manchmal lägen sie sogar darüber. Für Haider fällt er „trotzdem deutlich hinter dem Gelblack“ ab.

Drei Fragen der Zuhörer/Zuschauer und Leser:

  • Wenn ich einen Wein aufgemacht habe, wie lange kann ich ihn dann im Kühlschrank lagern? Stefan Doktor: „Es ist davon abhängig, was für ein Wein das ist. Wenn ich einen Wein für 2,50 Euro im Supermarkt kaufe, würde ich schon darauf achten, den innerhalb weniger Stunden zu trinken. Man merkt schnell, wie müde der Wein ist, wie schnell er seine Energie verliert.“ Michael Kutej: „Du musst den Wein so trinken, wie du ihn am liebsten magst. Der beste Wein ist einer, bei dem die Flasche nach einer Stunde leer ist.“
  • Wie ist noch mal die Reihenfolge in den Qualitätsstufen der Weine? Kutej: „Gutswein, Ortswein, Lagenwein, Großes Gewächs, Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein.“
  • Wie viel Geld muss ich ausgeben, wenn ich mir einen Weinkeller mit einem Grundstock von 100 Flaschen anlegen möchte? Kutej: „Ich würde mit 30 Euro pro Flasche kalkulieren. Und ich muss ganz ehrlich sagen: 100 Flaschen für einen Weinkeller sind nicht besonders viel …“

Der Rotlack ist ein Riesling Kabinett, wieder aus dem aktuellen Jahrgang, mit 24 Gramm Restzucker, dreimal so viel wie der Gelblack. Und Lars Haider hat sofort eine neue ungewöhnliche Assoziation: „Kennt ihr das, wenn man auf einem Jahrmarkt an einem Stand mit Salmiakbonbons vorbeiläuft? Den Duft habe ich gerade in der Nase.“ Kutej: „Am Gaumen hat man sehr intensiv so etwas wie Grapefruit, das Spiel süß-sauer ist extrem.“

Im letzten Wein, dem Grünlack, einer Spätlese, ist noch mehr Zucker drin, Axel Leonhard ist er tatsächlich zu süß: „Es schmeckt wie ein Saft, für mich ist das nichts.“ Kutej ist dagegen erneut begeistert: „Diesen Wein muss man jetzt kaufen und erst in 20 Jahren trinken. Denn alte Spätlesen oder Kabinette schmecken mit jedem Jahr, die sie reifen, immer mehr wie ein trockener Wein. Irgendwann ist der Zucker so eingebunden, dass man ihn kaum noch merkt.“ Und: „Rieslinge aus Deutschland, die so gemacht werden, gehören zur absoluten Weltklasse.“